Als vor zwei Wochen der Abstieg des FSV Mainz 05 endgültig Gewissheit wurde, ergriff Jürgen Klopp das Mikrofon im Mainzer Bruchwegstadion. Der Trainer dankte den Fans, die seine Mannschaft trotz des Abstiegs feierten. Und er zitierte den rosaroten Panther mit den Worten: „Heute ist nicht alle Tage, wir kommen wieder, keine Frage!“
Ein Moment der Stärke im Angesicht des Scheiterns
Im Moment der größten Trauer fand Klopp Worte, die nicht nur die Fans trösteten, sondern auch seine Spieler und vermutlich auch ihn selbst. „Ich betrachte das als etwas ganz Einzigartiges, dass wir hier in Mainz in Freud wie in Leid zusammen weitermachen können“, sagte Klopp. „Normalerweise wäre ich doch nach sieben Niederlagen in Folge, die wir hier auch schon mal durchgemacht hatten vor einem Jahr, überall gefeuert worden. Hier in Mainz aber hatten wir immer noch Vertrauen zueinander und haben die tiefsten Täler gemeinsam durchschritten.“
Tatsächlich ist der Abstieg im Leben des vermeintlichen Strahlemanns und Dauersiegers Klopp nicht der erste Rückschlag. Der mittlerweile 39 Jahre alte Fußballlehrer musste in seinen sechseinhalb Jahren als Trainer und in den vorangegangenen elf Jahren als Spieler vermutlich sogar mehr Niederlagen hinnehmen als die allermeisten anderen Fußballer. Jahrelang kämpfte er als Rechtsverteidiger mit Mainz 05 gegen den Abstieg aus der Zweiten Bundesliga. Als Trainer halten sich Erfolge und Tiefschläge allenfalls die Waage.
Niederlagen als Prüfungen des Charakters
„Niederlagen haben einen ungemein großen Wert für die Entwicklung eines Menschen. Sie sind die wahren Prüfungen im Leben eines Sportlers. Mit Siegen umzugehen ist relativ einfach. Danach geht alles locker von der Hand, die Lebensqualität ist super. Eine Niederlage zu verarbeiten, fordert hingegen den ganzen Charakter eines Sportlers. Das ist in jedem Sport so, egal ob Mannschafts- oder Individualsport“, erklärt Klopp. Und er fügt hinzu: „Das gilt im Übrigen auch über den Sport hinaus für fast jede Lebenssituation.“
Nach dem Abstieg mit Mainz 05 ging Klopp sogar noch einen Schritt weiter, als er die Anhänger des Clubs in die Schicksalsgemeinschaft einbezog. Diese hatten die Mannschaft nach dem Abstieg minutenlang im eigenen Stadion gefeiert und schon während der Saison Fehler und Niederlagenserien verziehen. „Wie unsere Fans mit dem Abstieg umgegangen sind, war einfach sensationell. Das ist eine Erfahrung fürs Leben“, sagt Klopp. „Sie haben honoriert, dass wir stets alles für den Erfolg investiert haben, es aber eben nicht gelangt hat. Genau das muss die Lehre aus sportlichen Niederlagen sein: Man darf verlieren, wenn man alles versucht hat, um zu gewinnen.“
Angst vor dem Scheitern lähmt den Willen zum Sieg
Ähnlich klingt ein Leitwort aus Klopps Sportlerphilosophie: „Man darf nicht aus Angst vor einer Niederlage nicht gewinnen wollen.“ Dieser Satz ist mehr als nur ein Motto; er ist eine Handlungsanweisung für jeden, der im Leben oder im Sport etwas erreichen möchte. Für Klopp bedeutete das, dass er dem FSV Mainz 05 auch nach dem Abstieg treu blieb, obwohl es für ihn sicher die Möglichkeit eines Wechsels zu einem großen Verein mit deutlich größerer Erfolgswahrscheinlichkeit gegeben hätte.
Dieses Festhalten an der Gemeinschaft und dem gemeinsamen Ziel passt zu dem Song, der nach Klopps Ansprache aus den Lautsprechern des Bruchwegstadions und den Kehlen der Fans ertönte. „Steh auf, wenn Du am Boden liegst“, sangen die Toten Hosen im Chor mit Tausenden Mainzern. Klopp schaute dabei bewegt in die Reihen der Fans – ein Symbol für den ungebrochenen Willen, wieder aufzustehen und weiterzumachen. Zudem stand er selbst schon lange wieder.
Die Lehren aus Niederlagen
Die wahre Größe eines Sportlers zeigt sich nicht in seinen Erfolgen, sondern in der Art und Weise, wie er mit seinen Niederlagen umgeht. Klopp hat diesen Grundsatz nicht nur verinnerlicht, sondern lebt ihn auch aktiv vor. Dabei geht es nicht nur darum, das Beste aus einer schlechten Situation zu machen. Es geht darum, die Niederlage als einen notwendigen Teil des Lebens zu akzeptieren, als eine Chance zur Reflexion und zur Verbesserung.
Sport ist in dieser Hinsicht ein Spiegel des Lebens. Jeder hat Momente, in denen nichts so läuft, wie es sollte. Doch genau diese Momente bieten die Möglichkeit, sich selbst besser kennenzulernen, die eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen und gestärkt daraus hervorzugehen. Für Klopp ist klar: „Scheitern ist unvermeidlich. Die Frage ist nur, wie man darauf reagiert.“
Ein Trainer, der inspiriert
Klopp ist nicht nur ein Trainer, sondern auch ein Motivator. Er versteht es, Menschen zu inspirieren und ihnen das Gefühl zu geben, Teil von etwas Größerem zu sein. Dieses Talent zeigt sich nicht nur in seinen Reden, sondern auch in seinem Handeln. Er bleibt seinem Verein treu, selbst wenn die Umstände alles andere als ideal sind, und setzt damit ein Zeichen, das weit über den Fußball hinausreicht.
Die wahre Prüfung des Sports
Im Leben eines Sportlers gibt es keine größere Prüfung als die Niederlage. Sie fordert Charakter, Stärke und den Willen, weiterzumachen, wenn alles verloren scheint. Jürgen Klopp hat gezeigt, wie man diese Prüfung bestehen kann. Sein Umgang mit dem Abstieg des FSV Mainz 05 ist ein Beispiel für jeden, der sich mit Rückschlägen konfrontiert sieht – sei es auf dem Spielfeld oder im Leben. Denn wie die Toten Hosen es so treffend formulierten: „Steh auf, wenn Du am Boden liegst.“