Pilates - Training für Body & Mind

Pilates - Training für Body & Mind

Training nach der Pilates-Methode erlebt seit einigen Jahren besonders in den USA ein regelrechtes Comeback. Da sich hiesige Fitnessclubs gern durch neue Ideen aus Übersee inspirieren lassen, ist es keine Überraschung, dass inzwischen auch in Deutschland oft nach Pilates gefragt wird. Unter dem Schlagwort „Body and Mind“ gilt Pilates als eine Form des körperlichen und zugleich mentalen Trainings, die viel Wert auf Körperwahrnehmung, Beweglichkeit und gezielte Kräftigung legt. Während bei manch anderem Fitnesstrend die Teilnehmer schnell an Geräte denken, die laut rasseln und den Bizeps glühen lassen, zeigt sich bei Pilates eine fast gegenteilige Herangehensweise: Statt schnellem Pumpen konzentriert man sich eher auf eine achtsame, kontrollierte Ausführung der Übungen, was für viele, die nach etwas Besonderem suchen, äußerst reizvoll ist. Interessant ist hierbei, dass der Begründer Joseph Hubertus Pilates, ein Deutsch-Amerikaner, bereits vor über fünfzig Jahren den Grundstein für dieses System legte. Heute stehen Pilates-Kurse nicht mehr nur für Hollywood-Stars und Tänzer auf dem Programm, sondern zusehends auch für Alltagsmenschen, die eine andere Art von Training suchen.

Gattungsbegriff oder Trademark? Die Diskussion um den Namen Pilates

Wer sich ein wenig mit der Pilates-Geschichte beschäftigt, stolpert schnell über einen Rechtsstreit in den USA, bei dem die Frage geklärt werden sollte, ob „Pilates“ eine geschützte Marke oder ein allgemeiner Gattungsbegriff ist. Ein Studioinhaber in Manhattan, Sean Gallagher, wollte den Namen für sich beanspruchen, verlor aber vor Gericht. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass Pilates ähnlich wie Yoga, Karate oder Taekwondo für eine Sportart stehe und folglich nicht als exklusives Markenzeichen betrachtet werden dürfe. Insofern darf heute grundsätzlich jeder „Pilates“ als Bezeichnung verwenden. Das klingt zunächst positiv, bedeutet aber auch, dass die Qualität stark schwanken kann. Während manche Trainer eine fundierte Ausbildung durchlaufen, nehmen es andere weniger genau, was gelegentlich zu Verwirrungen und sehr unterschiedlichen Trainingsmethoden führt. Doch insgesamt hat die Entscheidung, Pilates als Gattungsbegriff zu belassen, dazu beigetragen, dass sich die Disziplin in der Fitnesswelt weltweit frei entfalten konnte.

Joseph Hubertus Pilates: Der Mann hinter der Methode

Joseph H. Pilates wurde 1880 bei Düsseldorf geboren und war als Kind alles andere als kräftig. Gerade diese körperliche Ausgangslage weckte in ihm die Motivation, sich intensiv mit Gesundheit und Körperentwicklung zu beschäftigen. Er wurde Turner, Skiläufer, Taucher und sogar Boxer, um seine Physis zu stärken. 1923 wanderte Pilates nach New York aus, wo er in seinem ersten Studio Tänzer, Schauspieler und andere sportbegeisterte Menschen trainierte. Sein System, das er anfangs „Contrology“ nannte, stützt sich auf die Idee, den Körper mithilfe kontrollierter, präziser Bewegungen zu kräftigen, ihn gleichzeitig beweglich zu halten und den Geist in die Abläufe einzubinden. In der New Yorker Tanzszene sprach sich schnell herum, dass diese Übungen sehr gut bei Verletzungen helfen oder sich zur Reha eignen. Sogar Berühmtheiten wie Martha Graham sollen im Studio von Joseph Pilates gesichtet worden sein.

Pilates: Training für alle

Die Pilatesschule verfolgt das Ziel, eine möglichst breite Anwenderbasis anzusprechen. Egal ob trainierte Athleten oder Neulinge: In den Prinzipien von Joseph Pilates ist vorgesehen, dass Bewegungen so variiert werden können, dass sich jeder – jung, alt, fit, angeschlagen – bestmöglich herantasten kann. Dabei öffnet Pilates eine Tür zu ganz unterschiedlichen Motivationen. Wer tänzerische Ambitionen hat, kann sich auf fließende Bewegungsabläufe konzentrieren, während Menschen mit Rückenschmerzen oder allgemein hohem Stresslevel vor allem Entlastung und Stabilisierung erfahren wollen. Laut Allan Menezes vom Pilates Institute of Australasia sind besonders Personen mit speziellen Reha-Bedürfnissen, Rumpfproblemen oder das Bedürfnis nach einer bewussten, gelenkschonenden Trainingsweise von der Pilates-Methode angetan. Ebenso können sich Sportler, die bereits in andere Disziplinen eingeübt sind, neue Impulse holen. Studien aus der Sport- und Rehawissenschaft zeigen, dass schonende, präzise Bewegungsprogramme wie Pilates nicht nur die Muskeln kräftigen, sondern auch bei moderaten Rückenproblemen helfen können, indem angrenzende Muskelstrukturen die Verletzungsareale entlasten.

Die acht Prinzipien der Pilates-Methode

Oft hört man, dass Pilates mehr als ein reines Workout sei, sondern eine ganzheitliche Methode. Tatsächlich stützt sich dieses Training auf acht Prinzipien:

1. Konzentration: Der Fokus liegt auf einer präzisen Ausführung und das Einbeziehen des Geistes.

2. Präzision: Jede Bewegung soll bedacht und kontrolliert ablaufen, damit Fehlhaltungen nicht eingeschliffen werden.

3. Kontrolle: Man achtet auf den Körper, den Atem und mögliche Ausgleichsbewegungen, sodass kein Teil des Körpers einfach „herumwackelt“.

4. Bewegung: Die richtige Dynamik ist wichtiger als rasche Wiederholungen.

5. Bewegungsfluss: Übungseinheiten sollen nicht abgehackt wirken, sondern gleichmäßig und harmonisch fließen.

6. Zentrierung: Das sogenannte „Powerhouse“, also die Körpermitte, steht im Vordergrund. Die tiefe Rumpfmuskulatur wird gezielt angesprochen.

7. Atmung: Ein regelmäßiger Atemrhythmus unterstützt die Kontrolle und erhöht die Effektivität der Übungen.

8. Übung: Regelmäßigkeit ist entscheidend. Die eigentliche Kunst liegt darin, diese Prinzipien zu verinnerlichen.

Nicht umsonst betonen Trainer gerne, dass Pilates „ein Weg“ ist und weniger ein schnelles achtwöchiges Programm. Am Anfang mag man sich in Feinheiten verlieren, später spürt man den fließenden Charakter, der oft fast meditative Züge annimmt.

Die Erwartungen an Pilates-Training

Verfechter der Methode loben gern Pilates als Alleskönner. Wer sich jedoch kritisch damit befasst, merkt, dass Pilates zwar viele Vorzüge vereint – Stressabbau, gezielte Kräftigung, Körperwahrnehmung –, allerdings keineswegs eine „eierlegende Wollmilchsau“ sein muss. Trotzdem ist es für bestimmte Zielgruppen sehr wertvoll, weil es Elemente des Krafttrainings mit sanften Bewegungsabläufen vereint. Insbesondere Rückenpatienten, die ihre Wirbelsäule entlasten wollen, profitieren davon, dass die Übungen oft die umliegende Muskulatur stärken, sodass Verletzungsregionen geschont werden. Aus wissenschaftlicher Sicht hat jede Form von Kraft- oder Koordinationstraining immer eine koordinative Komponente, was bedeutet, dass Pilates hier keine Revolution bringt. Allerdings zeigt die Praxis, dass durch die Konzentration auf Atmung und Bewegungseinheit eine Art meditativer Aspekt hinzukommt, der in herkömmlichen Kraftprogrammen selten zu finden ist. Das kann die Motivation steigern und den Geist beruhigen.

Pilates in Australien: SSPT für Leistungssportler

Das Pilates Institute in Australien setzt neben rehabilitativen Ansätzen stark auf Leistungssteigerung. Unter dem Namen „Specific Sports Performance Training“ (SSPT) werden Programme entwickelt, die gezielt auf Athleten zugeschnitten sind. Die Vorstellung dahinter: Auch ein Wettkampfsportler, der sich während einer Reha-Phase verletzt hat oder seine Bewegungsökonomie verbessern will, kann von den langsamen und gezielten Übungen profitieren. Das SSPT-Prinzip verspricht, das Verletzungsrisiko stark zu reduzieren, weil durch die bewusste Bewegungsführung Muskeln und Bänder gestärkt werden, ohne sie ruckartig zu belasten. Die Studienlage in Sportwissenschaft und Physiotherapie stimmt damit weitgehend überein, da stabilisierende Core-Übungen in vielen Hochleistungssportarten inzwischen zum Standard gehören.

„Universal Reformer“ & Co.: Die Pilates-Geräte

Wer Pilates nur von Mattenübungen kennt, ist oft überrascht, wenn er in ein klassisches Pilates-Studio kommt. Dort stehen Geräte, die auf den ersten Blick etwas altertümlich wirken: „Universal Reformer“, „Cadillac“ oder „Chair“ sind Konstruktionen aus Holz, Metallfedern und Schlitten. Diese Apparate sind so gebaut, dass sie dem Trainierenden Widerstand geben oder seine Bewegungen führen, aber ohne den Körper in eine starre Schiene zu zwängen. Die Federn ermöglichen sowohl konzentrische als auch exzentrische Belastung, was bedeutet, dass die Muskulatur in zwei Richtungen arbeitet und zugleich Geschmeidigkeit trainiert. Anders als an vielen modernen Kraftmaschinen, die oft nur lineare Bewegungen zulassen, fördern Pilates-Geräte eine komplexere Koordination. Wer ein solches Studio betritt, entdeckt schnell, dass hier ein sehr individueller Ansatz möglich ist. Gerade das exakte Justieren der Geräte und die präzise Begleitung durch den Trainer sorgen dafür, dass die Übungen deutlich stärker personalisiert werden können als an manchen Geräten im Fitnessstudio.

Die Frage nach dem „großen Wurf“

In der Fitnesswelt werden neuartige Konzepte gern als revolutionäre Durchbrüche angepriesen. Auch beim Pilates-Training darf man getrost kritisieren, dass manche Versprechungen ziemlich weitreichend klingen: „Muscle Conditioning“, „Body Balance“ oder „Optimierung der Biomechanik“ sind Schlagworte, die in vielen Disziplinen vorkommen. Dass ein durchdachtes Krafttraining ebenfalls koordinative Gewinne bringt, ist nichts Neues. Und dass Yoga, Tai-Chi oder ähnliche Systeme eine wohltuende Wirkung haben, ist auch kein Geheimnis. Dennoch hat die Pilates-Methode ihre ganz eigene Nische geschaffen. Der Mix aus rehabilitativem Ansatz, mentaler Zentrierung und dynamischen, aber kontrollierten Übungen zeigt sich gerade für solche Menschen als wertvoll, die sich vielleicht in herkömmlichen Kraftkursen unwohl fühlen oder gezielt nach einer Kombination von Bewegung und Achtsamkeit suchen. Zudem gewinnt Pilates auf betrieblicher Ebene als schonende Trainingsform in Unternehmen an Beliebtheit, wo es als Mittel gegen Rückenbeschwerden und Stress angeboten wird.

Kein Allheilmittel, aber eine lohnende Option

Pilates genießt mittlerweile weltweit Anerkennung und ist längst kein kurzlebiger Fitnesstrend mehr. Schaut man sich die Tradition an, die über 50 Jahre zurückreicht und auf Joseph Hubertus Pilates‘ Erfahrungen aufbaut, erkennt man, warum so viele prominente Sportler, Tänzer oder Schauspieler darauf schwören. Anders als mancher Hardcore-Fitness-Ansatz stellt Pilates den Körper und Geist gleichermaßen in den Mittelpunkt: Es geht um kontrollierte Bewegungen, eine bewusste Atmung, den Aufbau der  Tiefenmuskulatur und das Vermeiden ruckhafter, unbedachter Aktionen. Bei all dem bleibt es eine Frage der persönlichen Vorliebe, ob man Pilates zum neuen Lebensinhalt macht oder lieber bei herkömmlichen Kraft- und Ausdauerübungen bleibt. Wer etwa an Kniebeugen, Bankdrücken und Waldläufen Gefallen findet, steht nicht automatisch schlechter da. Denn aus rein physiologischer Perspektive führt ein strukturiertes Kraft- und Ausdauerprogramm ebenfalls zu gesteigerter Fitness und kann den Rücken stärken. Allerdings ist unbestritten, dass Pilates seinen Anwendern ein besonderes Körpergefühl und eine gewisse Ruhe vermittelt. Das kann in einer hektischen Welt eine echte Bereicherung sein. Wer es unverbindlich testen möchte, findet in vielen Städten Kurse oder Studios, die sich ganz auf diese Methode spezialisiert haben. Ob man sich dadurch nun „neuromuskuläre Impulsgebungen“ oder schlicht bessere Laune verspricht, liegt letztlich an einem selbst. Fest steht: Pilates kann eine wertvolle Ergänzung sein, wenn man Körper und Geist etwas Gutes tun will – man sollte nur nicht erwarten, dass es das eine ultimative „Alleskönner-Rezept“ ist. Dafür bietet die Fitnesswelt einfach zu viele Facetten, und das ist ja durchaus eine gute Nachricht.

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