Im heutigen fitness.com-Stammtisch soll es um ein heiß diskutiertes Thema gehen: Wie kann ich nach anfänglichen Resultaten weiter auf Erfolgskurs bleiben? -
Doch wer ist eigentlich sportlich gesehen noch "Fitness-Anfänger"?
Wenn man sich im örtlichen Fitness-Studio einmal umschaut, wird man feststellen, dass es nicht wenige Typen gibt, die seit Jahren trainieren - aber weder Fortschritte machen, noch sich in irgendeiner anderen Art und Weise verändert haben.
Demzufolge ist das erste Kriterium:
Es müssen erste Veränderungen hinsichtlich körperlicher und geistiger Entwicklung stattgefunden haben. Man muss mittlerweile mit seinen eigenen willentlichen und kräftemäßigen Grenzen vertraut sein.
Dazu kommt eine gewisse Regelmäßigkeit und Dauer des Fitnesstrainings.
Selbst wenn man nicht in klaren Zeitabständen bemessen kann, ab wann man das Anfänger-Stadium hinter sich gelassen hat, ist eine gewisse Dauer vonnöten, in der man das Erfahrungsspektrum erweitern kann. Wie bei jedem anderen Hobby bzw. im Beruf und Beziehungen ist dies nur über die Investition von Zeit, Hingabe und Regelmäßigkeit zu erreichen.
Zusammengefasst ist man also kein Anfänger mehr, wenn man innerhalb einer größeren Zeitspanne positive Veränderungen hinsichtlich Geist und Körper gemacht hat. Die Erfahrungen zeigen, dass ein ambitionierter Fitness-Sportler diesen Zustand nach etwa 1 - 3 Jahren mehrmals wöchentlichen Trainings erreicht (je nach Vorbildung und Talent).
Wichtige Anmerkung:
Körperliche Entwicklung allein reicht nicht aus. Ein 20jähriger, der sich innerhalb von 2 Monaten aus Ungeduld und Dummheit mit Hormonen Muskulatur erkauft, hat zwar eine Veränderung, aber keine Entwicklung durchgemacht.
Doch nun zu unseren heutigen Gästen: Begrüßen möchte ich einerseits Felix, 24, sehr talentierter und hingebungsvoller Natural-Bodybuilder, seit etwa 4 Jahren am Eisen und andererseits Christopher, 26, seit anderthalb Jahren Trainer in einem Fitness-Studio, in dem er auch mit dem Training angefangen hat.
fitness.com:
Herzlich willkommen in den heiligen Hallen des elbefit in Magdeburg - vielen Dank, dass ihr euch den Fragen von fitness.com stellt und die Leser an euren Erfahrungen teilhaben lasst!
Ihr beide seid keine Anfänger mehr - Christopher, beschreibe doch mal deinen sportlichen Werdegang!
Christopher:
Aufgewachsen bin ich eigentlich in einer traditionsreichen Handballer-Familie. Schon von Kindesbeinen an sammelte ich viel Bewegungserfahrung - und unser Trainer legte damals auch schon viel Wert auf Kraftübungen. Eigentlich war ich mit 16 damals schon breiter als es heute nach anderthalbjährigem Krafttraining der Fall ist (lacht). Ich hab auch ein Sportstudium angefangen, dieses allerdings abgebrochen. Diese theoretischen und handballerischen Grundlagen haben mir den Einstieg in den Fitness-Sport natürlich leicht gemacht.
Vorbildung durch Vereinssport
fitness.com:
Also ein klassischer Fall von Vorbildung durch Vereinssport. Felix, bei dir war es umgekehrt - du verbrachtest früher deine Zeit mit Computerspielen und einem sehr ungesunden Lebensstil, etwa bis du 20 warst ...
Vom absoluten Sportmuffel zum Bodybuilding
Felix:
Naja, als Informatiker tue ich das irgendwie ja immer noch. Fakt ist aber: Ich kam tatsächlich als absoluter Sportmuffel zum Bodybuilding. Ich liebe mittlerweile die Herausforderung, dem Körper mit Hilfe von Training, Geist und Ernährung Reaktionen zu entlocken. Klingt zwar komisch, aber ich mache das nicht aus optischen Gründen.
fitness.com:
Ist ja vielleicht auch ein Erfolgsgeheimnis? Du trainierst dadurch ja ohne Ungeduld und zu hohe Ansprüche/ Erwartungen. Deine körperliche Entwicklung ist ja absolut beeindruckend - noch 6-8 Prozent weniger Körperfett und du könntest Wettkämpfe bestreiten!
Felix:
Ich werde nie an Wettkämpfen teilnehmen. Spaß ist einer der wichtigsten Faktoren im Training, weiterhin Effektivität.
fitness.com:
Siehst du dich selbst als Fortgeschrittenen?
Sehr diszipliniert bei der Sache
Felix:
Ja. Ich bin 4 Jahre dabei und sehr diszipliniert bei der Sache. So diszipliniert, wie die wenigsten, vor allem in puncto Ernährung. Das Training und die Leistung machen ja Spaß - aber sich gesundes Essen aufwändig zu kochen und alles Mögliche vorzubereiten für die Arbeit ist anstrengend. Weil ich mich täglich dazu überwinde, bin ich besser als viele andere.
Christopher:
Da bin ich das genaue Gegenteil: Essen, was gerade schnell geht, Alkohol nicht zu knapp und kochen tu ich auch nicht.
Manchmal koche ich, Alkohol ja - aber nicht im Vollrausch enden, täglich Gemüse, aber auch Süßigkeiten.
fitness.com:
Trotzdem hast du einen guten Körper und respektable Leistung. Für mich ein Argument, dass intensives Training wesentlich wichtiger ist, als akkurate Ernährung. Ich selbst betreibe da eine ausgewogene Mischung: Manchmal koche ich, Alkohol ja - aber nicht im Vollrausch enden, täglich Gemüse, aber auch Süßigkeiten.
Felix:
Kann man so stehenlassen. Aber ich bin eben Perfektionist und muss auch die Ernährung unter Kontrolle haben.
fitness.com:
Christopher, beschreibe mal bitte, wie der Kraftsport dich charakterlich verändert hat!
Christopher:
Da mache ich mir keinen Kopf drüber.
Durchhaltevermögen, Schmerzüberwindung, Koordination, etc., werden durch den Sport verstärkt.
Felix:
Positive Eigenschaften, die man vorher schon hatte, Durchhaltevermögen, Schmerzüberwindung, Koordination, etc., werden durch den Sport verstärkt. Ich glaub aber nicht, dass Bodybuilding aus einem durchsetzungsschwachen Menschen einen durchsetzungsfähigen macht. Es ist lediglich die Initialzündung für vorhandene Anlagen.
fitness.com:
Ich glaube, dass durch neue Motivationen auch negative Charakterzüge in positive gewandelt werden können. Ich habe aber jetzt kein plakatives Beispiel dafür.
Lasst uns nun über den trainingstechnischen Übergang vom Anfänger- ins Fortgeschrittenen-Stadium sprechen.
Man traut sich, mal über die eigenen Grenzen hinwegzugehen, weil man keine Angst mehr vor den neuen Fitness Übungen hat und deren Technik kennt.
Felix:
Also z.B. braucht man keine vorgeschriebenen Trainingspläne mehr - man weiß, was für einen funktioniert und kann sein Training selbst aufbauen. Bzw. sucht man vorgefertigte Trainingspläne heraus, die auf einen selbst passen.
Christopher:
Man traut sich, mal über die eigenen Grenzen hinwegzugehen, weil man keine Angst mehr vor den neuen Übungen hat und deren Technik kennt. Man geht als weg davon, vornehmlich Technik zu erlernen und geht mehr dazu über, wirklich stärker zu werden. Die Verletzungsgefahr sinkt, weil man weniger technische Fehler macht - aber andererseits steigt sie durch höhere Trainingslasten.
Felix:
Man lässt sich weniger ablenken, weil das Training ernster genommen wird. Das Studio ist keine Spielwiese mehr, sondern ein ernster Ort für Entwicklung. Nach dem Training kann man ja immernoch quatschen.
fitness.com:
Weil du es ansprichst: Fortschritte stellen sich ab jetzt auch viel langsamer ein und sind schwerer zu erreichen. Wer einen gewissen Leistungsstand hat, muss den erstmal erhalten und danach fangen die Schwierigkeiten ja erst an. Danach muss eben noch der Wachstumsreiz gesetzt werden. Und das wird exponentiell schwieriger.
Felix:
Tolle Aussichten (lacht). Jetzt ist meine Motivation weg.
Christopher:
Das alles zusammengefasst führt ja dazu, dass man sein Training umstellen muss: Man kann nicht mehr so viel, dafür intensiver trainieren. Früher habe ich Ganzkörper-Trainingspläne 3x die Woche gemacht, jetzt pro Training nur 1 - 2 Muskelgruppen.
Immer am Limit geht nicht mehr!
fitness.com:
Stimmt. Man kann sich einfach nicht mehr von zu intensiven Einheiten erholen, wenn sie zu oft kommen. Also sollte man bewusst Trainingspausen von mehr als einer Woche, oder absichtlich leichte Trainings einbauen. Immer am Limit geht nicht mehr!
Felix:
Fällt schwer, aber es ist schon richtig. Bei mir reichen noch kurze Pausen, aber ich glaube, viele trainieren zu hart/ zu viel/ zu oft und essen dabei viel zu wenig.
fitness.com:
Okay, dann halten wir fest: Fortgeschrittene haben einen Grad an Intensität erreicht, der regelmäßige Trainingspausen erfordert. Ein Trainingsplan, der 2-4mal die Woche jeweils 1-2 Muskelgruppen beinhaltet, hilft, Übertraining zu vermeiden. Ernährung wird zu oft überbewertet und ist größtenteils nicht für Misserfolg verantwortlich, wenn das Training stimmt.
Damit verabschiede ich mich von meinen Gästen - vielen Dank und schönen Feierabend euch.
Da diesen Worten eigentlich nichts mehr hinzuzufügen ist, möchte ich mich an dieser Stelle auch verabschieden und wünsche weiterhin viel Erfolg auf dem Weg zum guten Fortgeschrittenen
Patrick Raabe