Körper-Klaus und Plauzen-Joe: Die „Experten“ des modernen Fitnessstudios

Körper-Klaus und Plauzen-Joe: Die „Experten“ des modernen Fitnessstudios

Kreuzkapelle am Westerwaldsteig
„Du musst deine Kohlenhydratzufuhr am Abend einschränken!“ verrät mir der leicht untersetzte, spaghettiärmelige Typ mit wichtigem Blick auf meine zitternden Beine, die gerade durch einen harten Satz Kniebeuge gequält wurden. „Denn abends lagerst du deswegen 38 Prozent mehr Körperfett ein!“ fährt die Gestalt fort, die man während seines gesamten Trainings mehr am Tresen und in der Café-Ecke, als an den Trainingsgeräten sieht.



Mit beiläufigem Kopfnicken speise ich den Hobby-Propheten, welcher sich unmittelbar an meinen Nebenmann an der Beinpresse, beladen mit 220 Kilo, wendet und diesem ein Gespräch über Vor- und Nachteile unterschiedlicher Neigungswinkel beim Arm-Training auf den Keks geht, ab.



Ich frage mich, an welch ausgeprägtem Realitätsverlust man leiden muss, wenn Quasimodo der trainierenden Bevölkerung die Welt des Trainings erklären will?! Dabei ist Training im Fitnessstudio eine denkbar einfache Sache: wir trainieren eine Übung, in der wir im Laufe der Zeit stärker werden und wachsen am größer werdenden Widerstand.



Unser kleiner untersetzter Freund der akademischen Halbwahrheiten scheint dies jedoch etwas missverstanden zu haben und nutzt die inflationäre Weitergabe seiner geistigen Ergüsse als astreinen Selbstbetrug. Für ihn selbst mag das erträglich sein, jedoch ist die Außenwirkung seines Handelns auf Trainingsanfänger oder zweifelnde Ambitionierte fatal. Wer viel über sein Training grübelt oder sich öfters Gedanken um einen optimalen Trainingsplan macht, wird leicht Opfer einer solchen Schwätzerei.



Trainingerfolg gründet auf den Säulen: Geduld und Beständigkeit. Niemand wird über Nacht zum Herkules. Es bedarf aber auch einer weiteren, wichtigen Eigenschaft: Ehrlichkeit. Ehrlichkeit zu sich selbst.



Und Hantelgewichte sind ein ehrlicher Freund: „Ich fand im Eisen meinen besten Freund. Es ist nicht unberechenbar und läuft niemals weg. Freunde kommen und gehen. Aber 100 Kilo bleiben immer 100 Kilo.“ (Henry Rollins).



Wer ehrlich zu sich selbst ist, weiß um seinen eigenen Trainingsstand, befolgt Ratschläge erfahrener Trainierender und hält sich im Missionieren von Anfängern zurück. Ehrlichkeit ist eine der am meisten unterschätzten Tugenden im Fitnessstudio. Wer ehrlich zu sich selbst ist, entlarvt die „Experten“ der heiligen Trainingshallen und verfolgt seinen eigenen Weg fern der Werbeversprechen und nachgeplapperten Pseudo-Wissens.



Wenn ein „Experte“ seinen Redeschwall mit möglichst vielen Fremdworten spickt, so täuscht dies meist über Unsicherheiten hinweg oder er versucht, sich mittels Fremd-Kompetenz ins rechte Licht zu rücken. Dabei sind die angepriesenen Methoden meist modeabhängig oder Extrakt eines kommerziellen Interesses.



Gerade für Trainingsanfänger ist es wichtig, zu widerstehen. Aus Angst und Unwissenheit lässt sich das meiste Geld machen: Firmen verkaufen ihre Ernährungszusätze durch die Angst der Trainierenden, nicht das Optimale aus ihrem Training herauszuholen oder gar Muskelmasse zu verlieren, Fitnessstudios verringern ihre Durchlaufzahlen mit dem Damoklesschwert des allseits anwesenden „Übertrainings“.



Werner Kieser, Begründer des „Kieser-Trainings“, fasste mit einem einzigen Satz in seinem Buch „Die Seele der Muskeln“ alles Wichtige zum Thema Training zusammen: „Der Mensch wächst am Widerstand.“



Der Mensch wächst weder durch Ernährungszusatz A, noch durch Präparat B und schon gar nicht durch „Kohlenhydrate nicht am Abend“ etc. - sondern allein durch den willentlich überwundenen Widerstand.



Wer mit Fachbegriffen um sich wirft, vernebelt die einfache Wahrheit harten Trainings, wer in immer breiter werdenden, ausgefallenen Trainingsmethoden sein Heil sucht, lässt zwangsläufig Tiefe vermissen.



Es liegt also an jedem Trainierenden selbst, ehrlich zu sein, seiner Umwelt gegenüber und sich selbst gegenüber, um damit ehrlichen Erfolg und ehrlichen Fortschritt zu erreichen!  

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