Ui, was für ein Event!
Am Sonnabend um 11 Uhr Ortszeit Magdeburg machten sich 7 wagemutige Recken auf ins 500 km entfernte Erding bei München, um sich dem Distanzrutschen-Marathon zu stellen. So richtig trainiert hatte eigentlich keiner von uns, aber jeder hatte irgendwelche Ausdauer-Wettkampf-Erfahrung: 24-h-Schwimmen, Extrem-Trail-Läufe, Marathons, etc.
Beworben hatten sich 1500 Distanzrutscher aus ganz Deutschland und der Schweiz, von denen 50 zum Wettkampf zugelassen wurden. Ausgesucht wurde nach Vorerfahrung und Ernsthaftigkeit sowie Erfolgswahrscheinlichkeit. Von diesen 50 stellten sich 34 tatsächlich der Herausforderung.
Nach etwas über 5 Stunden Fahrt in Erding angekommen, langweilten wir uns zunächst in der Rezeption. Durch Zufall streunte der derzeitige Weltrekordhalter auch da herum und gab uns noch einige Tipps mit auf den Weg. Auf einmal machten sich Zweifel unter uns breit, ob wir hier überhaupt richtig waren. Schließlich wurde es 18 Uhr und ein Kamerateam von Galileo filmte uns geschätzte 1000 Mal, wie wir alle "gerade in der Rezeption ankommen". Dann bekamen wir unsere Eintritts-Chips und konnten in die Therme. So mancher Teilnehmer machte bereits hier seine Chancen zunichte, indem er ein- oder zweimal zu oft die Rutsche vorher benutzte. Ich nahm mir die verbleibenden 3 Stunden bis zum Wettkampf, um nochmal gemütlich auf einer Liege ein Nickerchen zu halten.
Um 22 Uhr war es dann soweit und der Startschuss zerschnitt die bis dato sehr ruhige Atmosphäre. Meine Startnummer schickte mich fast ganz ans Ende des Teilnehmerfeldes. Alle liefen wie angestochen los, obwohl der Wettkampf mindestens 5 Stunden dauern würde. Ich nahm als Bummel-Letzter die Startlinie. Da das Regelwerk vorsah, jede Stunde den Letzten aus dem Rennen zu nehmen, musste ich mir wenigstens eine Person merken, die es zu überholen galt. Aber erstmal wollte ich darauf zielen, dass einer der Leute ausscheidet, die am Anfang überpact haben.
Nun galt es, so oft und so schnell wie möglich, die 123 Treppenstufen (8 Stockwerke) zu überwinden und die 360 Meter lange Rutsche hinab zu bewältigen. Bereits nach einer Viertelstunde überholte ich völlig erschöpfte Teilnehmer. Die Belastung auf der Treppe ist dermaßen hoch, dass der Körper in der verbleibenden Rutschzeit kaum Chancen zur Erholung hat. Und das schon zu Anfang nicht. Ich hatte mich also in der ersten halben Stunde an etwa 10 Mitstreitern vorbeigearbeitet, allein durch meinen ruhigen, gleichmäßigen Stil. Um nicht einzubrechen, schnappte ich mir ein Energie-Getränk und beging den Fehler, es auf der Treppe zu mir zu nehmen. Der Magen streikte und ein paar Minuten später fand ich mich mit Durchfall auf der Toilette wieder. Dort verlor ich 10 Minuten und in der verbleibenden Viertelstunde hatte ich alle Hände voll zu tun, den Letzten einzuholen, so dass ich nicht das Rennen verlassen musste. Es gelang, aber die Belastung war so hoch und so lang, dass ich heftige Kopfschmerzen bekam. Daher machte ich 3 Minuten Pause und bemerkte, dass ich Nahrung viel besser vertrage, wenn ich sie erst nach abklingendem Maximalpuls zu mir nehme.
Die nächste Stunde war geprägt von vielen Überholvorgängen und ich arbeitete mich ins Mittelfeld der verbliebenen 33 Teilnehmer vor. Ich behielt meine Strategie bei, nicht die Treppen hinaufzurennen und alle 3-6 Runden eine 2minütige Pause zu machen, um zu essen. Nach 2 Stunden war ich sicher außer Reichweite des letzten Rennteilnehmers.
Stunde 3 wurde Zeuge der ersten Aufgaben von Teilnehmern. Krämpfe und Überanstrengung veranlasste die Ärzte, 2 Leute aus dem Rennen zu nehmen. ich hingegen stabilisierte meine Leistung und wurde sogar vom Galileo-Team dazu eingeladen, mit einem Reporter und seiner Unterwasserkamera eine Rutsch-Runde zu drehen.
In der 4. Stunde erlebte ich mein Hoch und konnte nochmal richtig Gas geben. Ich merkte, dass ich gut, aber nicht zu viel gegessen hatte und mir die reichhaltigen Salzgaben dazu verhalfen, keinen einzigen Krampf zu bekommen - ganz im Gegensatz zu vielen anderen Rennteilnehmern. Jetzt waren nch etwa 30 Leute dabei, aber die Dauerbelastung von Physis und Psyche ließ jetzt einen nach dem anderen aufgeben.
Stunde 5 erlebten noch 22 Leute. Müdigkeit, Überanstrengung, Hustenattacken, 1000 Mal geschlucktes Wasser und Magenknurren zeichneten die letzten Recken von Kopf bis Fuß. Und jedes Mal der Blick zur Uhr, die einfach nicht weiterticken wollte. Schließlich erreichte der Gewinner die 42,195-km-Marke nach ziemlich genau 5 Stunden - was die Verbliebenen dazu veranlasste, gebannt auf die Anzeigentafel zu starren, wer welche Platzierung erreicht hat, da dieses Event gleichzeitig die Wertung zur Deutschen Meisterschaft darstellte. Gelistet wurden leider nur die ersten 11 Plätze, unter denen ich nicht war. Ich muss irgendwo im hinteren Drittel gelandet sein, zwischen Rang 16-19. Dafür waren unglaubliche 4 Mann aus unserem Magdeburger Nichtprofi-Team unter den ersten Elf!
Mit gesenkten Köpfen, pochendem Atem und Druckschmerzen an Rücken und Beinen verzogen wir uns in die Duschen, um 1 Stunde später, etwa gegen 4 Uhr morgens, den Heimweg anzutreten. Gegen halb neun kamen wir wieder wohlbehalten zu Hause an und schworen uns, nie wieder distanzzurutschen ... :lachen: