Del Piero
New member
In letzter Zeit sind ja öfter Fragen zum Thema Dehnen aufgekommen,habe hier einige interessante Infos:
Ein im November 1995 in der renommierten Zeitschrift für Physiotherapie erschienener Artikel, der den Sinn des Stretching in Frage stellt und gar schädliche Effekte geltend macht, verursachte in Sportler- und Betreuerkreisen eine grosse Verunsicherung. Frau Dr. Regula Gmünder, meine Mitarbeiterin in der Sportsprechstunde im Triemlispital, hat in der Folge Literatur zusammengetragen und zusammengefasst. Auf der Grundlage ihres an unserer Physiotherapie gehaltenen Referates und eigener Erfahrungen möchte ich Euch auf den neusten Stand bringen:
Vorweg meine persönliche Meinung: Stretching hat sich in den letzten 10 bis 15 Jahren, seit es in der Sportmedizin Eingang gefunden hat, zu einem optimalen Heilmittel bei Muskel- und Sehnenproblemen entwickelt und hat sich in der Prophylaxe von Verletzungen (und sei es "nur" Muskelkater) etabliert. Wer heute das Stretching verteufeln will, macht einen gefährlichen Schritt rückwärts und ist alles andere als innovativ.
Die neuere Muskelforschung hat jedoch zu einigen Modifikationen geführt. Zuerst etwas Physiologie:
Beim Vorgang der Kontraktion schieben sich Aktin- und Myosinfilamente ineinander und bilden Verbindungen, die sich unter Energieverbrauch wieder lösen. Leistet ein Muskel repetitiv Arbeit, ermüdet er und zwar umso rascher, je grösser die Belastung und je schneller die Bewegung ist.
Am isolierten Muskel konnte gezeigt werden, dass es eine optimale Muskellänge gibt, mit der dieser Muskel maximale isometrische Arbeit leisten kann. Am lebenden Organismus wird diese optimale Muskellänge geschützt durch Reflexe. Das physiologische Ausmass von Dehnung und Verkürzung beträgt ungefähr 10% der Ruhelänge.
Ziele des Dehnens
l. Vorbereitung des Muskels auf eine nachfolgende Arbeit
Hier spielt die optimale Muskellänge eine Rolle. Nur ist es sehr schwierig festzustellen, ob ein bestimmter Muskel die optimale Länge hat. Falls er sie hat und zusätzlich gedehnt wird, schafft man damit eine ungünstige Ausgangsposition. Klar ist die Situation dagegen, wenn ein verkürzter Antagonist die Arbeit des Agonisten behindert. Seine Dehnung ist sicher sinnvoll. Auch soll es durch Immobilität zu leichten Verklebungen zwischen den Geweben kommen, die durch Dehnen gelöst werden, auch das ist sinnvoll. Möglicherweise wird durch eine geeignete Dehntechnik (intermittierendes Stretching) die Durchblutung gefördert. Als Vorbereitung auf eine nachfolgende körperliche Belastung aber gilt sicher: mit Mass.
2. Verbesserung der Beweglichkeit
Die Beweglichkeit eines Gelenkes ist abhängig von der knöchernen und knorpeligen Gelenkkonfiguration, vom Kapsel-Band-System und von der Dehnbarkeit der Muskulatur. Dehnen kann nur dann zur Verbesserung der Beweglichkeit eingesetzt werden, wenn sie durch verkürzte Muskulatur eingeschränkt ist und niemals, wenn arthrotische Randwülste den "Anschlag" bilden. Je nach Anspruch im alltäglichen und sportlichen Leben werden unterschiedliche Anforderungen an die Beweglichkeit gestellt. Die Muskulatur muss optimal gedehnt sein, nicht unbedingt maximal. Wir sind nicht alle Ballettänzer.
3. Prophylaxe oder Therapie von Muskelverkürzungen
Die Muskulatur adaptiert sich an gewohnheitsmässig vorherrschende Längenbeanspruchung. Nach einer Muskelarbeit-entsteht eine Verkürzung der kontraktilen Elemente. Falls nicht überlastet wird, ist diese Verkürzung reversibel. Sowohl im Sport als auch im Alltag wird jedoch oft (nicht immer bemerkt) überbelastet und damit kommt es zur bleibenden Verkürzung. Mit geeigneten Methoden soll versucht werden, die funktionelle oder strukturelle Muskelverkürzung gar nicht erst zustandekommen zu lassen oder wieder zu korrigieren.
4. Verletzungsprophylaxe
Die Verkürzung eines Muskels führt zur muskulären Dysbalance. Folglich wird das Gelenk in einer Stellung gehalten, in der Kräfte auftreten, die zu Verschleisserscheinungen führen. Stretching korrigiert die muskuläre Dysbalance (in Kombination mit Kräftigung je nach Anforderung). Eine reaktionsfähige, kräftige Muskulatur ist weder selbst verkürzt, noch wird sie von einem verkürzten Antagonisten behindert. Sie kann so reagieren, dass akute Verletzungen wie Sehnen- oder Muskelrisse verhindert werden. Persönlich habe ich auch gute Erfahrungen gemacht mit Stretching bei Muskelverletzungen. Die Närbchen resp. Narben richten sich besser nach dem Verlauf der Fasern aus und stören später das Kontraktionsmuster weniger. Auch bei Sehnenverletzungen vermindert sich der Zug auf die Sehne bei gut entspannter Muskulatur, sodass eine Heilung geschehen kann. Vorsicht ist aber angezeigt: Ueberdehnen und übermässige Verlängerung von Muskeln ist zu vermeiden. Durch das gleichzeitige Ueberdehnen von Bändern und Kapsel wird die Verletzungsanfälligkeit erhöht. Diese Gefahr besteht aber fast nur bei Akrobaten, bei Läufern habe ich bisher nur das Gegenteil, also verkürzte Muskeln gesehen.
5. Verbesserung der Muskelregeneration
Nach harter Arbeit ist der Muskel verkürzt siehe 3). Intensives Dehnen kann zur Zerreissung von Sarkomeren führen. Sanftes Dehnen, evtl. nach einer Pause jedoch verbessert die Durchblutung, die Kontraktion löst sich rascher, die Muskeln können sich völlig entspannen.
6. Reduzierung des Muskeltonus
Der Muskeltonus ist sehr schwierig objektiv zu messen. Ebenso ist es umstritten, ob der Tonus, der von sehr vielen Faktoren abhängig ist, durch Dehnung verändert werden kann. Kurzfristig, also nach einer Belastung ist dies anzunehmen, auf den Ruhetonus aber hat Stretching kaum einen Einfluss.
7. Psychische Entspannung
Uns allen ist bekannt, dass ein enger Zusammenhang besteht zwischen körperlicher und seelischer Spannung. Und die meisten haben schon die Erfahrung gemacht, dass Dehnen der Muskulatur, v.a. das passiv-statische als ganzheitliche Relaxation erfahren wird. Wer es nicht kennt, sollte es unbedingt sofort ausprobieren.
Ein im November 1995 in der renommierten Zeitschrift für Physiotherapie erschienener Artikel, der den Sinn des Stretching in Frage stellt und gar schädliche Effekte geltend macht, verursachte in Sportler- und Betreuerkreisen eine grosse Verunsicherung. Frau Dr. Regula Gmünder, meine Mitarbeiterin in der Sportsprechstunde im Triemlispital, hat in der Folge Literatur zusammengetragen und zusammengefasst. Auf der Grundlage ihres an unserer Physiotherapie gehaltenen Referates und eigener Erfahrungen möchte ich Euch auf den neusten Stand bringen:
Vorweg meine persönliche Meinung: Stretching hat sich in den letzten 10 bis 15 Jahren, seit es in der Sportmedizin Eingang gefunden hat, zu einem optimalen Heilmittel bei Muskel- und Sehnenproblemen entwickelt und hat sich in der Prophylaxe von Verletzungen (und sei es "nur" Muskelkater) etabliert. Wer heute das Stretching verteufeln will, macht einen gefährlichen Schritt rückwärts und ist alles andere als innovativ.
Die neuere Muskelforschung hat jedoch zu einigen Modifikationen geführt. Zuerst etwas Physiologie:
Beim Vorgang der Kontraktion schieben sich Aktin- und Myosinfilamente ineinander und bilden Verbindungen, die sich unter Energieverbrauch wieder lösen. Leistet ein Muskel repetitiv Arbeit, ermüdet er und zwar umso rascher, je grösser die Belastung und je schneller die Bewegung ist.
Am isolierten Muskel konnte gezeigt werden, dass es eine optimale Muskellänge gibt, mit der dieser Muskel maximale isometrische Arbeit leisten kann. Am lebenden Organismus wird diese optimale Muskellänge geschützt durch Reflexe. Das physiologische Ausmass von Dehnung und Verkürzung beträgt ungefähr 10% der Ruhelänge.
Ziele des Dehnens
l. Vorbereitung des Muskels auf eine nachfolgende Arbeit
Hier spielt die optimale Muskellänge eine Rolle. Nur ist es sehr schwierig festzustellen, ob ein bestimmter Muskel die optimale Länge hat. Falls er sie hat und zusätzlich gedehnt wird, schafft man damit eine ungünstige Ausgangsposition. Klar ist die Situation dagegen, wenn ein verkürzter Antagonist die Arbeit des Agonisten behindert. Seine Dehnung ist sicher sinnvoll. Auch soll es durch Immobilität zu leichten Verklebungen zwischen den Geweben kommen, die durch Dehnen gelöst werden, auch das ist sinnvoll. Möglicherweise wird durch eine geeignete Dehntechnik (intermittierendes Stretching) die Durchblutung gefördert. Als Vorbereitung auf eine nachfolgende körperliche Belastung aber gilt sicher: mit Mass.
2. Verbesserung der Beweglichkeit
Die Beweglichkeit eines Gelenkes ist abhängig von der knöchernen und knorpeligen Gelenkkonfiguration, vom Kapsel-Band-System und von der Dehnbarkeit der Muskulatur. Dehnen kann nur dann zur Verbesserung der Beweglichkeit eingesetzt werden, wenn sie durch verkürzte Muskulatur eingeschränkt ist und niemals, wenn arthrotische Randwülste den "Anschlag" bilden. Je nach Anspruch im alltäglichen und sportlichen Leben werden unterschiedliche Anforderungen an die Beweglichkeit gestellt. Die Muskulatur muss optimal gedehnt sein, nicht unbedingt maximal. Wir sind nicht alle Ballettänzer.
3. Prophylaxe oder Therapie von Muskelverkürzungen
Die Muskulatur adaptiert sich an gewohnheitsmässig vorherrschende Längenbeanspruchung. Nach einer Muskelarbeit-entsteht eine Verkürzung der kontraktilen Elemente. Falls nicht überlastet wird, ist diese Verkürzung reversibel. Sowohl im Sport als auch im Alltag wird jedoch oft (nicht immer bemerkt) überbelastet und damit kommt es zur bleibenden Verkürzung. Mit geeigneten Methoden soll versucht werden, die funktionelle oder strukturelle Muskelverkürzung gar nicht erst zustandekommen zu lassen oder wieder zu korrigieren.
4. Verletzungsprophylaxe
Die Verkürzung eines Muskels führt zur muskulären Dysbalance. Folglich wird das Gelenk in einer Stellung gehalten, in der Kräfte auftreten, die zu Verschleisserscheinungen führen. Stretching korrigiert die muskuläre Dysbalance (in Kombination mit Kräftigung je nach Anforderung). Eine reaktionsfähige, kräftige Muskulatur ist weder selbst verkürzt, noch wird sie von einem verkürzten Antagonisten behindert. Sie kann so reagieren, dass akute Verletzungen wie Sehnen- oder Muskelrisse verhindert werden. Persönlich habe ich auch gute Erfahrungen gemacht mit Stretching bei Muskelverletzungen. Die Närbchen resp. Narben richten sich besser nach dem Verlauf der Fasern aus und stören später das Kontraktionsmuster weniger. Auch bei Sehnenverletzungen vermindert sich der Zug auf die Sehne bei gut entspannter Muskulatur, sodass eine Heilung geschehen kann. Vorsicht ist aber angezeigt: Ueberdehnen und übermässige Verlängerung von Muskeln ist zu vermeiden. Durch das gleichzeitige Ueberdehnen von Bändern und Kapsel wird die Verletzungsanfälligkeit erhöht. Diese Gefahr besteht aber fast nur bei Akrobaten, bei Läufern habe ich bisher nur das Gegenteil, also verkürzte Muskeln gesehen.
5. Verbesserung der Muskelregeneration
Nach harter Arbeit ist der Muskel verkürzt siehe 3). Intensives Dehnen kann zur Zerreissung von Sarkomeren führen. Sanftes Dehnen, evtl. nach einer Pause jedoch verbessert die Durchblutung, die Kontraktion löst sich rascher, die Muskeln können sich völlig entspannen.
6. Reduzierung des Muskeltonus
Der Muskeltonus ist sehr schwierig objektiv zu messen. Ebenso ist es umstritten, ob der Tonus, der von sehr vielen Faktoren abhängig ist, durch Dehnung verändert werden kann. Kurzfristig, also nach einer Belastung ist dies anzunehmen, auf den Ruhetonus aber hat Stretching kaum einen Einfluss.
7. Psychische Entspannung
Uns allen ist bekannt, dass ein enger Zusammenhang besteht zwischen körperlicher und seelischer Spannung. Und die meisten haben schon die Erfahrung gemacht, dass Dehnen der Muskulatur, v.a. das passiv-statische als ganzheitliche Relaxation erfahren wird. Wer es nicht kennt, sollte es unbedingt sofort ausprobieren.