Mitgliederfluktuation in Fitnessclubs

Mitgliederfluktuation in Fitnessclubs

Das Hotel von Jens Weißflog
Fitnessmanagement: In den USA liegt die Kündigungsrate von Fitnessstudiomitgliedern bei bis zu 45 %. Wie hoch die durchschnittliche Fluktuation (engl. Drop-out) in deutschen Fitnessstudios ist, kann man nur schätzen. Die Aussagen von Fitnessstudiobetreiber, dass man schon mit einem Mitgliederschwund von 20 % zufrieden wäre, lassen erahnen, dass es hierzulande ähnlich aussieht.

 

Bis vor wenigen Jahren dachte man, es würde Sinn machen, mindestens einen einjährigen Fitnessvertrag, mit alle Leistungen, wie die Nutzung von Hightech Ausdauergeräten, Trainingsgewichten, Kraftgeräte, Fitnesskursen, Sauna, etc. inklusive zu verkaufen. - Heute ist das Geschäftsprinzip eines „Alles-Inklusive-Fitnessclubs“  so „out“, wie ein schweißgetränktes Handtuch.



Bis zu 45 % aller Neuverträge in Fitnessclubs der USA werden bereits während des ersten Mitgliedschaftsjahres gekündigt, sagt die Health, Racquet & Sportsclub Association (www.ihrsa.org).   -   Alle Beschwörungen und Versprechen der Fitnessstudios, Menschen zu einem gesünderen, „bewegterem“ Leben zu motivieren, verliefen somit ergebnislos.

 

Bis vor 6 Jahren war es relativ leicht, den Drop-out (Mitgliederschwund) in den Fitnessclubs auszugleichen. Es gelang, Minimum so viele neue Fitnessstudioverträge abzuschließen, wie bestehende Mitgliedschaften gekündigt wurden, sagt ein Berater, der bis zu 15 Researchs pro Jahr auswertet. Mittlerweile sind die Mitglieder-Verluste aber nicht mehr durch neue Verträge zu decken.

 

„Man kann die Schuld in der Tatsache suchen, dass jetzt in fast jedem Fitnessstudio die Fernseher von der Decke flimmern (Cardiokino) oder dass ein iPod während des Trainings um den Hals schon zum „guten Ton“ gehört“, sagt ein Marketingberater aus Manhattan. „In den 70ger Jahren gingen die Menschen in Fitnessstudios, um gemeinsam mit  Gleichgesinnten Sport zu treiben, in einer Gemeinschaft aufzugehen und mit anderen Sportlern zu interagieren. Inzwischen sind die meisten Fitnesstreibende „sich selbst genug“, schotten sich durch Starren auf einen Bildschirm „sinnlich ab“ oder sind taub für äußere Einflüsse, dank der eingestöpselten Kopfhörer.  Das ist der Tod der Fitnessstudios.“  

 

All-in-One Fitnessclubs, also diejenigen Fitnessstudios, die von Fitnesstraining über Kurse bis Sauna und Mineraldrink-Theke alles anbieten und die wir in Deutschland als mittelständige, oft inhabergeführte Fitnessstudios kennen, werden immer mehr durch Fitnessdiskounter-Ketten unter Druck gesetzt. Diese bieten lediglich Training mit Ausdauergeräten und Krafttrainingsgeräten an, aber weder Kurse wie Zumba®, noch einen Handtuchservice oder Wellness und verlangen dafür lediglich einen Mitgliedsbeitrag rund 20 € pro Monat.

 

Die Fitnessstudio-Interessierten fragen sich,  warum sie einen Mitgliedsvertrag mit einem Komplettangebot (all-in-one) abschließen sollen, wenn Sie für wesentlich  weniger Kosten pro Monat genau das erhalten, was sie ausschließlich interessiert. Der Hauptgeschäftsführer der Fitnessdiskounter-Kette Planet Fitness, der kürzlich sogar in seinen 406 Studios das Personal Training abschaffte (ein angestellter Trainer bietet nur noch Training für Fünfergruppen an) macht dabei die Aussage, dass er nicht daran glaubt, in einem Motivations-Business zu sein. Deshalb versucht er auch gar nicht, die Kunden seinerseits zu motivieren, denn „Ich kann niemanden dazu motivieren etwas zu tun, was er eigentlich gar nicht tun will“.

 

Der Erfinder des „Aerobic-Step“ und Geschäftsführer des Fitnessunternehmens Body Training Systems, vertritt eine konträre Meinung: Einfach nur auf neue Mitglieder zu warten, sie aber nicht zum Training zu motivieren, ist der falsche Weg. Damit erreicht man zwar vielleicht die Zielgruppe der Sportbegeisterten und „Fitnesswilligen“, aber die Mehrheit, nämlich Menschen die noch keinen Zugang zu einer regelmäßigen sportlichen Betätigung gefunden haben, erreicht man nicht. Man kann nicht das Beste und zugleich Preiswerteste wählen, wenn man noch nicht weiß, was man wirklich tun will und was einem Spaß macht.

 

Eine andere Meinung vertritt die Besucherin einer Fitnessdiscounter-Kette: „Ich mag es, zeitunabhängig zu trainieren. Reingehen ins Fitnessstudio und raus, wenn immer ich will“ (was ja bei Kursen nicht möglich ist, da die immer zu einer bestimmten Zeit an bestimmten Tagen stattfinden). „Ich mache Krafttraining und Cardiotraining. Ich bin nicht im Fitnessstudio, um Kontakte zu knüpfen oder mich zu unterhalten.“

 

Die  Meinung eines Fitness-Fachmanns: Socializing, also sich als Mitglied in einem Fitnessstudio als Teil einer Gemeinschaft zu fühlen, ist der Schlüssel für einen langfristigen Erfolg des Mitglieds, aber auch des Studios (durch die Dauer der Mitgliedschaft). Ja, es ist eine große Aufgabe, Mitglieder miteinander in Interaktion zu bringen, um Motivation und Ansporn zu verstärken, was wiederum „zwangsläufig“  Auswirkungen auf die Dauer der Mitgliedschaft im Fitnessstudio hat.

 

Der leitende Vizepräsident der Fitnesskette Crunch erinnert sich an die Neunziger Jahre, als einige neue Fitnesskurse Einzug in die Kette hielten, wie Fettverbrennungskurse oder Indoor-Cycling Karaoke (Youtube-Video ), welche die Teilnehmer positiv zur „Raserei“ brachten. Diese Kurse waren es, die den Erfolg von Crunch ausmachten und die Mitglieder zusammen und in Dialog miteinander brachten.

 

Heutzutage ist die Kundenloyalität dramatisch gesunken, sagt ein Berater, der seit 25 Jahren in der Fitnessbranche in den USA tätig ist. Ein Grund dafür: Vor 10 Jahren haben Fitnessclubs keine Fitnesspakete zur Auswahl angeboten, es hieß alles oder nichts, wer lediglich Kraft - und Ausdauergeräte nutzten wollte, musste auch für das Aerobicprogramm und die Sauna „mitbezahlen“. Einige Fitnessinteressierte nutzten angebotene Fitnesskurse  bei speziellen „Indoor-Cycling Clubs“,  ( Flywheelsports / und Soulcycle Sports ) statt sich mit einem Fitnessmitgliedsvertrag zu binden.

 

Du kannst tun, was immer Du magst, schreibt Jessica Underhill, Personaltrainer, die den Blog    FIT CHICK in the CITY unterhält. Sie nahm die  Angebote vieler verschiedener Fitnessclubs an, die Aerobic-Kurse einzeln zu zahlen. Dabei wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie kurz davor war, an einem „ADHS“ (Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom) zu erkranken ... bis sie zur „Bar Methode“ fand, welche in vielen  Fitnessstudios von der Ost- bis zur Westküste angeboten werden. Sie kennen Deinen Namen, sie korrigieren Dich und Sie geben Dir das Gefühl, Teil eines Ganzen zu sein. Sie sehen Dich als Kunden, sind freundlich, nicht aufgesetzt, nicht einstudiert. Es geht um Interaktion und Motivation.

 

Es ist keine Frage, dass die soziale Komponente einen großen Teil der Mitgliedschaft ausmacht, sagte auch Frau Konrad. „Ich reise viel und wenn ich einen Yogakurs ausfallen lassen muss, werde ich beim nächsten Training gefragt:  Wo warst Du? Wir haben Dich vermisst.“ 

 

Eine Fitness-Enthusiastin Nancy, die für ein Jahr an einem Fitnessprogramm der Kette Orange Theory    teilgenommen hat, sagte sie findet Fitnesskurse einzeln zu bezahlen motivierender, als eine monatlich zu entrichtende Fitnessstudiomitgliedschaft. „Ich gehe zum Training weil ich hingehen will, nicht weil ich im Voraus bezahlt habe oder weil ich mich verpflichtet fühle, zu trainieren.“

 

 

Viele, eben auch enthusiastische Fitnesssportler, bemerken einen Stillstand bei ihren Trainingsfortschritten. Theodora ging 4-mal pro Woche in einen New York Sports Club. „Ich wusste, wie man ins Fitnessstudio kommt, aber ich wusste nicht,  wie ich ein Training so intensiv gestalten sollte, um meine 25 kg Übergewicht zu verlieren“. Ein Jahr lang probierte sie es mit einem Personal Trainer für 80 $ pro Stunde. Sie erlebte dabei, wie intensives Gewichtstraining ihren Körper zu formen begann. Inzwischen trainiert sie ohne Personal Trainer und variiert ihr Gewichtstraining mit Jogging, 30/60/90 Intervall-Training bei Equinox  und einem Marathon Boot Camp. „Ich möchte, auch langfristig, meine Motivation fürs Fitnesstraining nicht verlieren“.

 

Fazit: „Menschen, die Personal Training buchen und an Gymnastikkursen (Group Fitness) teilnehmen, neigen eher dazu, im Fitnessstudio über lange Zeit zu trainieren“, sagt Tony, ein Fitnessberater, der seit 35 Jahren in der Branche ist. „Aber viele Fitnessstudios verstehen es nicht, ihre Mitglieder in ihrem Training und ihrer Motivation zu unterstützten. Lieber hält man sich an: Kommen, trainieren, gehen.

Tony geht davon aus, dass nur jedes sechste Fitnessstudiomitglied überhaupt am Kursprogramm teilnimmt. Er staunte auch nicht schlecht, dass Fitnessstudios die Chance verpassen, Neueinsteiger in die Kurse zu leiten, die ihnen gefallen könnten. Im Gegensatz dazu beschäftigen die Yoga Works Studios  extra Yoga Lehrer für Anfänger.

 

Die Miramont Lifestyle Fitnessclubs, mit 3 Niederlassungen  bieten ein 8-Wochen Fitness-Kennenlernprogramm für 179 $ an. Und manche Fitnessdiscounter haben inzwischen einen Empfangsbereich, in dem Mitglieder sich treffen und verabreden können und in dem ein Gefühl von Gemeinsamkeit entstehen soll. Tony bezweifelt aber, dass dieser Aufwand Wirkung zeigt.

 

Nur ein Fünftel der Fitnessstudiomitglieder nehmen auch am Kursprogramm teil, sagt Frau Konrad. Und selbst in Qualitäts-Fitnessstudios investiert man immer noch zu viel in Cardiogeräte, statt in das Kursprogramm.

 

Dori, die für eine Immobilienfirma arbeitet, bezweifelt, dass ein modern gestaltetes Fitnessstudio Grund genug ist, auch dort zu trainieren. Sie beendete ihre Mitgliedschaft  in einem Luxus Fitnessclub auf der Upper East Side und wechselte zu den Exhale Spa (http://www.exhalespa.com/), um dort an Core Fusion Kursstunden viermal pro Woche  teilzunehmen .

 

Trotz der negativen Einschätzungen räumt ein Manager von Body Training Systems dem klassischen Fitnessstudio eine Überlebenschance ein: „Der Fitnessinteressierte ist von Zeit zu Zeit bereit, darüber nachzudenken, wofür er sein Geld ausgibt. Vielleicht fragt er nach einem Testmonat ohne Kosten oder für eine Bewertung seiner Fitness um seine Fortschritte zu erkennen.“   Tony schlägt dem Interessenten vor, den Fitnessclub zu fragen, was man dort  unternimmt, um Mitglieder für den Fitnessclub zu begeistern. Gibt es zum Beispiel ein Treffen für Neumitglieder, damit diese sich kennen lernen oder ähnliches? Er empfiehlt: „Wenn sie keine zufriedenstellende Antwort diesbezüglich erhalten, verlassen Sie den Club“.

 

Nur 15 % der amerikanischen Bevölkerung trainiert in Fitnessclubs. Wenn allerdings 85 % sagen, „ich glaube nicht, dass ich in einem Fitnessstudio trainieren würde“, dann müssen wir darüber nachdenken was wir (anders) machen sollten.



Eine Entwicklung, die falls sie auch in Deutschland Einzug halten sollte für die Fitnessbranche nichts Gutes bedeuet. Ein Jahresvertrag mit Mitgliedern ist schließlich eine Versicherung die laufenden Kosten langfristig abzusichern und auch die Gewinnchancen besser durchzukalkulieren:



FITNESSSTUDIOS OHNE VERTRAG:



Eine Stunde Training  bei Orange Theory (ein Franchisesystem mit zurzeit 3 Niederlassungen und geplanter Expansion für die gesamten USA)  beinhaltet  Laufband-Einheiten, Indoor-Rudern,  Krafttraining mit Gewichten und Suspension Coretraining  (Bsp.: TRX-Training) und kostet zwischen 14 und 20 US Dollar. Das Konzept spricht vor allem die Kunden an, die bereits in einem Fitnessstudio trainiert haben und dort vor allem aufgehört haben, weil sie nach einer gewissen Zeit keine Fortschritte mehr erzielten. Das Training bei Orange Theory ist abwechslungsreich, ein Entwicklungsstillstand  wird somit vermieden.



Hier schwarz auf weiß, oder besser orange, die Mitgliedschaften bei Orange Theory, die in diesem Fall KEINE BINDUNG UND KEINEN VERTRAG BEDEUTEN:

OrangeTheoryFitness



Quelle:  New York T imes Februar 2011

 

 

 

 

 

 

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