Raucherdemo. Gegen den Tugend-Terror.

Raucherdemo. Gegen den Tugend-Terror.

Der Streit ums heilige Kalb: Die Zigarette


Raucherdemo. Gegen den Tugend-Terror.

Erlangen, 18. Januar 2008, abends kurz nach 8: Einige Handvoll Menschen mit Plakaten, Fackeln und Trillerpfeifen durchschreitet die Innenstadt.

Für welches hehre Ziel wird hier demonstriert? Für die Abschaffung der Todesstrafe oder für ein Verbot von Tretminen? Oder vielleicht gegen Fremdenfeindlichkeit, Folter, Kinderarmut?

Nein, viel wichtiger: Es geht um's Rauchen. Genauer, gegen das neuerliche und ungeheuerliche Verbot, dies in Restaurants und Kneipen zu tun.

„Rauchverbot = Kneipentod.” steht auf den Schildern. Rauchen und Tod in einem Atemzug zu nennen, ist nicht neu. Meist sind es langweilige und intolerante Nichtraucher die immer wieder darauf hinweisen, dass Rauchen tödlich sei. Das mag im Einzelfall zutreffen, aber Sport ist ebenfalls Mord und 5,4 Millionen Nikotin-Tote (WHO) pro Jahr werden überbewertet!

Wie sagen die Raucher immer: „Nichtraucher sterben gesünder”. Wir leben in einem freien Land! Wer einen natürlichen Tod im hohen Alter verschmäht und lieber ein paar Jährchen früher langsam ersticken will, der soll das dürfen! Dafür haben Raucher in den Jahren davor mehr Freude am Leben! Gelbe Zähne und Finger ficht sie nicht an. Sie sind gesellig, immer lustig und gut drauf.




Auf der Demo heute abend in Erlangen wurden denn auch lustige riesige Zigarettenattrappen geschwenkt:

Rauchen wirkt intellektuell und macht schlau! Das mit der Politik konnte nur ein Raucher auf seinem Banner so ungewöhnlich differenziert zum Ausdruck bringen: „Gesetze! Wer entscheidet sie? Das Volk oder CSU????”

Das ist natürlich eine rhetorische Frage. Jeder weiß, dass wir seit über 50 Jahren die Diktatur der Demokratie haben, in der nur gewählte Volksvertreter Gesetze machen dürfen und nicht etwa Raucher an ihren Stammtischen. Das Volk soll künftig die Gesetze machen, allerdings nicht die Mehrheit (73 %) der Nichtraucher, sondern die Raucher, die unterdrückte Minderheit (27 %)!

Denn - so steht es auf einer dritten Pappe:
„Diskriminierung ist gegen das Grundgesetz!”
Zwar steht im Grundgesetz (Artikel 3) nichts über das Rauchen, aber immerhin steht da wörtlich drin: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.” Und mal ehrlich - haben Raucher nicht alle einen an der Waffel???

Nach einem kurzen Marsch über raucherbeinfreundliche paar hundert Meter vom Schloßplatz zum Markgrafentheater, ging die Demo im dortigen Redoutensaal weiter.
Dieser war zu knapp Zwei-Dritteln gefüllt und da es ja immer noch eine Demo war, wurde natürlich demonstrativ geraucht. Ein Rednerpult stand da. Während Gesundheitsapostel nur mosern und mahnen, würde man auf einer Raucherdemo bestimmt einige gute Argumente FÜR das Rauchen hören. Das versprach spannend zu werden.

Doch schon der erste Redner war ein Nichtraucher.
Franz Bergmüller sein Name.
Er stellte sich vor als Vorsitzender des in Gründung befindlichen „Vereins zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur” und begrüßte in dieser Funktion die Anwesenden. Er sei selbst Gastwirt und seit 40 Jahren „gerne” Passivraucher, und er betonte, dass ihm das bisher nicht geschadet hätte. Wegen des Rauchverbots befürchte er Einnahmeausfälle von 25 % in der Gastronomie.
Eine interessante These, da man sonst ja nur davon hört, dass Rauchverbote für Kneipen-Betreiber keinerlei negative Effekte hätten, ja dass sie sogar mit Neukunden rechnen könnten. Was wieder mal beweist, in welchem Maße die öffentliche Meinung von hysterischen Gesundheitsfanatikern und Gutmenschen beherrscht wird.



Die Kneipentod-Sorge wurde geteilt von Thomas Wullschläger, Besitzer einer Erlanger Musikkneipe.
Da er nicht nur Gastwirt, sondern auch Musiker (Künstlername „Wulli”) ist, beglückte er die Anwesenden mit Gesang und Gitarrenspiel. Zeitmangel hätte es ihm nicht erlaubt, ein Protestlied gegen dieses dumme Gesetz zu schreiben, dafür aber gab er das letzte und posthum erfolgreichste Lied einer anderen talentierten Protest-Sängerin zum Besten. Das Lied hieß „Me and Bobby Mc Gee”. Die Sängerin hieß Janis Joplin. Ihre Lebensgeschichte passte auch sehr schön zum Thema des Abends, hatte sie doch nicht nur gespritzt und gesoffen was das Zeug hielt, sondern auch alles geraucht, was man sich ohne Fachkenntnisse anstecken kann ... und dennoch ein respektables Alter von 27 Jahren erreicht!

Der nächste Gast im Programm war ein hochrangiger Politiker (MdB) namens Jörg Rohde. MdB heißt übrigens „Mitglied des Bundestages” und dort ist er „behinderten- und sozialhilfepolitischer“ Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.
Auch Rhode ist Nichtraucher, aber dieses Jahr sind wieder Landtagswahlen in Bayern. Letztes Mal hat die FDP 2,6 % der Stimmen bekommen. Da fehlt noch was zur 5 %-Hürde. Mit ein paar Raucherstimmen könnte er diese vielleicht diesmal nehmen. Also verspricht er, sich für die Abschaffung des Gesetzes einzusetzen, falls die Raucher ihm über die Hürde helfen.
Rohde würzt seine Rede mit schlagenden Argumenten wie diesem: Das Rauchverbot sei nicht nur eine Beschneidung der Persönlichkeitsrechte der Raucher, sondern auch der Eigentumsrechte der Wirte. Diese hätten schließlich in eine raucherfreundliche Umgebung investiert. Als Beispiel nannte er Raucherräume und ... ja! ... auch Aschenbecher. Na ja, MdB Rohde ist weder Raucher noch Gastwirt, sonst wüßte er, dass Aschenbecher meist von der Zigarettenindustrie gestellt werden.
Wer allerdings einmal beobachtet hat, wie Lungenkrebskranken der Teer aus der Lunge abgesaugt wird, wird sich um die Fehlinvestition von Aschenbechern keine Gedanken mehr machen ...

„Tugendterror nein danke!” steht auf dem Plakat direkt neben dem Aufgang zur Bühne.
Vielleicht sollten sich die Raucher mit anderen Vereinen zusammentun, die ebenfalls was gegen den Tugend-Terror haben.
Ich denke daran, dass ja über die Hälfte aller Raucher in Gegenwart ihrer Kinder raucht und damit dafür sorgt, dass diese zeitlebens unter chronischem Asthma leiden. Da böte sich doch eine Kooperation mit der Interessengemeinschaft der Kinderschänder e. V. an.
Oder: Raucher haben den Ekel der ersten Zigarette längst überwunden und empfinden den Tabakrauch als wohlschmeckend. Da läge es doch nahe, sich in der Lobbyarbeit mit den Anonymen Gammelfleischessern abzustimmen, die in der Gesellschaft ebenfalls Akzeptanzprobleme haben.

Unter'm Strich fand selbst ich als Nichtraucher die Veranstaltung richtig und wichtig. Man darf sich nicht immer alles gefallen lassen!
Ich bin sicher, die Raucher haben erst den Anfang gemacht. Auch gegen das totale Asbestverbot sollte demonstriert werden, gegen Fahrverbote für rußende Dieselfahrzeuge und ebenso für das Recht, in der Öffentlichkeit zu onanieren!
Vielleicht schreibt ja wenigstens darüber mal jemand einen Protestsong!

Als ich so in den kühlen Nieselregen hinausschreite und tief einatme, denke ich mir allerdings:
So schlecht ist frische Luft nicht!

Darum ging es ja eigentlich auch gar nicht.

Dem nicht-rauchenden Gastwirt ging's um's Geld und dem nicht-rauchenden Politiker um Wählerstimmen.

Viel Rauch um nichts also.



© Michael von Aichberger www.aichberger.de

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