Schahier schwitzt. Um ihn herum stehen 30 Frauen, die mit der Hüfte wackeln und enge Jogginghosen tragen. Er ist der einzige Mann im Raum. Doch Schahier El-Garrahi beachtet die Frauen nicht. Er konzentriert sich auf den Rhythmus und auf seine Bewegung. Auf Zumba. Der einzige, der Schahiers Aufmerksamkeit erlangt, ist Thomas Frohn. Er ist der Zumba Instructor und Inhaber des Zumba-Tanz-Studios in Mainz. Frohn steht auf einem Podest und gibt die Bewegung vor. Sidesteps, gepaart mit einem Schulterwackler, der für jeden mitteleuropäischen Bewegungsapparat eine maximale Herausforderung darstellt. Nicht für den fünfzigjährigen Schahier El-Garrahi. Seit einem Jahr macht der Deutsch-Ägypter viermal die Woche Zumba. Als Ingenieur bei einem Automobilzulieferer suchte er einen Ausgleich zum vielen Sitzen. Früher hat er Aerobic-Kurse besucht, aber das hat ihn nicht dauerhaft interessiert. Als er während einer Reise nach Venezuela sah, wie die Menschen Salsa auf der Straße tanzen, wollte er unbedingt lernen, wie das geht. Doch für Salsa braucht man auch einen Tanzpartner, für Zumba nicht. „Musik und Bewegungen sind ähnlich, also probiere ich das mal“, dachte sich Schahier. Er ist dabei geblieben und kann sich gar nicht mehr vorstellen, wie sein Leben ohne Zumba aussähe. „ Wenn du Zumba machst, kannst du an nichts anderes mehr denken, weil du dich auf den Rhythmus und die Bewegung konzentrieren musst. Es ist irre, Zumba ist wie eine Sucht“.
Dass er meistens der einzige Mann im Kurs ist, stört ihn inzwischen nicht mehr. Anfangs stellte er sich noch so hin, dass er sich nicht im Spiegel sehen musste. Jetzt steht Schahier in der ersten Reihe. Direkt vor dem Spiegel.
Wie fast alle Fitness-Trends kommt auch Zumba aus Amerika. Allerdings nicht aus den USA, sondern aus Kolumbien. Der Aerobic-Trainer Alberto „Beto“ Perez vergaß in den Neunziger Jahren einmal, seine Aerobic-Musik zum Kurs mitzubringen. Damit der Kurs nicht ausfiel, musste Perez improvisieren und das auflegen was er privat am liebsten hörte: Salsa, Merengue, Cumbia. Der Kurs wurde ein Riesenerfolg. Inzwischen wird Zumba in 125 Ländern angeboten. Zwölf Millionen Menschen schwitzen und tanzen weltweit wöchentlich zu Latino-Rhythmen.
Zumba basiert auf den Grundschritten von Salsa, Merengue, Cumbia und anderen lateinamerikanischen Tänzen. Neben Salsa-Musik haben auch moderne Stile wie Hip-Hop und Reggaeton ihren Platz. Hauptsache Musik, die in die Beine geht. Dazu kommen klassische Aerobic-Bewegungen für Arme und Schultern: Klatschen, Arme überkreuzen und natürlich Schlagbewegungen. Unten Salsa, oben Aerobic.
„ Bei Zumba geht’s darum Spaß zu haben und gleichzeitig fit zu werden. Es werden keine Tanzschritte erklärt wie bei einem Tanzkurs, sondern jeder soll mitmachen und auf die Füße und Hände des Instructors gucken und versuchen, die Choreographie nachzumachen“ sagt Thomas Frohn. Der 44-jährige sieht nicht so aus wie einer, der Salsa im Blut hat. Er trägt eine randlose Brille, schwarze Cappy und kleinen Bauchansatz. 44 Jahre sind für einen Zumba-Instructor ein fast schon biblisches Alter, die meisten sind zwischen 20 und Mitte 20. Dafür hat Frohn Erfahrung. Anders als viele andere Zumba-Instruktoren legt der Salsa-Tanzlehrer Thomas Frohn beim Zumba besonderen Wert darauf, viele Tanz-Schritte einzubauen.
Und er heizt richtig ein. Er steht auf einem Podest, damit ihn alle sehen können. Zu einer Merengue-Version von „Don´t worry be happy“ lässt Frohn die Gruppe zum Salsa-Grundschritt mit den Armen nach Äpfeln greifen. Nach und nach werden Pirouetten eingebaut. Die Rhythmen werden schneller, die Bewegungen auch. Die Spiegel an den Wänden beschlagen, die Klimaanlage muss angestellt werden. Schweißflecken breiten sich aus. Einzig Thomas Frohn wirkt frisch und trocken. Wie ein DJ fährt Thomas Frohn die Stimmung mit langsamer Musik wieder herunter. Was wie eine improvisierte Choreographie anmutet, ist in Wahrheit ein vorgegebener Ablauf, wie auch die Geschäftsstrategie alles andere ist als improvisiert.
Denn auch das ist Zumba: Ein riesiges Geschäft mit klarer Markenstrategie. Sowohl die Musik, die Zusammenstellung der Musik als auch die Kleidung der Instruktoren werden vorgegeben von der Zumba-Zentrale in Florida. Als Perez 1999 mit seiner Idee, Aerobic und lateinamerikanische Musik zu verbinden, nach Amerika kam, wurde aus der Idee ein Geschäft. Zusammen mit den Geschäftsmännern Alberto Perlman und Alberto Aghion ließ Perez den Namen Zumba als Marke schützen. Was mit dem Verkauf von DVD´s anfing ist mittlerweile ein globales Geschäft. Inzwischen gibt es sogar schon ein Zumba-Videospiel und eine eigene Modelinie. Zumba funktioniert ähnlich wie Starbucks nach dem Franchise-Prinzip. Genau wie bei Starbucks der „Espresso Frappuccino“ weltweit gleich schmeckt, soll ein Zumba-Kurs in Bogotá (Kolumbien) ablaufen wie ein Zumba-Kurs in Bottrop (NRW). Natürlich gibt es nicht nur ein Zumba Programm. Von Zumba Gold, für Menschen über 50, bis Zumba Tomic, ein Zumba Programm für Kinder, ist alles dabei. Und doch gibt es Qualitätsunterschiede. Thomas Frohn bemängelt, dass viele angehende Instruktoren zu schnell durch die zweitägige Zumba-Ausbildung geschleust werden. Ohne Tanzvorerfahrung Zumba vermitteln? Schwierig, findet Frohn.
Auch Schahier hat schon verschiedene Zumba-Kurse besucht, in Mainz gefällt es ihm am besten. Er sitzt auf dem Vortänzer-Podest und lächelt. Erschöpft aber glücklich. Sein gelbes Hemd ist nach einer Stunde völlig durchgeschwitzt. „Die meisten glauben, das ist Larifari. Ich hab jetzt zwei Liter ausgeschwitzt, in einem Jahr habe ich 18 Kilo abgenommen. Nicht, weil ich abnehmen wollte. Das hat sich so eingestellt“.
Das ist wohl das Geheimnis von Zumba. Es bringt die Menschen dazu, sich zu bewegen, ohne dass sie merken wie anstrengend es ist.
photo by Messe Duesseldorf
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