Über das Training, welches Arnold Schwarzenegger Pokale holen ließ
Wer kennt nicht die "steirische Eiche", den achtfachen Mr. Olympia - Mr. Arnold Schwarzenegger?! Dieses Urbild eines muskulösen Menschen regte vor allem in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Frage an, wie eine dermassene Masse an Muskulatur am menschlichen Körper überhaupt möglich sei.
Arnold Schwarzenegger als Vorbild
Nun will ich weder über die epische Einstellung dieses Athleten zum Bodybuilding-Sport referieren, noch in Abrede stellen, dass massenweise Dopingmittel für die Erreichung seiner Wettkampf-Siege nötig waren. Es soll heute darum gehen, wie Schwarzeneggers revolutionäre Art zu trainieren dafür sorgte, dass das allgemeine Leistungsniveau sprunghaft ansteigen konnte.
"Volumentraining"
Die Rede ist vom sogenannten "Volumentraining". Mit dem Begriff "Volumen" bezeichnet man im Sport die Gesamtzahl aller absolvierten Wiederholungen mit ihrem spezifischen Gewicht. Wenn man beispielsweise 5 Sätze zu je 10 Wiederholungen Bankdrücken absolviert hat, ergibt dies ein Volumen von 50 Wiederholungen.
“Hochvolumiges Programm
Schlauerweise könnte man nun einwerfen: egal, wie wenig man trainiert, immer hat man am Ende ein paar Wiederholungen gemacht, die ein gewisses Volumen ergeben! Das ist korrekt, deswegen bedeutet Schwarzeneggers Ansatz eigentlich ein hochvolumiges Programm. Eckpfeiler ist ein wesentliches Mehr an Wiederholungen im Gegensatz zu den vergleichbaren Trainingsplänen seiner damaligen Kollegen.
Wie Arnold aus der Not eine Tugend machte
Zu Arnolds Zeiten wurde meist im Stile der Gewichtheber trainiert, wenn es um maximale Muskelmasse ging: jeden Tag sehr schwere Übungen mit sehr wenig Wiederholungen. Absolute Stärke zählte den damaligen Athleten am meisten. Und auf diese Weise erlernte auch der 15-jährige Schwarzenegger den Sport. Bis zum achtzehnten Lebensjahr trainierte Arnold sehr schwer und nahm an Kraftwettkämpfen teil.
Acht Stunden Training am Tag
Dann kam die Zeit seines Armee-Dienstes. Aufgrund seiner guten Wettkampf-Bilanz musste er nicht am regulären soldatischen Dienst teilnehmen, sondern durfte trainieren. Einer Legende nach verhielt es sich aber so, dass ein Offizier auf Schwarzenegger achtgab, dass er die vollen 8 Stunden, die seine Kameraden Wehrdienst hatten, durchweg trainierte.
Das war mit schweren Gewichten natürlich nicht zu machen - und so ersann der junge Arnold ein System, nach welchem er zwar stundenlang trainieren konnte, sich aber dennoch nicht völlig kaputt machte.
Die Grundüberlegungen des Volumentrainings
- Muskeln wachsen durch lange Spannungszeiten. Folglich muss es möglich sein, sehr viele Wiederholungen machen zu können, ohne überzutrainieren.
- Es muss sichergestellt sein, dass das Training effektiv bleibt, obwohl man nicht einmal annähernd die Gewichte benutzt, zu denen man fähig wäre.
- Ein derart energieforderndes System verlangt nach Unmengen an Nahrung.
- Um sein Zentralnervensystem zu schonen, muss eine möglichst breite Vielfalt an Übungen, Griffvarianten und Belastungswinkeln existieren.
Um es zusammenzufassen kann man sagen, dass der Sinnspruch "Mehr ist besser" genau auf dieses Trainingssystem zutrifft.
Volumentraining in der heutigen Zeit
Noch heute gehört das Volumentraining zu den beliebtesten Arten aller Systeme. Es steht relativ am Ende aller Trainingsphilosophien, die man nach der Intensität einteilt. Den Anfang bilden Hochintensitätssysteme, die mit extremen Gewichten und Spannungen, dafür mit sehr niedrigen Wiederholungszahlen und sehr langen Pausen arbeiten, gefolgt von den reinen Kraft-Systemen wie 5x5 oder WestsideBarbell. Dann kommen Schnittmengen-Programme, wie Crossfit oder die typischen 3-Sätze-mit-12-Wiederholungen-Pläne für Anfänger, die eine gesunde Mischung aus Arbeitsgewicht und moderater Wiederholungszahl anstreben. Mit sinkendem Gewicht und steigender Wiederholungszahl landen wir dann beim Volumentraining, welches sich nur noch durch volumenlastige Hochfrequenzsysteme toppen lässt.
Die modernen Anhänger der Volumenstrategie splitten meist sehr hoch auf, das heißt, sie trainieren 5-6 Mal pro Woche, dabei jeden Tag eine andere Muskelgruppe. Anders lässt sich eine adäquate Beanspruchung der Muskulatur auch gar nicht erreichen, wenn die Gewichte derart niedrig sind.
Dass Volumentraining funktioniert, zeigt die Praxis
Weshalb ist das so? Damit der Körper Veranlassung sieht, seine Muskulatur zu erweitern, müssen die Anforderungen an selbige steigen. Und das ist im Volumentraining denkbar einfach:
- mehr Sätze pro gewählter Übung
- mehr Wiederholungen pro Satz durch niedrigeres Gewicht = Erhöhung der Gesamt-Tonnage
- mehr Gewicht pro Satz durch gestiegenes Kraftniveau (das sollte oberstes Ziel sein)
- höhere Frequenz (= mehr Trainingstage pro Woche, höhere Aufsplittung möglich)
- mehr Übungen (Schonung des ZNS durch geänderte Griffweiten und Belastungswinkel)
Es zählt immer das pro Woche verwendete Gesamtgewicht, welches sich aus Gesamtwiederholungszahl x Arbeitsgewicht der jeweiligen Übung zusammensetzt. Das Endprodukt nennt man Tonnage oder "Load". Der Load sollte wöchentlich, mindestens aber zweiwöchentlich steigen, um Anpassungsreaktionen hervorzurufen.
Achtung, Übertraining!
Im Volumenansatz ist es sehr einfach, sich zu überschätzen. Viel zu schnell verwendet man Gewichte, die auf Dauer einfach zu schwer sind. Dies führt zu Überreizungen, Burnout des ZNS und Sehnenüberlastungen. In aller Regel muss ein Gewicht verwendet werden, dass 70% des maximal Möglichen nicht übersteigt, tendenziell weniger.
Und die Vorteile?
Mal davon abgesehen, dass dieses System für viele Trainierende funktioniert, existieren 2 sehr gewichtige Pros:
1. Pump
Durch hohe Spannungszeiten wird der Muskel sehr lang abgeschnürt. Er lechzt wie ein ausgetrockneter Schwamm nach Blut, welches angefallenes Laktat ab- und frischen Sauerstoff antransportiert. Das Blut staut sich vor dem arbeitenden Muskel und wird bei Abbruch des Satzes schwallartig hineingedrückt. Dies nennt man Pump. Erhält man im Volumentraining keinen Pump, so reicht entweder die vorhandene Muskulatur nicht aus (dann sollte man erstmal stärker werden), oder man trifft gar nicht den Zielmuskel (dann ist Techniktraining dran!).
2. Geist-Muskel-Verbindung
Die niedrigen Arbeitsgewichte erlauben eine äußerst konzentrierte, beherrschte Kontraktion. Im Zusammenhang mit der Dehnung und dem darauffolgenden Pump erlangt man hohe Fertigkeiten auf dem Gebiet der neuronalen Anpassung. Die vielen Wiederholungen garantieren eine lange Übungszeit.
Wem nützt dieses System?
Für Anfänger ist es noch nicht uneingeschränkt weiterzuempfehlen, da die mangelnde Technik auf die langen Belastungszeiten schnell zu Verletzungen führen kann. Außerdem ist das Kraftniveau meist zu niedrig, so dass die verwendeten Gewichte gar nicht ausreichen, um relevante Wachstumsreize setzen zu können. Das Workout artet dann in Ausdauersport aus.
Wer stark werden WILL,
ist mit dem Volumentraining ganz schlecht beraten. Die Anzahl der Reize und Übungen ist einfach viel zu hoch, um schweres Training auch nur annähernd tolerieren zu können. Wer hingegen bereits stark IST, für den kann das Absolvieren niedrigerer, aber vermehrter Spannungen nicht nur ungeahntes Wachstum bedeuten, sondern auch ein Ausheilen von Reizungen durch zu hohe Lasten auf den Gelenken.
Auch wer sehr hoch motiviert ist, aber nicht unbedingt auf Schmerz steht, ist hier richtig. Gerade junge Männer, die noch ohne familiäre oder berufliche Verpflichtungen in den Tag hineinleben können, erleben möglicherweise eine der schönsten Zeiten ihres Lebens mit endlosem Training, unendlich Essen ohne Fettwerden und völliger Unabhängigkeit von Internet, Fernsehen und Co. Im Gym sind schon Freundschaften entstanden, die in stundenlangen Bein-Workouts geschmiedet und nie auseinandergegangen sind. Extrem fokussiertes, hochkonzentriertes Intensitätstraining ist da eher nicht so sozialförderlich!
Einen ganz besonderen Vorteil des Volumentrainings haben endomorphe Typen - also Menschen, die zum Fettansatz neigen. Solche Typen sind meist von Natur aus recht stark, so dass sie extrem vom angeheizten Stoffwechsel, den hochvolumige Trainingseinheiten provozieren, profitieren. Sie müssen es nur schaffen, sich vom Sofa hochzubequemen!
Zusammenfassung
Mit dem Volumentraining steht dem Intensitätstraining eine gleichwertige Trainingsphilosophie gegenüber, wenn es darum geht, dass ein Anfänger ins Fortgeschrittenen-Stadium wechselt. Solange man darum weiß, dass man sich mit zu schweren Gewichten nicht gern überlastet, bietet das Volumentraining alles, was ein echter Bodybuilding-Genießer braucht: lange Trainingseinheiten, viele Übungen, hohe Splits und eine Aussicht auf starken Pump.
Wenn ich mit Intensitätstechniken nicht so gute Fortschritte machen würde, dann würden mich all diese Vorteile sofort ins Volumen-Lager wechseln lassen! In diesem Sinne
Sport frei, Euer
Patrick Raabe