Es gibt zwei hauptsächliche Wege, um den Körper durch Training zu Muskelwachstum zu bewegen: den einen über die Höhe der Spannung (= Arbeitsgewicht) und den anderen über Dauer der Spannung (= Wiederholungszahl). Beides ist in einem gewissen Rahmen erforderlich und wenn man sich an die bekannte Regel "3 Sätze zu je 8-12 Wiederholungen pro Übung bei 3-4 Übungen pro Muskelgruppe" hält, liegt man schonmal nicht verkehrt.
Wenn man beim Fitnesstraining an seine Grenzen stößt
Doch wie das immer so ist, wird man irgendwann an seine Grenzen stoßen. Konnte man sich als Anfänger noch mühelos steigern, stagnieren irgendwann die Fortschritte und man muss einigen Aufwand an Ernährung und Trainingsplanung betreiben, um weiter voranzukommen. Mit der Zeit limitiert man sich bei der Vorgehensweise "3 Sätze zu je 8-12 Wiederholungen" allerdings selbst. Ich will erklären, weshalb das so ist.
Man zittert, wird langsam, kraftlos, oder/und der Muskel brennt.
Kommt man am Ende des Trainingssatzes zur letzten Wiederholung, dann fängt man an zu zittern, wird langsam, kraftlos, oder/und der Muskel brennt. Wir sind am Ende. Das ist soweit nichts Schlimmes - erst wenn man von Training zu Training, von Woche zu Woche oder gar von Monat zu Monat keine Steigerungen mehr erreichen kann, weil die Erschöpfung immer am gleichen Punkt kommt, schadet man sich mit übertriebenen Anstrengungen, Partnerhilfe und erzwungenen Wiederholungen selbst. Das Zentralnervensystem ist am Ende, braucht eine immense Regenerationszeit und ist nicht imstande, mittels stärkerer Rekrutierung der Muskelfasern einen für den Wachstumsreiz notwendigen Kraftausstoß zu fabrizieren.
Der Muskel erstickt quasi an mangelndem Sauerstoff
Grund: Ab 50 Prozent der maximal vom betreffenden Muskel erzielbaren Kraft schnürt dieser sich selbst zu. Das heißt, es fließt kein Blut während der Kraftleistung durch ihn hindurch, welches Laktat und andere Abfallstoffe ab- oder neue Energie und Sauerstoff antransportieren könnte. Der Muskel erstickt quasi an mangelndem Sauerstoff und fängt an zu brennen wegen des angehäuften Laktats. Je stärker man wird, umso unwahrscheinlicher ist es, mit diesem Vorgehen einen adäquaten Wachstumsreiz zu setzen, denn je größer die Kraft, umso mehr Laktat wird produziert und umso mehr Sauerstoff wird vebraucht.
Kleine Erholungspausen während des aktiven Arbeitssatzes!
Die Lösung: kleine Erholungspausen während des aktiven Arbeitssatzes! Es ist ein allgemeiner Irrtum, dass für einen Wachstumsreiz durchgängige Wiederholungen im Laufe eines Satzes gemacht werden müssen. Es existiert eine Karenzzeit, die von Wiederholung zu Wiederholung bestehen kann, ohne die kumulierte Spannungsdauer zu gefährden. Die Studienlage widerspricht sich da etwas, ich gehe vorsichtshalber circa von 20 - 30 Sekunden aus. Es gab allerdings Untersuchungen mit 60 (!) Sekunden Pause zwischen den einzelnen Wiederholungen, die dennoch zu Muskelwachstum führten - allerdings bei vorher untrainierten Probanden. Das sind wir nicht.
Die Grundlage des Cluster-Trainings
Die Grundlage des Cluster-Trainings ist also, dass dem Muskel während der Arbeitszeit kleine, lohnende Pausen gewährt werden, die den Blutfluss ermöglichen sollen. Darüber hinaus erhalten die muskulären Mitochondrien (die "Kraftwerke" des Muskels, welche Energie produzieren und bereitstellen) eine Möglichkeit, dringend benötigtes ATP (Adenosintriphosphat - "Energie") herzustellen.
Wie eingangs erwähnt ist es nötig, eine ausreichend hohe Spannung mit einer ausreichend hohen Wiederholungszahl zu kombinieren, um einen Wachstumsreiz zu setzen. Im gängigen Schema sind das 8-12 Wiederholungen bei 3 Sätzen also zwischen 24 und 36 Stück. Die werden auch beim Cluster-Training ungefähr angepeilt. Allerdings in einem, nicht in 3 Sätzen. Wie das auf einmal gehen soll?
"Cluster" bedeutet "Bündel"
Durch "Cluster"! Dieses englische Wort bedeutet "Bündel" und beschreibt ganz einfach eine kleine Zahl an Wiederholungen - circa zwischen 1 und 5. Je nach Arbeitsgewicht absolviert man also einzelne Cluster mit Zwischenpausen von etwa 15 - 30 Sekunden, bis man eine Gesamtwiederholungszahl zwischen 20 - 40 erreicht hat.
Das Tolle daran: man kann seine Tagesform in das Training einfließen lassen: je besser meine Tagesform ist, umso höher kann das Gewicht und/oder größer die Cluster und/oder kürzer die Pausen gehalten werden.
Ein Beispiel: Normalerweise kann Toni Bankdrücken mit etwa 70 kg machen - im ersten Satz kriegt er 11 Wiederholungen hin, im 2. werden es 9 und im 3. gerade so 7 (gesamt 27). Zwischen den Sätzen hat er ungefähr 2 Minuten pausiert. Inklusive der Sätze ist er also bei etwa 5 Minuten. Nun probiert er an einem anderen Tag Cluster-Training aus. Er legt sich vorher auf eine Clustergröße von 4 fest. Die ersten 4 Wiederholungen bereiten gar keine Mühe. Nach 15 Sekunden Pause ist es schon fast langweilig, daher bringt er rasch 4 weitere Wiederholungen zur Hochstrecke. 15 weitere Sekunden Pause und es folgen wieder 4 Wiederholungen - immer noch ist kein Zeichen von Ermüdung zu sehen. So läuft es Cluster für Cluster, bis er im 9. Cluster merkt, dass seine Ausführungsgeschwindigkeit und Technik nachlässt. Er nutzt vor dem letzten anstehenden Cluster also die vollen 30 Sekunden Pause, um dann mit viel Einsatz den letzten Cluster abzuschließen. 10 Cluster á 4 Wiederholungen - macht 40 Gesamtwiederholungen in knapp 3 Minuten!
Das klingt wirklich toll - ist es in der Praxis auch. Aber es gibt ein paar Mängel, die dieses System anfällig macht:
1.) Man überschätzt sich sehr leicht, wenn man die Clustergröße zu hoch wählt.
Zwar gehen anfangs 5 Wiederholungen vielleicht schnell von der Hand - aber wenn man im 2. oder 3. Cluster schon Probleme kriegt, hat man sich verschätzt. Cluster-Training will bewusst Muskelversagen hinauszögern - es darf erst zum Schluss anstrengend werden, nach mindestens 20 Gesamtwiederholungen!
2.) Die Technik ist wichtiger
- da man mehr Wiederholungen in bereits erschöpftem Zustand macht. Durch weniger Pause können sich die Muskelfasern nicht erholen und man muss bewusster technisch sauber arbeiten.
3.) Progression ist schlechter messbar.
Da man viel Spielraum bei den Zwischenpausen hat und diese sich im Laufe des Satzes verlängern, wird es schwer messbar, ob man tatsächlich leistungsfähiger geworden ist. Ich hingegen benutze deswegen eher die langfristige Methode: wenn ich im Januar 5 Cluster zu 3 Wdh mit 100 kg beugen kann und es im Juni 10 Cluster mit 4 Wdh bei gleichem Gewicht sind, interessiert mich die Pausenzeit nicht mehr. Einfach langfristiger denken!
4.) Das Gefühl der Erschöpfung fehlt.
Viele Kraftsportler betreiben das Pumpen, um sich erschöpft zu fühlen und ihre Grenzen auszutesten. Cluster-Training ist dafür nicht geeignet, da es eine Technik ist, die Erschöpfung ganz bewusst hinauszögert. Man könnte sie auch als intelligentes Erschöpfungsmanagement bezeichnen.
Fazit: Ich trainiere seit Jahren schon in diesem Stil und bin der Meinung, dass Cluster-Training die Ideal-Methode darstellt, um hohe Gewichte mit langen Spannungsdauern zu kombinieren, ohne ins Übertraining zu geraten. Ich bin während dieser ganzen Zeit noch nie an ein trainingsbedingtes Kraftplateau gestoßen - hat meine Ernährung gepasst, dann habe ich also durchgehend Fortschritte gemacht.
Ich kann nur empfehlen, dieser Methode mal 2 Wochen eine Chance zu geben.
Mit sportlichen Grüßen
Euer Patrick Raabe