Der Trainings- und Bewegegungswissenschaftler Dr.Klaus Wirth über schmerzende Muskeln, sinnlose Fitness-Geräte und die Frage: Freihantel oder Maschine.
Fitness.com: Herr Wirth, Sie beschäftigen sich beruflich mit Krafttraining und bilden angehende Fitness-Trainer aus. Wann haben Sie selbst das erste Mal eine Hantel in die Hand genommen?
Dr. Klaus Wirth: Mit 15. Lassen Sie mich rechnen, das ist schon über ein Vierteljahrhundert her. Das war im Keller des Elternhauses, ich hab da mit Hanteln rumgespielt.
Fitness.com:
Welche Fehler haben Sie damals beim Krafttraining gemacht?
Dr. Klaus Wirth: Einer der größten Fehler, die man am Anfang machen kann, ist die falsche Technik bei der Übungsausführung. Es wird nach dem Motto trainiert: Hauptsache viel Eisen drauf. Dies führt zu einer hohen Beanspruchung der Gelenke in ungünstigen Gelenkwinkeln und damit langfristig zu Problemen.
Fitness.com: Gerade im Fitness-Bereich kursieren viele Trainings-Mythen, die ich gerne mit Ihnen überprüfen möchte.
Stimmt es, dass der Muskel schmerzen muss, damit er wächst, nach dem Motto „No Pain no gain“?
Dr. Klaus Wirth: Bis zu einem gewissen Grad stimmt das. Im Fitness-Studio muss ich meinem Kunden eine Orientierung geben, ab wann er davon ausgehen kann, dass er sich wenigstens so belastet, dass ein trainingswirksamer Reiz generiert wird. Und in dem Rahmen gilt: No pain no gain. Bei erfahrenen Sportlern kann man trainingsmethodisch zum Teil anders vorgehen. Während der Trainingseinheit werden die Schmerzen im Muskel in erster Linie durch die anaerobe Stoffwechselbelastung, die Übersäuerung des Muskels, hervorgerufen. Ob man nun im Training in diese Stoffwechsellage hineintrainieren muss, hängt wiederum vom Trainingsziel ab.
Fitness.com:
Stimmt es, dass man mit mehr Muskelmasse unbeweglicher wird?
Dr. Klaus Wirth: Das ist Unsinn. Es gibt ein paar Gelenke, bei denen eine große Muskelmasse die maximale Bewegungsamplitude negativ beeinflussen kann. Das heißt also, wenn ich im Schultergelenk eine Horizontaladduktion durchführe könnte mir eventuell mein Brustmuskel im Wege stehen. Ansonsten hat die Länge auf die ich einen Muskel bringen kann, nichts mit dem Querschnitt zu tun. Selbst derjenige mit den dicksten Oberschenkeln kann einen Spagat ausführen, wenn die Gelenkstruktur der Hüfte dies erlaubt.
Fitness.com:
Muss eine optimale Trainingseinheit mindestens eine Stunde dauern?
Dr. Klaus Wirth: Das hängt von der Trainingsmethode bzw. dem Trainingsziel ab. Pauschale Zeitvorgaben sind unsinnig.
Fitness.com:
Im Vergleich: Ist es sinnvoller im Fitness-Studio an Maschinen die Muskeln einzeln zu trainieren oder mit Freihanteln Komplexübungen durchzuführen?
Dr. Klaus Wirth: Generell ist es so, dass Maschinen probieren bestimmte Bewegungsabläufe zu isolieren. Damit werden sie alltags ferner. Dieser Umstand hat jedoch den Vorteil: Ist jemand koordinativ schlecht wird er die Übung schneller erlernen können. Will ich die Koordination schulen, sind Freihantelübungen vorzuziehen.
Der Aufwand beim Schulen der Technik ist zwar größer, der Ertrag allerdings auch. Unter funktioneller Sicht, also dem Alltag nahekommend, sind die Freihantel-Übungen dem Maschinentraining vorzuziehen, da es im Alltag praktisch keine geführten Bewegungen wie bei der Maschine gibt. In hohen Intensitätsbereichen, das zeigt die Erfahrung, wird es besonders bei geführten Bewegungen an Maschinen, die einen bestimmten Bewegungsablauf erzwingen, mit der Zeit eher zu Problemen an den Gelenken kommen, als es bei Freihantelübungen der Fall ist (unter der Voraussetzung einer korrekten Bewegungsausführung).
Fitness.com:
Welches Gerät würden Sie aus dem Fitness-Studio verbannen?
Dr. Klaus Wirth: Generell ist es so, dass ich mit Freihanteln viele Übungen mit der Maschine abdecke, sogar besser abdecke. Zum Beispiel: Geräte für eine isolierte Hüftextension. Führt man Übungen wie die Beinpresse oder die Kniebeuge aus, so werden die Hüftextensoren ausreichend bzw. deutlich stärker belastet. Da kann man noch ein paar weitere Geräte dranhängen. Auf der anderen Seite möchte man langfristig auch ein bisschen Variation im Training haben.
Losgelöst von der Effektivität bringt ein Maschinen-Park mehr Variation. Ferner haben ältere Menschen oft Angst vor Freihanteln, jedoch weniger Angst vor Maschinen. Es gibt schon genügend Gründe warum ich Maschinen im Fitness-Studio brauche. Wenn es mir um die reine Effektivität geht kann ich ein Großteil der Maschinen eliminieren.
Fitness.com:
Bei welchen Maschinen ist eine falsche Benutzung verletzungsgefährdend?
Dr. Klaus Wirth: Viele Maschinen geben nach wie vor unnatürliche Bewegungsabläufe vor, was langfristig unter Verwendung hoher Lasten zu Gelenkproblemen führen kann. Bankdrücken im Sitzen ist hierbei so ein absoluter Klassiker, den es häufig in einer Art und Weise gibt, dass die Belastung falsch am Schultergelenk ankommt. Ein weiteres Beispiel sind die horizontale Beinpressen.
Fitness.com:
Eine Übung bei der die meisten Fehler gemacht werden ist die Kniebeuge. Welche Fehler sind das?
Dr. Klaus Wirth: Der häufigste Fehler ist, sich an die schlechten Anweisungen der Fitness-Literatur zu halten. Zum Beispiel solche Hinweise wie, dass die Knie nicht über die Fußspitzen zeigen dürfen oder man die Knie nur bis zu einem 90°-Winkel beugen darf. Prinzipiell wird auf Fehler hingewiesen, die von geringer Bedeutung sind oder gar keine sind. Ein entscheidender Fehler ist zu stark aus dem Rücken zu heben, also nicht den Oberkörper aufrecht halten. Ein weiteres Problem ist die eingeschränkte Beweglichkeit im Fußgelenk und damit einhergehend ein stärkere Körpervorlage oder aber ein zu schnelles Absenken des Gewichts (federnde Ausführung im Umkehrpunkt der Bewegung). Die meisten Probleme sind individueller Natur, wie zum Beispiel große Kraftunterschiede zwischen dem rechten und dem linken Bein, die die Bewegungsausführung negativ beeinflussen.
Fitness.com:
Was ist Ihre persönliche Lieblingsübung im Fitnessstudio?
Dr. Klaus Wirth: Das sind die, die effektiv sind: Kreuzheben, Bankdrücken, Kniebeuge. Die Grundübungen wie man so schön sagt, das sind die besten.
Fitness.com: Wie viel haben Sie gestemmt?
Dr. Klaus Wirth: Bei Dreier-Wiederholungen waren es beim Bankdrücken 140 kg, Kniebeuge 180 kg, Kreuzheben 210. Also gehobener Fitness-Bereich.
Fitness.com: Wir danken für das Gespräch.