Um Empfehlungen für die Ernährung bei längerdauernden Belastungen zu verstehen, müssen die Grundlagen der Muskelphysiologie und der körperlichen Leistung als bekannt vorausgesetzt werden. In diesem Artikel wird, basierend auf den Kenntnissen der Muskelarbeit und der Energiegewinnung, eine aktuelle Empfehlung für die Ernährung für langdauernde Belastungen zusammengestellt.
In einem ersten Teil wird auf die Bedeutung von Kohlenhydraten und Fetten vor sowie während einer Ausdauerbelastung eingegangen. In einem zweiten Teil wird das Problem des Wasser- und Elektrolytverlustes sowie deren Substitution unter längerdauernder Belastung näher beleuchtet.
Allgemeine physiologische Grundlagen
Als körperliche Leistung oder Leistungsfähigkeit wird die Fähigkeit des Menschen bezeichnet, mit seinen Muskeln physikalisch gesehen Arbeit und somit auch Leistung durchzuführen. Die körperliche Leistungsfähigkeit besteht aus verschiedenen Komponenten wie Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und Koordination. Basiskomponenten der körperlichen Ausdauerleistungsfähigkeit sind die Energiebereitstellung durch aerobe und anaerobe Prozesse, neuromuskuläre Funktionen wie Kraft und Technik sowie psychologische Faktoren wie Motivation und Taktik.
Eine Ausdauerleistung als körperliche Arbeit bedeutet Energieumsatz pro Zeit. Die Basis jeder sportlichen Leistung stellt die Fähigkeit des Körpers dar, die richtige Menge an Energie am richtigen Ort zur richtigen Zeit bereitzustellen und ihren Umsatz den spezifischen Anforderungen des jeweiligen Ablaufes entsprechend zu steuern.
Die Quelle aller Energie auf der Erde ist die Sonne. Pflanzen nutzen diese Energie, um aus den Elementen Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff die energiereichen Verbindungen Kohlenhydrate, Fette und Eiweisse zu synthetisieren. Die Nahrungsmittel aus diesen Verbindungen enthalten somit gespeicherte Energie. Der Mensch nimmt sie mit seiner Nahrung auf, baut sie im Verlaufe des Verdauungsprozesses zu kleinen Untereinheiten ab, resorbiert diese und transportiert sie in die Körpergewebe, in denen sie entweder einer direkten Nutzung zur Bereitstellung biochemischer Energie zugeführt oder in andere komplexere Formen um- und aufgebaut werden, die entweder der Synthese von Geweben oder der Speicherung zum Zwecke einer späteren Energiebereitstellung dienen.
Die Energiegewinnung und die Bedeutung des ATP
Die Energie für zelluläre Prozesse wie die Muskelkontraktion wird ausschliesslich aus der Spaltung des energiereichen Adenosintriphosphat (ATP) in Adenosindiphosphat (ADP) und freies Phosphat (P) bereitgestellt und geliefert (Abbildung 1).
Im ATP ist Adenosin mit 3 Phosphatmolekülen verbunden. Die Bindungen zu den 2 äusseren Phosphatresten sind ausserordentlich energiereich und geben bei Hydrolyse eine Energie von 30 bis 35 kJ frei. Die freiwerdende Energie steht den Zellorganellen frei und ermöglicht eben in der Muskelzelle die Kontraktion der Faser.
Das ATP befindet sich im Zytoplasma der Muskelfaser. Da die ATP-Reserven in der Muskelfaser mit 5.5 bis 6 mmol/kg Muskelfeuchtgewicht sehr gering sind, muss das ATP dauernd aus den Spaltprodukten ADP und P resynthetisiert werden. Die chemisch gespeicherte Energie im Körper kann nur über das ATP freigesetzt werden. Alle anderen Energiespeicher können nicht direkt genutzt werden, sondern dienen dazu, das verbrauchte ATP zu resynthetisieren. Die ATP-Resynthese erfolgt durch aerobe und anaerobe Prozesse (Abbildung 1).
Legende zu Abbildung 1:
Die energiereiche Verbindung ATP wird aus dem oxidativen Abbau von Fett sowie Glykogen zu CO2 und H2O im Mitochondrium aus ADP und P resynthetisiert (Aerobe ATP-Resynthese oben). Im Zytoplasma der Muskelzelle erfolgt der anaerobe Abbau von Glykogen zu Laktat sowie von Kreatinphosphat zu Kreatin und Phosphat ebenfalls zur Resynthese von ATP aus ADP und P (Anaerobe ATP-Resynthese unten).
Aerobe ATP-Resynthese
Die aerobe ATP-Resynthese erfolgt durch die Oxidation von Kohlenhydraten und Fetten. Aus den Kohlenhydraten wird Energie gewonnen durch die Oxidation von Glukose aus dem Blut sowie den Glykogendepots in Muskel und Leber. Aus den Fetten wird ebenfalls Energie gewonnen. Entweder werden Fettsäuren aus dem Blut, die aus dem Abbau von Fettgewebe oder aus den Nahrungsfetten stammen, dafür verwendet. Analog zu den Glykogendepots in der Muskelfaser können auch intramuskuläre Triglyzeriddepots zur Energiegewinnung genommen werden.
Im Gegensatz zu den anaeroben Prozessen, die im Zytoplasma stattfinden, läuft die Oxidation der Glukose und der Fettsäuren im Mito-chondrium der Zelle ab. Die aeroben Stoffwechselprozesse verlaufen wegen der aufwendigen Energiegewinnung durch die Oxidation langsam und bilden pro Zeiteinheit wenig ATP. Dafür stehen diese Energiesubstrate in grösserer Menge zur Verfügung (Tabelle 1). Die Kohlenhydrate in Form von Glukose und die Fette in Form von Fettsäuren müssen beide über mehrere Schritte in die aktivierte Form der Essigsäure, das Azetyl-Koenzym A, überführt werden (Abbildung 2).
Beim Abbau der Glukose erfolgt dies über den Weg der anaeroben Glykolyse bis zu Pyruvat. Das Pyruvat wird danach durch Oxidation und Decarboxylierung zum Azetyl-Koenzym A umgebaut. Die Fettsäuren werden durch die ß-Oxidation jeweils in Bruchstücke von 2 C-Atomen aufgetrennt und dann ebenfalls zum Azetyl-Koenzym A aktiviert. Im Zitratzyklus in den Mito-chondrien wird das aus beiden Abbauwegen gewonnene Azetyl-Koenzym A zu Kohlendioxid und Wasser abgebaut. Die in der Atmungskette freiwerdenden Wasserstoffatome werden dabei mit molekularem Sauerstoff aus der Atmungsluft oxidiert und die freigesetzten Elektronen unter Abgabe von Energie in der Atmungskette auf den molekularen Sauerstoff übertragen. Dieser bildet dann zusammen mit den Protonen Wasser. Die gewonnene Energie wird nach Phosphorylierung von ADP zu ATP in chemisch verfügbare Energie umgewandelt (Abbildung 2).
Legende zu Abbildung 1:
Kohlenhydrate und Fette werden über getrennte Wege zu Azetyl-Koenzym A abgebaut und dann in den Zitratzyklus eingeschleust. Im Zitratzyklus wird das Azetyl-Koenzym A zu Reduktionsäquivalenten abgebaut, die dann in der Atmungskette mit O2 unter CO2-Produktion zu H2O oxidiert werden. Die freiwerdende Energie wird in den ATP gespeichert, die dann der Zelle zur Verfügung stehen.
Anaerobe ATP-Resynthese
Die anaerobe Resynthese von ATP findet grundsätzlich nur dann statt, wenn keine ausreichende aerobe Deckung des Energiebedarfs möglich ist. Sie erfolgt durch die Aufspaltung von Kreatinphosphat (KrP) zu Kreatin und Phosphat sowie des anaeroben Abbaus von Glukose unter Bildung von Laktat. Im Gegensatz zur aeroben ATP-Resynthese, die im Mitochondrium stattfindet, erfolgt die anaerobe ATP-Resynthese im Zytoplasma der Muskelzelle und liefert viel schneller Energie, die aber zeitlich und mengenmässig deutlich limitiert ist.
Energiebilanz der aeroben ATP-Resynthese
Der Abbau von Fetten liefert deutlich mehr energiereiche Phosphate als der Abbau von Kohlenhydraten. Wird etwa 1 mol Palmitinsäure (C 16-Fettsäure) zu 16 mol CO2 in der ß-Oxidation und dem Zitronensäurezyklus sowie der Atmungskette abgebaut, so entstehen 130 mol ATP, wobei 35 mol ATP aus der ß-Oxidation und 95 mol ATP aus Zitratzyklus und Atmungskette resultieren. Da das Fettsäuremolekül aber weniger Sauerstoff als das Glukosemolekül aufweist, wird für den vollständigen Abbau der Fette deutlich mehr Sauerstoff als für den Abbau der Kohlenhydrate benötigt. Im Vergleich dazu liefert 1 mol Glukose nur 36 mol ATP. Aber die Kohlenhydrate haben eine höhere ATP-Resyntheserate als die Fette!
Energiebilanz der anaeroben ATP-Resynthese
Die anaerobe Energiefreisetzung aus Glukose ist unökonomisch, denn pro Glukoseeinheit wird nur ein Bruchteil der Energie frei, die durch Oxidation gewonnen werden könnte. Aus 1 mol Glukose werden nur 2 mol ATP gewonnen, also rund 20 x weniger ATP als durch die aerobe Glykolyse. Andererseits erfolgt jedoch die anaerobe ATP-Resynthese durch die anaerobe Glykolyse wesentlich schneller als die aerobe ATP-Resynthese.
Durch die anaerobe Glykolyse kommt es unweigerlich zu einer Anhäufung von Laktat. Das Laktat steht in einem Gleichgewicht zu Pyruvat und je nach Geschwindigkeit des Prozesses kommt es nicht zu einem übermässigen Laktatanstieg in der Muskelzelle. Zudem diffundiert das Laktat aus der Muskelzelle ins Blut und kann in der Leber und im Herzmuskel weiter abgebaut und zur weiteren Energiegewinnung verwendet werden. Da die Eliminationsrate des Laktats aus dem Blut bei 0.5 mmol/l/min liegt, ist dieser Mechanismus limitiert. Der zunehmende Laktatanstieg trotz Kompensation des pH-Abfalls über Puffersysteme wie Bikarbonat, Hämoglobin, Plasmaeiweisse und Phosphate hemmt durch das saure Milieu das Schrittmacherenzym der Glykolyse, die Phosphofruktokinase, und schränkt die anaerobe Glykolyse stark ein.
Die Speicherung der energiereichen Substrate
Kohlenhydrate und Fette können im Körper in sehr unterschiedlichem Masse gespeichert werden. Die in Form von Kohlenhydraten gespeicherte Energie ist wesentlich geringer als die des Fettes (Tabelle 1). Die Glykogenmenge von rund 400 g in der Muskulatur und 100 g in der Leber enthält insgesamt nur etwa 2 % der in den Fettdepots gespeicherten Energie. Das Muskelglykogen liegt in Form von Körner im Zytoplasma der Muskelzelle nahe bei den Mitochondrien, wobei diese muskulären Depots im Alltag kaum angegriffen werden im Gegensatz zum Leberglykogen, das fast völlig entleert werden kann.
Die Leberdepots bilden somit eine Kohlenhydratreserve, die auch von anderen Geweben wie zum Beispiel vom Gehirn in Anspruch genommen werden kann. Das Leberglykogen dient der Aufrechterhaltung der Glukosekonzentration im Blut. Die Fettdepots in der Skelettmuskulatur liegen bei etwa 300 g je nach Trainingszustand. Die langsam kontrahierenden, mitochondrienreichen Typ I-Muskelfasern enthalten dabei mehr intramuskuläre Lipiddepots als die stark glykolytischen Typ II-Fasern, wobei die Lipiddepots in Tropfenform nahe den Mitochondrien liegen wie die Glykogendepots. Das Subkutanfettgewebe kann je nach Ernährungs- und Trainingszustand sehr unterschiedlich ausgebildet sein.
Der Substratverbrauch bei Belastung
Im Rahmen des Trainings und des Wettkampfes ist die Höhe der Belastungsintensität vor allem für den Ausdauersportler von entscheidender Bedeutung. Seit Ende der Vierziger-Jahre ist bekannt, dass der Verbrauch der gespeicherten Energiesubstrate von der Belastungsintensität und der Belastungsdauer abhängig ist, wobei auch die Ernährung den Verbrauch der gespeicherten Kohlenhydrate und Fette beeinflusst. Die Energie für eine Ausdauerleistung wird ausschliesslich aus der Oxidation von Kohlenhydraten und Fett gewonnen, wobei Fett gerade bei Belastungen tiefer Intensität über längere Zeit den grösseren Anteil an der Energielieferung liefert als die Kohlenhydrate.
Bei einer längerdauernden Belastung wird in der Anfangsphase der Belastung wohl über ein Drittel der benötigten Energie durch die Kohlenhydratoxidation geliefert, mit zunehmender Dauer der Belastung fällt dieser Anteil zugunsten der Fettoxidation auf etwa einen Fünftel ab. Bei mittleren bis hohen Intensitäten kann nicht genügend Energie aus der Fettoxidation bereitgestellt werden und es muss zusätzlich Energie aus der Oxidation von Kohlenhydraten geliefert werden. Eiweiss wird in der Regel nicht für die Energiegewinnung verbraucht, da der Anteil an der Energielieferung je nach Belastungsintensität bei maximal 1 bis 2% liegt.
Somit sind die Quellen für die Energieproduktion für eine körperliche Leistung die Kohlenhydratdepots in Leber und Muskulatur, die Fettdepots im Subkutanfettgewebe und Muskulatur sowie die im Blut zirkulierende Glukose und Fettsäuren.
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Foto courtesy: MeridianSpa Hamburg Alstertal
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