Waden-Training! - Interessante Erkenntnisse über die "störrische" Muskelgruppe -

Waden-Training! - Interessante Erkenntnisse über die "störrische" Muskelgruppe -

Blick aus dem Hotel Ritzenhof in Saalfelden

Herzlich Willkommen zu unserem heutigen fitness.com - Stammtisch, der sich um eine Muskelgruppe drehen soll, die von vielen Kraft- und Fitness-Sportlern vernachlässigt wird: Die Waden. Bei den Waden handelt es sich um eine ganz besondere Angelegenheit, da sie zum einen tagtäglich durch Gehen und Tragen des Körpergewichtes ohnehin stark belastet sind, andererseits wohl kein anderer Muskel in seiner Gestalt derartig von den genetischen Voraussetzungen beeinflusst ist.



Wadentraining - bisher erfolglos?



Wer sich also bisher erfolglos seinen Waden im Training gewidmet hat, bzw. noch keine Notwendigkeit darin gesehen hat, erfährt hier nun Wissenswertes und Praktikables für seine sportliche Zukunft.



Meine Interview-Partner bestehen aus Denny (33, Studioleiter), Ingo (49, noch mit den DDR-Trainingsmethoden vertraut) und Jasmin (23, Sportstudentin und ambitionierte Triathletin).



Waden gezielt trainieren



fitness.com: Hallo zusammen, vielen Dank, dass ihr für die mittlerweile 4. Folge des fitness.com - Stammtisches eure wertvolle Zeit opfert! Es soll heute um das Thema Waden und das Training dieser Muskelgruppe gehen. Denny, du als Trainer vieler Athleten hast sicher einige Assoziationen mit diesem Thema ...



Denny: Es gibt nicht viele, die ihre Waden gezielt trainieren. Hier und da ist mal jemand, der einmal pro Woche einen Satz an der Waden-Maschine macht - aber das bringt eher nix. Wenn man die Leute mal darauf anspricht, sagen sie meist: "Waden trainiere ich schon durch Fußball", oder: "Waden sieht man doch meistens eh nicht nach außen." Diese Typen trainieren eigentlich auch kaum ihre Beine, obwohl mittlerweile auch da ein Umdenken stattfindet.



Ingo: Als ich in den 80ern mit Training anfing, wäre das undenkbar gewesen! Die Übungen, in denen die Beine involviert waren, wurden für Kraftaufbau bis zum Erbrechen trainiert, teilweise mit mehreren Maximal-Versuchen in einem Training. Wer das durchgehalten und verinnerlicht hat, hat zwangsläufig Kraft und Muskulatur aufgebaut, jeder noch so dünne Kerl. Besonders aber die Frauen, die ich damals kannte, wurden echt stark und würde viele von den heutigen Möchtegern-Pumpern in den Sack stecken.



Wadentraining im Fitnessstudio



fitness.com: Mal zurück zum Waden-Training: Jasmin, hast du dir jemals ernsthaft Gedanken darüber gemacht, dass das Training deiner Waden im Fitness-Studio dich auf dem Rad oder beim Laufen besser machen könnte?



Jasmin: Ich denke über alles nach! (lacht) Aber ehrlich gesagt, habe ich noch nie wirklich Waden trainiert. Wie Denny es schon beschrieben hat - ich dachte immer, durch Radfahren sind sie genug belastet.



Das Wadentraining und der Vordehungsreflex



Denny: Die Waden vertragen irre Trainingsumfänge, da sie unglaublich ausdauernd und stark sind. Allerdings verfügen sie auch über einen starken Vordehnungsreflex. Oberflächlich erklärt bedeutet das, dass sie bei Dehnung durch Sehnen wie eine Art Stahlfeder gespannt werden können und bei der Kontraktion gespeicherte Kraft freilassen. Sie arbeiten also nicht wirklich durch gezielte Anspannung, sondern entfalten Kraft aus einer Art Reserve. Das ist kein Training und führt in dieser Weise nicht zu Kraft- und Umfangs-Verbesserung!



fitness.com: Du empfiehlst also für das Waden-Training, den Vordehnungsreflex zu minimieren/ auszuschalten, damit der Muskel tatsächlich arbeiten muss und sich nicht auf gespeicherte Kraft in den umliegenden Sehnen und Bändern verlassen kann?



Denny: Genau so!



Wadentraining - da gibt es einen Trick



Jasmin: Und wie soll das gehen?



Denny: Der Vordehnungsreflex entsteht wie gesagt durch Aufspannen einer sprichwörtlichen Feder. Also indem man den kontrahierten Muskel dehnt. Die einzigste Möglichkeit, das zu umgehen, ist, einen gedehnten Muskel unvorgespannt als Ausgangspunkt zu nehmen. Dafür braucht man eine Erhöhung, auf die man seinen Vorderfußknochen (also den Teil hinter den Zehen) stellen kann (Ferse ist dann tiefer, als die Zehen). Je nach Dehnbarkeit seiner Waden sollte die Erhöhung zwischen 5 - 10 cm sein. Egal, bei welcher Waden-Übung - der Anfangspunkt der Bewegung muss aus dieser Lage sein! Mit Hilfe der Waden-Muskulatur drückt man nun auf den Vorderfußknochen und bewegt das Bein nach oben, hält kurz die Spannung und geht zum Ausgangspunkt zurück. Ganz wichtig: nach einer Wiederholung wird die Ferse abgesetzt und komplett entspannt! Keine durchgängigen Wiederholungen, denn sie dehnen die Waden wieder vor!



fitness.com: Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man dadurch wesentlich weniger Gewicht bewältigen kann!



Denny: Stimmt einerseits, andererseits bist du keine Maßstab, weil du bereits genetisch veranlagte, massive Waden hast!



fitness.com: Ja tatsächlich, hatte selbst als untergewichtiger Radfahrer schon 40er Waden ...



Ingo: Siehste, da kommen die allermeisten selbst mit Training nicht hin. Guck dir doch mal die Waden von vielen an: die Muskelansätze sind viel zu weit oben, dass sie überhaupt die Chance hätten, da viel Fleisch draufzupacken. Es zählt eben nicht nur die Veranlagung zu Faserdichte und -dicke, sondern eben auch der Ansatzpunkt des Muskels und die Länge des Unterschenkels (Hebel beim alltäglichen Gehen).



Jasmin: Wenn es danach geht, zählt auch die Schmerzempfindlichkeit und das Durchhaltevermögen beim Training!



fitness.com: Stimmt auch wieder - weil die Waden besonders hohe Gewichte bei gleichzeitig sehr langer Spannungsdauer brauchen, spielt auch die Leidensfähigkeit eine größere Rolle als sonst!



Trainingsumfang fürs Wadentraining



Ingo: Seh ich auch so - Bauch und Waden sind da was Besonderes.



Denny: Wo du gerade den Trainingsumfang ansprichst: Wer ernsthaft seine Waden verbessern will, muss/darf diese Muskelgruppe öfter, härter und länger trainieren, als die anderen! Ich empfehle, 3 - 5 Mal pro Woche jeweils mindestens 50 Wiederholungen mit schwerem Gewicht!



Motivation fürs Wadentraining geht auch so:



Ingo: Nur so sind auch Arnolds (Schwarzenegger) Waden was geworden (lacht)



fitness.com: Ach du meinst die Geschichte, dass er sich seine Hosenbeine abgeschnitten hat, damit jeder seine Waden sehen kann, die er zu dünn befand?



Ingo: So hatte er Motivation, jeden Tag Waden zu trainieren. Man erzählt sich ja auch, dass sonntags sein Fitness-Studio geschlossen war und er deswegen durch ein Hinterfenster eingebrochen ist, nur um Waden zu trainieren (lacht)



Denny: Das ist die richtige Einstellung!



fitness.com: Naja, Geschichten sind eben Geschichten ... Waden-Training hingegen ist eine ganz reale Angelegenheit, womit ich dann auch zum Schluss des heutigen Stammtisches kommen möchte. Vielen Dank an euch drei!



Grob zusammengefasst bleibt also zum Thema zu sagen, dass die Waden aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für unseren Alltag öfter, härter und länger belastet werden müssen, wenn sie über ihr Niveau hinauswachsen sollen. Dabei ist es wichtig, den Vordehnungsreflex zu umgehen, indem man bei jeglicher Waden-Übung mit tiefergelegter Ferse im Ruhezustand beginnt und nach jeder Wiederholung absetzt, um die Spannung herauszunehmen.



Ich hoffe, mit diesem Interview konnten wieder ein paar Fragen geklärt und neue Anreize gegeben werden. Bis dahin alles Gute und weiterhin Spaß am Sport!



Patrick Raabe   



 

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