Manchmal werden im Fitnessbereich den Kunden falsche oder nur teilweise richtige Informationen weitergegeben und dadurch Erwartungen geweckt, die nicht zu erfüllen sind. Beispiele: Die Aussage, durch den Aufbau von Muskelmasse werde der Grundumsatz stark angehoben; durch das Weglassen von Kohlenhydraten könne man abnehmen; durch .Functional Training" entwickle man einen athletischen Körperbau. In diesem Artikel werden diese drei Beispiele untersucht und die Fakten von den Mythen getrennt.
Dank Muskelmasse zu mehr Grundumsatz
Nicht wenige Trainer raten ihren Kunden Muskelmasse aufzubauen, denn durch das mehr an Muskelmasse würde sich der Grundumsatz beschleunigen. Die versprochene Folge: Man kann mehr essen und nimmt trotzdem nicht zu, weil der Körper mehr Energie benötigt als vorher. Ist das wirklich so? Hier die für manchen deprimierende Antwort:
Unter Grundumsatz versteht man die Menge an Energie, die unser Körper selbst dann braucht, wenn er sich nicht bewegt. Gemessen wird der Grundumsatz daher liegend bei angenehmer Raumtemperatur. Von der Muskulatur wird in der gängigen Fitnessliteratur häufig behauptet, dass sie den Grundumsatz anhebe. Dabei kursiert die Zahl von 100 - 150 kcal pro Kilogramm Muskulatur. Die Logik ist dann häufig:
Man baut 5 Kilogramm Muskeln auf und kann dann jeden Tag 500 bis 750 kcal mehr essen, bzw. nimmt dann ab, wenn man nur so weiter isst wie bisher. Wäre ja schön, wenn dem so wäre, ist es aber leider nicht. Woher die Zahl von 100 kcal stammt, lässt sich nicht nachvollziehen. Eines ist jedoch sicher: Aus der wissenschaftlichen Literatur stammt sie mit Sicherheit nicht, denn die dort genannten Zahlen sind weitaus geringer. Im Schnitt kommen die Untersuchungen auf einen Mehrverbrauch von 10 maximal 20 kcal pro Kilogramm Körpergewicht. Sprich: 5 Kilogramm Mus-kelmasse sorgen in Ruhe eben nur für einen Mehrverbrauch von 50 bis maximal 100 Kilokalorien. Ist zwar zunächst deprimierend, steht aber im Einklang mit den Erfahrungen aus der Praxis.
Bei der Fettreduktion ist Krafttraining zwar notwendig, um den Abbau von Muskelmasse zu verhindern, bringt aber ohne gleichzeitige Ernährungsänderung keine oder nur kaum Ergebnisse betreffend Fettabbau. Dennoch sollte auf ein Krafttraining niemals verzichtet werden, denn zum einen erhält Krafttraining während einer Diätphase die Muskelmasse und sorgt so dafür, dass der Grundumsatz nicht allzu sehr absinkt. Zum anderen stabilisiert Muskulatur unsere Gelenke und trägt so dazu bei, dass sich unsere Kunden im Alltag und beim Sport besser bewegen können.
Athletischer Körperbau durch "Functional Training"
Ein Fitnesstrend aus den USA, der allmählich auch in Deutschland bzw. in ganz Europa ankommt, ist das sogenannte .Functiorial Training". Nicht klar ist allerdings, was unter "Functional Training" tatsächlich zu verstehen ist. Für die einen sind es Übungen mit Kettlebeils, für die anderen Körpergewichtsübungen und für wieder andere Übungen an Trainingsgeräten wie einem Schlingentrainer.
Die genannten Vorteile sind anwendbare und funktionelle Kraft sowie die Entwicklung eines athletischen Körpers. Jetzt die Preisfrage: Sind diese Aussagen wahr? Es kommt wie immer darauf an, unter welchem Blickwinkel man die Sache betrachtet. Was sicher richtig ist, ist, dass Übungen, bei denen man den Körper selbst stabilisieren muss, näher an den tatsächlichen Anforderungen des Sportbereichs liegen. So wird beispielsweise beim Kettlebell-Swing eine dynamische Streckung in Knie- und Hüftgelenk gleichzeitig durchgeführt und dabei muss der Rücken noch stabilisiert werden. Damit entspricht ein KettlebeIlSwing sicher eher einer sportlichen Bewegung als Übungen wie Beinstrecker und Glutaeusmaschine.
Aus diese' Perspektive sind viele der sogenannten "funktionellen Übungen" tatsächlich funktioneller als viele Maschinen- une Isolationsübungen. Kann mit dieser Übungen - wie vielfach versprocher - auch ein athletischerer Körper aufgebaut werden als mit konventioneller Übungen? Bevor diese Frage beantwortet wird, eine andere Frage:
Kann mit Training die genetisch festgelegte Form eines Muskels verändert werden?
Klare Antwort: nein. Durch Training kann bewirkt werden, dass man ein Muskeldickenwachstum erzielt. Man endet also mit einem grösseren, von der Form aber identischen Muskel. Ob die Gesamtmuskulatur eines Körpers dann harmonisch oder athletisch aussieht, hängt dann erstens davon ab, inwieweit sich die einzelnen Muskelgruppen verdicken lassen und zweitens, wie das Trainingsprogramm gestaltet wird. Wer kennt nicht auch beispielsweise Trainierende mit muskulösem Oberkörper und dünnen Beinen? Ob die Beine zum Oberkörper passen, hängt also von den Erbanlagen ab und auch davon, ob und wie sie trainiert werden. Zurück zur Frage, ob durch "funktionelles Training" ein athletischer Körper entsteht. Nicht mehr oder weniger, als durch ein klassisches Krafttraining an Hanteln oder Maschinen. Denn die Form eines Muskels ist, wie eben beschrieben, genetisch vorbestimmt und lässt sich durch keine Übung der Welt verändern.
Kurzum: Den Körper eines Athleten kann man sowohl mit "funktionellem Training" als auch mit klassischem Krafttraining entwickeln. - Klassisches Krafttraining an Maschinen hat gegenüber funktionellem Training sogar bei der Körperentwicklung den Vorteil, dass man jeden Muskel gezielt isoliert entwickeln kann.
Das ist ja der Ausgangspunkt für die Isolationsübungen und auch Maschinen im Bodybuildingtraining. Sportartspezifisch gesehen ist also ein Kurzhantelcurl für einen Bodybuilder durchaus funktionell. Die Auswahl von Trainingsübungen sollte man daher auf die Ziele des Kunden abstimmen und sich nicht von Modetrends leiten lassen. Wer in verschiedenen Sportarten aktiv ist, findet in "funktionellem Training" mit Sicherheit Übungen, die nicht nur Kraft, Muskeln und Koordination aufbauen, sondern wird diese Fähigkeiten auch besser auf andere Sportarten übertragen können als jemand, der eher Isolationsübungen und Maschinen trainiert. Wenn es einem Kunden ausschliesslich um kosmetische Effekte durch Krafttraining geht, ist dieser auch mit klassischen Bodybuildingprogrammen und Isolationsübungen gut bedient.
Low-Carb-Mythen
In 95% aller Fälle von Übergewicht ist die Ursache schlicht und einfach das Missverhältnis zwischen Kalorienaufnahme und Kalorienverbrauch. Nicht wenige selbst ernannte Diätexperten oder auch obskure Werbeanzeigen versprechen das genaue Gegenteil nach dem Motto: "Essen Sie soviel Sie wollen und verlieren Sie Gewicht!" Zugegeben: Striktes Kalorienzählen hat einige Nachteile. So wird beispielsweise häufig die Kalorienaufnahme unterschätzt, der Verbrauch dagegen überschätzt. Zusätzlich ist Kalorienzählen mühsam und aufwendig. Vor allem die Hardcore-Anhänger der Low-Carb-Ernährung behaupten häufig mönchsgleich, dass man nur komplett auf alle Kohlenhydrate verzichten müsste und schon nimmt man ab, egal wie viel Kilokalorien man isst. Auch wenn LowCarb-Ernährung einige Vorteile bietet, so ist eine solche Aussage schlichtweg falsch und zeugt entweder von extremem Unwissen und Ignoranz sämtlicher wissenschaftlicher Fakten, oder aber von einem bewussten Verdrehen der Wahrheit, um mehr Bücher, Programme oder Sonstiges zu verkaufen.
Vielfach ist zu lesen, dass zu viel zugeführte Kohlenhydrate ganz einfach zu Fetten umgewandelt und dann ins Fettgewebe geschleust werden. Das ist zwar physiologisch möglich, jedoch meistens relativ unwahrscheinlich. Der Grund dafür ist folgender: Es muss eine extrem grosse Menge KOhlenhydrate zugeführt werden, um die Fettneubildung aus Kohlenhydraten anzukurbeln. Unter einer grossen Menge sind in diesem Fall ca. 500 Gramm KOhlenhydrate zu verstehen. Dass Kohlenhydrate also direkt in Fett umgewandelt werden, ist eher unwahrscheinlich. Nachdem dieses Argument nicht taugt, wird dann schnell das nächste aus dem Hut gezaubert: "Es liegt ja nicht an den Kohlenhydraten selbst, sondern am Insulin das durch sie ausgestossen wird."
Komplett ignoriert wird dabei einerseits die Tatsache, dass auch Protein einen Insulinausstoss bewirkt, der teilweise sogar recht hoch ausfallen kann. Andererseits kann Fett auch ohne Insulin ins Fettgewebe eingelagert werden über ein Enzym Namens Acylation-Stimulating Protein (ASP). Auch bei wissenschaftlichen Studien zur Gewichtsreduktion führten bei gleichem Kaloriendefizit niedrigere Insulinwerte nicht zu einem grösseren Abbau an Körperfett.
Was letzten Endes Fett macht, ist das Zuviel an Energie, dass die meisten zuführen.
Hier einmal ein Blick auf das Gesamtbild in den USA, die ja Vorreiter sowohl in Übergewicht als auch in LowCarb-Ernährung sind. Ein schönes Abbild der Ernährungswirklichkeit liefert dort der Economic Research Service. Eine Einrichtung, die seit mehreren Jahrzehnten Daten über den Verzehr von Lebensmitteln anhand der verkauften Mengen sammelt. Die jüngste Veröffentlichung, die die Verzehrmengen an Lebensmitteln aus den Jahren 1970-2007 auflistet, offenbart dabei für die USA Bemerkenswertes: Der Verzehr von Fleisch, Eiern, Nüssen und Molkereiprodukten hat seit 1970 um 3 bzw. 4 Prozent abgenommen. Der Verzehr von Obst und Gemüse ist seit den 70er-Jahren etwa konstant geblieben. Der Konsum von Mehl und Getreideprodukten hat um 3 Prozent zugenommen, ebenso wie die Zufuhr an anderen Nahrungsfetten, um 7 Prozent angestiegen ist. Alles in allem nichts Auffälliges bei den Nährstoffen.
Warum sind dann die Amis aber so dick geworden? Ganz einfach: Die durchschnittliche Zufuhr an Kalorien hat seit 1970 um 603 Kilokalorien zugenommen. Gleichzeitig hat höchstwahrscheinlich die körperliche Aktivität abgenommen. Das Ergebnis: Die zu viel zugeführten Kalorien setzen sich an Hüften, Bauch und Gesäss nieder.
Mit dieser Statistik lässt sich zeigen, dass es nicht ein einzelner Nährstoff ist, der dick macht, sondern die insgesamt zu hohe Zufuhr an Kilokalorien. Das ist genau der Fakt, der von vielen Ernährungsgurus unterschlagen wird: Um abzunehmen, braucht es immer ein Kaloriendefizit, egal ob Kohlenhydrate oder Fette qernieden werden. Daher ist der wichtigste Punkt für alle, die abnehmen Wollen: Es muss ein Kaloriendefizit her.
Wenn ein Kunde Körperfett verlieren möchte, muss ein Weg gefunden werden seine zugeführte Kalorienmenge zu verringern und möglichst seinen Verbrauch zu erhöhen. Wenn dies jemandem mit einer Low-Carb-Ernährung besser gelingt, dann hat er für sich die passende Ernährungsform gefunden. Das bedeutet jedoch nicht, dass dies bei einigen nicht auch mit einer Ernährung möglich ist, die mehr Kohlenhydrate liefert.
Harald Gärtner, Jg. 1970, Diplomsportwissenschaft - ler Uni Tübingen. MBA FH Reutlingen, NLP-Master (DVNLP). Referent & Dozent BSA-Akademie & Deutsche Hochschule für Prävention & Gesundheitsmanagement (DHfPG), Fachautor. gaertner.harald@web.de Träger Strenflex GOLD 73
Veröffentlcht mit freundlicher Genehmigung des größten Fitnessfachmagazin der Fitnessbranche, der FITNESSTRIBUNE.
Event des Stuttgarter Netzwerkes und der Württembergischen Versicherung
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