Der Internationale Pilates Gedenktag mit Convention in Mönchengladbach (6. bis 8. Mai 2011) wurde in diesem Jahr von einem besonderen Ereignis gekrönt: der Einweihung der Gedenktafel zugunsten des Ehrenbürgers Joseph Hubertus Pilates. Damit wurde einem lange verkannten Pionier Tribut gezollt, der mit einer einzigartigen Trainings-Methode die Welt revolutionierte/eroberte.
Das Leben von Joseph Pilates
Die Lebensgeschichte des Erfinders und Begründers der legendären Pilates-Methode beginnt 1883 in Mönchengladbach bei Düsseldorf. Als zweitältestes von 9 Kindern wuchs er in ärmlichen Verhältnissen auf. Doch der Sinn für die Gesunderhaltung von Körper und Geist wurde ihm in die Wiege gelegt. Denn sein Vater, von Beruf Schlossergeselle, war auch ein erfolgreicher Turner, seine Mutter eine Naturheilkundlerin.
In den Kinderjahren von zahlreichen Krankheiten und körperlichen Beschwerden geplagt – so litt er beispielsweise unter Asthma, Rachitis und rheumatischem Fieber – widmete er sein Lebenswerk der Suche nach einer effektiven Methode zur Stärkung und Gesunderhaltung von Körper und Geist. Neben den verschiedensten Sportarten, darunter Gymnastik, Bodybuilding, Boxen, Turnen, Ringen und Skifahren, entdeckte er auch fernöstliche Trainingsmethoden wie Yoga und Zen-Meditation für sich. Schrittweise entwickelte „Joe“, wie er von seinen späteren Anhängern liebevoll genannt wird, ein eigenes, ganzheitliches Bewegungskonzept.
Zeit der Auswanderung
Er wanderte 1912 nach England aus, wo er seinen Lebensunterhalt als Profi-Boxer verdiente. Zu Beginn des ersten Weltkriegs wurde er als Deutscher vorsichtshalber interniert. Während seiner Gefangenschaft begann Pilates, intensiv am Ausbau und der Optimierung seiner Trainingsmethode – von ihm selbst „Contrology“ genannt - und entsprechender Gerätschaften zu deren Ausübung zu arbeiten, u.a. auch, indem er seine Mitinsassen trainierte. Da in den kargen Gefängniszellen außer Betten keine weiteren Utensilien zur Verfügung standen, nahm er diese vermutlich als Basis für seine eigenen Geräte-Kreationen.
Das würde auch erklären, warum viele der über 20 Trainingsgeräte, die er im Laufe seines Lebens entwickelte, einen „bettähnlichen“ Charakter aufweisen. Ein interessanter Aspekt in dieser Hinsicht ist auch die Tatsache, dass all seine Mitgefangenen die verheerende Grippepandemie von 1918 überlebten. Was ihn wiederum in seiner Überzeugung von der positiven Wirkungsweise seiner Methode bestärkte.
Rückkehr von Joseph Pilates nach Deutschland
Nach einer kurzen Rückkehr nach Deutschland wanderte Pilates 1923 in die USA aus und eröffnete gemeinsam mit seiner späteren Ehefrau Clara, einer Krankenschwester, sein erstes Pilates-Trainings-Studio in New York City. Und, wie es der Zufall will, im gleichen Gebäude, in dem das "New York City Ballet" trainierte - und eine Vision nahm ihren Lauf. Schnell wurde er in der Ballettszene bekannt und hoch geschätzt. Auch immer mehr Hollywood-Stars, Schauspieler und Künstler zählten zu seinen Klienten und unterstützten die Verbreitung seiner Lehre. Darunter renommierte Sportler wie Max Schmeling, der bis Ende der 20er Jahre in seinem Studio trainierte, wohingegen die weit verbreitete Behauptung, dass Joseph Pilates als sein Trainer in die USA einreiste, nicht belegt ist.
Beharrlichkeit zahlt sich aus
Beharrlich setzte „Joe“ zusammen mit seiner Frau sein Lebenswerk fort, wobei es ihm vergönnt blieb, die Lorbeeren seines Schaffens zu ernten. Im Alter von 84 Jahren starb der gebürtige Mönchengladbacher 1967 in New York – mittellos und, von den New Yorker Künstlerkreisen abgesehen, relativ unbekannt, wobei er den Glauben an den internationalen Durchbruch seiner Lehre nie verlor. Nur, wie er selbst von sich sagte, war er „der Zeit um fünfzig Jahre voraus“. Und er sollte Recht behalten. Denn das einzigartige Ganzkörper-Training, das einst als Geheimtipp lediglich unter Starts und Celebrities galt, hat sich mittlerweile zum internationalen Top-Trend entwickelt und Kultstatus erreicht.
Die Original Pilates-Lehre
Eine erfreuliche und, von Joseph Pilates vorhergesehene, Entwicklung, die jedoch gleichzeitig ein grundlegendes Problem nach sich zog: die Qualitätssicherung bei der Unterrichtung der „Original“-Pilates-Lehre. Denn Joseph Pilates hinterließ kein Testament, das die Weiterführung seines Lebenswerks regelte. Dank des unermüdlichen Engagements seiner treuen Schüler, die eigene Pilates-Studios gründeten, war zumindest das Fortbestehen der Methode gesichert. Schwieriger gestaltet sich die Tatsache, dass jegliche Rechtsgrundlage hinsichtlich der Bezeichnung und Umsetzung der Trainingslehre fehlte.
Dies gab Anlass zu einem langen Rechtsstreit in den USA, indem der Begriff Pilates und die dazugehörige Lehre als Allgemeingut eingestuft und zur generellen Nutzung freigegeben wurden. Somit konnte fortan jeder Pilates-Anbieter von sich behaupten, nach der „richtigen“, originalen Pilates-Methode zu unterrichten ohne jegliche Standards bzw. Anforderungen erfüllen zu müssen. Inzwischen sind durch die Gründung von Pilates-Verbänden wie die Pilates Method Alliance (USA) oder der Deutsche Pilates Verband internationale Standards eingeführt worden, die eine gewisse Qualitätssicherung in der Pilates-Lehre gewährleisten. Ganz im Einklang mit den Prinzipien und Denkweisen des „Urvaters“.
Als Pionier verkannt, als Geschäftsmann zu früh für seine Zeit
– so das Schicksal des legendären Joseph Pilates. Mit der der Gedenktafel in seiner Geburtsstadt Mönchengladbach wurde ein lange verkannter Pionier gewürdigt, der bis dato nur in den Köpfen seiner Anhänger präsent war. Die Enthüllung des Kunstwerks bildete den Auftakt zum Pilates Gedenktag, einer jährlich stattfindenden Zusammenkunft der internationalen Pilates-Fangemeinde, um den Urvater des Pilates-Trainings zu ehren. Begleitet wurde der Gedenktag, wie in jedem Jahr, von einer Pilates-Convention mit einem umfangreichen Kursprogramm: von klassischem Pilates-Matwork über Studio- und Allegro-Training bis hin zu Physio- und Contemporary-Pilates für spezifische Zielgruppen; unterrichtet von den bekanntesten Pilates-Trainern der Welt, darunter Joseph Pilates Schülerin Lolita San Miguel.
Warum ist Pilates-Training so einzigartig?
Bleibt abschließend die Frage, was die Pilates-Methode so einzigartig macht bzw. was die Magie des Trainings ausmacht.Joseph Pilates selbst brachte es auf den Punkt: „Nach 10 Stunden spürt man den Unterschied. Nach 20 Stunden sieht man ihn. Und nach 30 Übungsstunden hat man einen vollkommen neuen Körper.“ Das Geheimnis der Methode ist ihr ganzheitlicher Ansatz. Kombiniert werden Atemtechnik, Kraftausdauer, Koordination und Stretching. Ausgehend von der Körpermitte, „Powerhouse“ genannt, bringen langsam und konzentriert ausgeführte Übungen den Körper wieder ins Lot. Dieser wird gestrafft und aufgerichtet. Relativ schnell ist die ganzheitlich positive Wirkung auf Körper und Geist zu spüren. Und zu sehen. Denn das Pilates-Training strafft die Figur und bringt den gesamten Körper in Form. Es fördert Beweglichkeit, Kraft, Ausdauer und innere Harmonie. Das Ergebnis: Ein völlig neues Körpergefühl, das nahezu jede/n begeistert – ganz gleich in welchem Alter.
Ein Grund von vielen, warum Pilates heute eine wichtige Facette des Fitness-Trainings und der Rehabilitation weltweit darstellt. Das Angebot reicht von einfachen Übungen auf einer Gymnastikmatte über Workouts mit kleineren Trainingshilfen bis hin zu komplexen Übungen an Pilates-Großgeräten wie den Reformern. 500 Bewegungsmuster sorgen zudem für viel Abwechslung beim Training und ständig neue Trainings-Impulse.
So ist die Faszination dieser einzigartigen Trainings-Lehre heute noch so aktuell und lebendig wie eh und je. Und die Chancen stehen günstig, dass sie auch in Zukunft die Menschen in ihren Bann ziehen wird.