Zur Nutrigenomik/Nutrigenetik: Dieser Wissenschaftszweig ist keine Esoterik! Er basiert vielmehr auf den Grundlagen des anerkannten Wissensschatzes und ist auf dem Wege eben diesen zu erweitern (genau das ist das Ziel von Wissenschaft). Dass in diesem Bereich noch viel Forschungsbedarf besteht, hat hier niemand bestritten!
Zu Deiner Seite und dem Thema GI:
Die Zusammenstellung auf Deiner Seite beinhaltet gute und weniger gute Artikel. Deine eigene Argumentation weist dabei einige Schwächen auf, welche offensichtlich werden, wenn man sich die entsprechende Fachliteratur zum GI durchliest. Im Übrigen widerspricht der GI-Ansatz, so wie er von Brand-Miller, Jenkins oder Ludwig vertreten wird, in keiner Weise irgendwelchen physiologischen Grundlagen! Das theoretische Fundament an sich ist prinzipiell durchaus tragfähig. Ausgehend davon ist es einfach grotesk, diesen Leuten Inkompetenz vorzuwerfen. Und ich finde es schon ziemlich peinlich, dass Du bei Deiner Argumentation immer wieder auf diese Unterstellung zurückgreifen musst (die Unterstellung von Inkompetenz scheint bei Dir ein Standardargument zu sein, wenn Dir nichts zum Thema einfällt). Jemand mit schlechterer Erziehung als meiner, würde das vielleicht sogar dumm-dreist nennen.
Die Argumentationen von Montignac sind mir tatsächlich nicht geläufig (auch wenn ich vor Jahren mal eines seiner Bücher in der Hand hatte). Montignac ist für mich aber auch nicht das Maß der Dinge wenn es um die Beurteilung des GI geht. Wenn man die Artikel der Pro-GI-Seite (z.B. Ludwig, Brand-Miller) kennt, ist mir z.B. auch unklar, wie Du zu dem Ergebnis kommst, man müsse, wenn man sich nach dem GI richtet, quasi höllisch aufpassen nicht zu viel Fett zu essen. Die GI-Befürworter plädieren m.E. keineswegs zwangsläufig für eine übermäßig fettreiche und/oder kohlehydratarme Ernährung. Ich habe z.B. bei Brand-Miller oder Willett noch nie gelesen, dass sie sich für eine streng kohlehydratarme und/oder fettreiche Ernährung aussprechen würden. Wenn man sich z.B. Brand-Millers Artikel "Glycemic index and obesity" (Am. J. Clin. Nutr. 2002) durchließt, muss man schon eine sehr verzerrte Wahrnehmung haben, um unterstellen zu können, die Autorin würde auf der "Low-Carb-Welle" schwimmen.
Im abstract ihres Artikels "Glycemic Load and Chronic Disease" (Nutr Rev. 2003) heißt es zudem:
Diets with a high glycemic load may affect health differently in insulin-resistant and insulin-sensitive individuals. Improvements in postprandial hyperglycemia can be brought about by manipulating either the type (i.e., GI) or amount of dietary carbohydrate, or both; at present, the GI appears to be more effective.
Und auch an anderer Stelle (Am J Clin Nutr. 2004 Aug;80(2):243-4.) heißt es, dass die Manipulation der Qualität der Kohlehydrate wahrscheinlich sinnvoller ist als die Reduktion der Quantität.
Dein eigener Artikel auf Deiner Homepage, sowie Deine Äußerungen hier im Forum suggerieren fälschlicherweise, dass der GI von vornherein unwissenschaftlicher Unsinn wäre bzw. lediglich von Leuten vertreten werde, die von ihrem eigenen Fachgebiet nichts verstünden und diese Unterstellung ist einfach infam!
Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin mit Sicherheit niemand, der in fanatischer Weise alles kritiklos hinnimmt, was dieser oder jener GI-Theoretiker von sich gibt. Ich bin lediglich ein interessierter Laie, der mit großem Interesse den wissenschaftlichen Diskurs zu diesem Thema verfolgt. In Anbetracht dessen ist mir auch klar, dass dieses Thema bisweilen höchst umstritten ist (was ja gerade im Sektor der Ernährungswissenschaft nun nicht gerade ungewöhnlich ist). Es ist dabei vollkommen klar, dass sich die Thesen der GI-Leute an der Empirie messen lassen müssen (dies muss schließlich jede Theorie). In diesem Zusammenhang bin ich z.B. auch der Meinung, dass die Stellungnahme der DGE durchaus Beachtung finden sollte, wenngleich man in einigen Dingen die dort angesprochen werden eben auch zu einem anderen Fazit kommen, mithin einen anderen Standpunkt einnehmen kann.
Nur mal zwei, drei Beispiele: Für mich ist nicht so ganz nachzuvollziehen, dass die DGE praktisch nur im Ballaststoffgehalt der Nahrung einen Diabetesrisikofaktor erkennen will. Zumindest in der Nurses Health Study zeigte sich der GI bzw. GL meines Wissens als unabhängiger(!) Diabetesrisikofaktor, wenngleich der Zusammenhang z.B. bei den Männern der Health Professional's Follow-up Study schon nicht mehr diese Deutlichkeit aufwies (zusammenfassend bei Willett, Manson, Liu: Am J Clin Nutr 2002;76[suppl]:274-280.) Auf letzteres Phänomen weißt aber nicht zuletzt auch Brand-Miller hin.
Die groß angelegte Untersuchung von Schulze et al. (Am J Clin Nutr. 2004 Aug;80(2):348-56) deutet ebenfalls darauf hin, dass der GI durchaus beachtenswert ist, wenn es um Diabetesprävention geht.
Die Frage nach den Bedingungsfaktoren des Diabetes auf der Ebene der Ernährung sind damit noch Lange nicht vom Tisch. Das einzige was wir mit sehr großer Sicherheit sagen können, ist, dass Übergewicht das Risiko erhöht. Dies schließt aber nicht aus, dass auch die Qualität der Ernährung (z.B. GI/GL, oder die Art der Fette) einen gewissen Einfluss hat bzw. haben könnte.
Die DGE meint, es wäre ungeachtet fehlender Evidenz der Vorteile des GI für die Bevölkerung praktisch unmöglich das GI-Konzept in die Praxis umzusetzen. Dem kann entgegengehalten werden, dass bereits eine Bevorzugung von Vollkornprodukten sowie Obst und Gemüse automatisch den GI der Ernährung modifiziert. So schreibt auch Ludwig (JAMA, 2002):
...whereas the concept of glycemic index may be complex from a food science perspective, its public health application can be simple: increase consumption of fruits, vegetables, and legumes, choose grain products processed according to traditional rather than modern methods (eg, pasta, stone-ground breads, old-fashioned oatmeal), and limit intake of potatoes and concentrated sugar. Indeed, these recommendations would tend to promote diets high in fiber, micronutrients, and antioxidants and low in energy density.
Und im Prinzip findet sich diese Aussage bei der Stellungnahme der DGE fast bruchlos wieder. Wobei Brand-Miller darauf hinweist, dass eine einseitige Ausrichtung auf Vollkornprodukte den GI nicht in ausreichendem Maße manipulieren würde (vor allem im Hinblick auf jene, die bereits unter einer Stoffwechselstörung leiden, scheint Brand-Miller auch eine Reduktion des GL über KH-Reduktion im Auge zu haben).
Bei anderen Dingen handelt es sich bei der DGE-Stellungnahme ja nicht grundsätzlich um eine Kritik. Z.B. werden die GI beeinflussenden Faktoren von der Pro-GI-Seite ja nicht verschwiegen, ebenso wenig wird verschwiegen, dass es inter- und intraindividuelle Schwankungen der Blutzuckerreaktion gibt. Diese Einwände sind aber nur bedingt geeignet, um den GI von Grund auf zu verwerfen. Z.B. zeigen die Studien, welche auf die Variabilität des GI verweisen, im Fazit eher eine Validierung des GI-Konzeptes (Bsp.: J Nutr. 2003 Sep;133(9):2728-32.) Übrigens ist besagte Studie eben von Brand-Miller durchgeführt wurden und nicht von irgendwelchen Kritikern. Ohne Leute wie Brand-Miller würden wir heute gar nicht über den gegenwärtigen Erfahrungsschatz zum GI verfügen! Ebenso gibt es eine Reihe von "Real-Life-Studien", die das GI-Konzept in vielfältiger Hinsicht stützen.
Die DGE suggeriert im Gegensatz zu Dir auch nicht, dass der GI von Grund auf Blödsinn sei, sondern sie sagt - und das ist ja vollkommen richtig - dass die Relevanz des GI zur Prävention von ernährungsbedingten Erkrankungen gegenwärtig nicht ausreichend geklärt ist. Dabei vielleicht ebenfalls interessant: Selbst die FAO/WHO sieht im GI-Konzept einen viel versprechenden Ansatz.