Der Rambo-Renter
Normalerweise lassen es alte Leute im Studio eher geruhsam angehen. Sie wollen sich ja nicht verletzen oder in einer würdelosen Position auf einer Maschine einen Herzkranzgefäßkatharr erleiden. Die Gelenke wollen auch nicht mehr so wie früher und deshalb ist man da lieber vorsichtig. Man sitzt ein bißchen auf dem Ergometer, dann geht man zur Rückenmaschine um was für seine Bandscheiben zu tun. Zwischendurch wird natürlich viel geredet, denn außerhalb des Altenheims passiert doch hin und wieder was Neues.
Aber es gibt einen, der spuckt auf solche Leute. Obwohl er genausoviel Jahre auf dem Buckel (nicht metaphorisch gemeint) hat wie seine Altersgenossen, ist er nicht bereit seinen Körper zu schonen, oder sich im Training in irgendeiner Art und Weise zurückzuhalten. Die Verachtung für seine Mitmenschen steht ihm ins Gesicht geschrieben. Entweder es sind junge Einfaltspinsel, die erst mal lernen sollen, was Arbeit ist, oder es sind alte faule Säcke, die ihren Arsch nicht mehr hochbekommen.
Nachdem er mit seinem Feinrippunterhemd aus der Umkleide kommt, geht es erstmal an die freien Gewichte. Aufwärmen ist für Bettnässer und Wehrdienstverweigerer. Er atmet tief durch und legt los. Ich habe dabei schon vergeblich versucht, zu identfizieren welche Muskelgruppe er mit welcher Übung bearbeiten soll, aber ich hab es noch nie geschafft. Nicht nur, daß sich die Übungsausführung von Wiederholung zu Wiederholung ändert, er scheint grundsätzlich Ganzkörperübungen zu bevorzugen. Das einzige was dabei variiert, sind die Gewichte. So macht er z.B. mit der 7,5 kg Hantel eine Ganzkörperübung, deren grundsätzliches Ziel das seitliche Heben des völlig durchgestreckten Armes zu sein scheint. Wenn er trainiert habe ich zeitweise das Gefühl ihm kocht Popkorn im Arsch, so knackt es. Eine andere ausgezeichnete Ganzkörperübung findet am Kabelcrossover statt. Er legt sich in die Kabel wie ein Skispringer beim Flug und springt mit den Kabelgriffen in den Händen auf und ab. Ich frage mich heute noch, was die Übung genau bringt. Manchmal nimmt er auch die Langhantelstange, mit ordentlich Gewicht beladen und hält sie mit durchgestreckten Armen an seinen Oberschenkeln. Auf einmal geht ein Ruck durch seinen Körper. Man kann gar nicht genau sehen, was er macht, aber in einem Moment ist die Hantel unten, sein Oberkörper ganz nach vorne gebeugt. Und im anderen Moment ist sein Oberkörper ganz nach hinten geknickt, die Hantel fast über seinem Kopf und er versucht nicht nach hinten umzufallen. Eine mir völlig unbekannte, aber dennoch nicht weniger schwachsinnige Übung.
Nachdem sein Körper wie durch ein Wunder Gottes unverletzt geblieben ist, macht er sich noch an eine Rückenmaschine. So wie ich mir denke, daß die Übung funktioniert, kann es aber nicht sein. Er sitzt also an einer Rudermaschine und versucht einen riesigen Gewichtsstapel anscheinend zum Sack zu ziehen. Denn er läßt dabei die Arme durchgestreckt und lehnt sich ruckartig immer weiter zurück. Manchmal kommt er mit dem Kopf fast am Boden auf. Ich bin beeindruckt. So hab ich die Übung ja noch nie gesehen. Schließlich streckt und reckt er sich noch. Das hört sich dann so wie ein rostiges Scharnier, das seit Äonen nicht mehr geölt wurde.
Irgendwann ist er dann auch fertig. Über seine Übungsausführung zu sprechen ist allerdings unmöglich. Er ignoriert alle Hinweise und medizinischen Bedenken und antwortet in einer mir nicht bekannten Abart der deutschen Sprache. Ja, früher, da war alles besser. Auch beim Kraftsport.
Ein Mann wie er kann sich so ein Training ja leisten - ist ja eh schon alles kaputt. Aber als Beispiel für die Jugend...
Spin