Schulsport im Kongo

Schulsport im Kongo

Phil Taylor (Foto: British Darts Organisation): Einer der typischen Darts-Spieler der neuen Generation: der aktuelle BDO Lakeside World Chambion Mark Webster aus Wales achtet auf seine Fitness
Was machen wir nicht alle für einen austrainierten muskulösen Körper, einen knackigen Hintern oder einen Waschbrettbauch? Wir geben horrende Summen für Energieriegel, Diäten oder für Fitness Geräte und Fitness Kleidung aus - doch keiner unserer Fitness .com Redaktion ist so schlank und durchtrainiert wie unser Autor Bruno Ndongala. „Das liegt an meiner Schulzeit im Kongo“, sagt er lachend – und das ist Anlass genug uns von dieser „Fitness“ reichen Zeit in Afrika zu erzählen.



Ich erzähle jetzt, wie wir Afrikaner in unserer frühen Kindheit Sport getrieben haben. Ich bin 1968 im Kongo geboren, das damals noch Zaire hieß. In den 70er Jahre regierte noch der Präsident Mobutu und es war meine Kindheit, eine schöne Zeit. In der Schule hatten wir wie auch in den meisten reichen Ländern der ersten Welt, zweimal pro Woche Sportunterricht. Doch tatsächlich vollzog ich das umfangreichste Fitness Programm, was denkbar ist: Jeden Tag trieb ich Sport! Für uns Kinder gab es auch gar keinen anderen Zeitvertreib. Im Kongo der 70 er Jahren waren wir Kinder schon privilegiert, wenn wir überhaupt in die Schule gehen durften. Dort spielten wir – zu unserem Leid - kaum Fußball. Die zwei Stunden Schulsport füllten die Lehrer stets mit Turnen. Sie wussten, dass wir sowieso in jeder Pause gegen den Ball oder einen improvisierten Ballersatz treten würden. Jeden Tag spielten wir Fußball, stundenlang auf staubigen Plätzen. Wenn ich jetzt zurückdenke und mir die „neuen“ Fitness Methoden von Fußball Trainern wie Jürgen Klinsmann anschaue, stelle ich schmunzelnd fest: Meine kongolesischen Lehrer haben durch die permanenten Turnübungen einen Ausgleich zum einseitigen Fußball geschaffen, unsere Rumpf – und Rücken Muskulatur gestärkt. Natürlich ohne Gummibänder oder Power Bars. Das ist meiner Meinung nach ein Grund, weshalb auch heute noch viele junge Afrikaner, die in die erste Welt kommen, vor Fitness nur strotzen. Wie bei mir damals ist Sport, das einzige Freizeitvergnügen, das sie sich leisten können.



Doch zurück in meinen Kongo, zurück in die 70 Jahre. Das größte Ereignis waren die Fußball-Turniere zwischen den Schulen. Wir fieberten den Duellen nur so entgegen. Ganz anders, als die Wettbewerbe, die ich bei meinen Kindern in meiner neuen Heimat Deutschland beobachtet habe. Minuten vor den Spielen war ein knistern zu spüren. Die Mädchen – das war leider damals so – durften kein Fußball spielen. Sie feuerten uns an. Der Fußballplatz, auf dem die großen Spiele stattfanden waren weder Rasen oder Kunstrasen – wenn die Tore nicht dagewesen wären, ein westlicher Beobachter hätte die Fläche nicht als Fußplatz erkannt. Es handelt sich um einen von der Sonne gehärteten Boden, gespickt mit Kieselsteinen, unter denen sich wiederum nicht wenige Glasscherben, Nägel und andere verletzende Gegenstände befanden. Wir hatten – und auch wenn es nach Klischee klingt - keine Fußballschuhe, sondern spielten einfach barfuss. Zu trinken gab es nur Leitungswasser und zu essen gar nichts. Nur die Kinder aus reichen Familien konnten sich ein Cola beim Straßenhändler kaufen. Das galt für die Schulturniere genauso wie für unser tägliches Training in den Pausen oder am Nachmittag. Eigentlich trainierten wir wie Profis.



Nach der Schule gingen wir nach Hause und versuchten auf dem kilometerlangen Heimweg einen Ball aus Papier zu basteln. Denn bei unserem Trainingspensum, konnten wir unmöglich mit echten Lederbällen spielen. Ein echter Fußball war unser wertvollster Schatz, den der Besitzer aus reichem Hause genauso hütete. Nur bei wichtigen Spielen gegen andere Schulen wurde er benutzt. Doch auch mit selbst gebastelten Bällen mal aus Papier und Kleber, mal aus Stoffen ließ sich spielen.



Abends erwartete mich meine Mutter mit dem Essen. Ausgehungert vom stundenlangen Fußball, von einem Kiloemterlangen Schulweg, den wir meist im Laufschritt zurücklegten kam ich an den Familientisch. Meine Mutter kochte typisch afrikanisch: Kaum Fleisch, aber viel Gemüse. Nach dem Essen musste ich immer noch die Schulaufgaben zu erledigen. Danach war ich vom Tag so ermüdet, dass ich einfach nur schlief – bis zum nächsten Morgen, der im Grunde mit einem acht Kilometer Lauf begann: Auch wir gingen morgens nie so früh aus dem Haus, wie es sich unsere Mutter gewünscht hätte. Das haben wohl alle Schulkinder gemeinsam - Fastfood, Schokolade oder zu viel und zu fettes Essen allerdings nicht.



Deshalb sind die meisten, eigentlich alle meiner Schulfreunde auch heute noch von erstaunlicher, körperlicher Fitness.

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