Bittere Pillen

Bittere Pillen

Befragt man
Studiobesucherinnen und -besucher nach ihren hauptsächlichen
Beweggründen für ihr Fitnesstraining, stehen gesundheitlich Aspekte
und insbesondere Gewichtsreduktion an oberster Stelle. Unabhängig davon,
ob sich der oder die betreffende nur zu dick fühlt oder tatsächlich
Übergewicht hat, wird versucht, mit einem gewissen Maß an
sportlicher Aktivität den überflüssigen Pfunden näher zu
rücken. Viele stellen enttäuscht fest, dass mit wöchentlich ein
bis zwei Trainingseinheiten allein das gewünschte Ziel nicht erreicht
werden kann.
Der Grund für den Misserfolg liegt möglicherweise
darin, dass Ernährungstips des Sportlehrers oder des Arztes, die
mindestens ebenso wichtig sind wie das Training selbst, nicht umgesetzt werden
können. Dies kann verschiedene Ursachen haben. Zum einen nimmt eine
gesunde Ernährung weitaus mehr Zeit in Anspruch als Fast Food.
Darüber hinaus sind kalorien- und fettreiche Produkte in vielen
Fällen sehr schmackhaft, so dass man ihnen nur schwer widerstehen kann.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist eine zunehmende Verunsicherung der Menschen.
Auf Titelblättern von Illustrierten strömt eine Flut von
unterschiedlichsten und zum Teil kontroversen Ernährungsprogrammen auf den
Markt. Ob Trennkost, Kiwi- oder sogar Blutgruppendiät, seit Jahren wird
ein Geschäft mit der Hoffnung auf die Traumfigur gemacht. Viele dieser
Ernährungsprogramme sind wissenschaftlich nicht hinreichend abgesichert.


Wer mehrere Diäten vergeblich ausprobiert hat und womöglich
auch schon den Jojo-Effekt am eigenen Leib zu spüren bekam, landet
nicht selten in der Apotheke. Dort tummeln sich eine Vielzahl von Tropfen,
Tabletten und Dragees mit unterschiedlichen Wirkstoffen.
Die verschiedenen
Wirkprinzipien klingen zwar alle plausibel, die tatsächliche Wirkung
konnte in Tests bisweilen nicht hinreichend belegt werden. Eine im
ÖKO-Test Magazin veröffentlichte Untersuchung zur Wirksamkeit
ausgewählter Appetitzügler offenbarte ein erschreckendes
Ergebnis:

Nicht eines der 22 ausgewählten Präparate konnte
seinen Nutzen ausreichend nachweisen!


Das Angebot auf diesem Markt
ist sehr groß. Einige Mittel haben sich sicherlich auch in
Einzelfällen bewährt. In Fällen, wo starkes Übergewicht
eine erhebliche Gesundheitsbedrohung darstellt, sollte gemeinsam mit einem Arzt
darüber nachgedacht werden, ob unterstützende Maßnahmen von
außen angezeigt sind. Der Arzt sollte in der Lage sein, darüber
aufzuklären, welche Produkte geeignet sind und welche nicht.
Wer sein
Glück in der Apotheke selbst in die Hand nimmt, sollte sich genau
über Wirkstoff und Wirkprinzip des jeweiligen Präparates informieren
lassen. Die folgende Auflistung soll eine grobe Übersicht geben, welche
Produkte im Handel erhältlich sind und mit welchen Effekten und
Nebenwirkungen gerechnet werden muss.


Ballaststoffhaltige
Appetitzügler


Präparate mit Ballaststoffen sollen den
Magen füllen und so den Appetit hemmen. Gleichzeitig wirken sie
stuhlregulierend. Dieser Effekt liegt auf der Hand, denn Ballaststoffe z.B. aus
Vollkornprodukten haben genau diese wichtige Funktion für den Körper.
Die in Präparaten wie Bionorm enthaltenen Mengen sind allerdings viel zu
klein und können lediglich zu Verstopfung führen, wenn nicht genug
Flüssigkeit getrunken wird. Natürliche Ballaststofflieferanten wie
frisches Gemüse, Reis oder Vollkornprodukte sollten vorgezogen werden,
denn sie sind zusätzlich eine wertvolle Quelle für Vitamine und
Spurenelemente.


Entwässerungsmittel

Produkte,
die mit Hilfe von pflanzlichen Trockenextrakten einen Entwässerungsprozess
unterstützen (z.B. Biofax, Fucus) sind zwar vergleichsweise harmlos,
leider auch wenig wirksam. Der erreichte Verlust an Körpermasse wird durch
die Ausscheidung von Wasser und nicht durch den Abbau von Depotfett bewirkt.
Neben diesen pflanzlichen Präparaten sind auch Diuretika mit gravierenden
Nebenwirkungen erhältlich. An dieser Stelle sei betont, dass ein Eingriff
in den Flüssigkeitshaushalt des Körpers niemals ein sinnvolles
Abnehmen bedeuten kann.


Sättigung durch vernetzte
Quellstoffe


Das Wirkprinzip von Sättigungskomprimaten ist sehr
simpel. In
Form von
Kapseln werden Quellstoffe eingenommen, die im Magen zu mehreren cm
großen schwammartigen Würfeln aufquellen. Die dadurch erreichte
Füllung des Magens soll ähnlich wie bei einem Magenballon eine
Sättigung bewirken. Der Grad der Sättigung kann selbst reguliert
werden, indem einfach mehr oder weniger Kapseln eingenommen werden.
Hinsichtlich des eingesetzten Quellstoffes lassen sich Zellulose- und
Kollagenwürfel unterscheiden.
Der Nachteil von Kollagen als Quellstoff
liegt in der geringen Verweildauer im Magen bedingt durch die
eingeschränkte Stabilität des Kollagens. Zellulosewüfel
können dagegen nicht durch körpereigene Verdauungsenzyme abgebaut
werden und behalten ihre Struktur bei. Sie verweilen dadurch länger im
Magen und rufen somit möglicherweise ein anhaltendes
Sättigungsgefühl hervor. Ob Abnehmen nach diesem Prinzip
tatsächlich funktioniert, ist allerdings fraglich. Die Anbieter von CM3
konnten zwar Studien vorlegen, die eine Wirksamkeit zeigten, allerdings fehlten
in den Untersuchungen die Kontrollbedingungen. Alles in allem liegen zur Zeit
noch keine gesicherten Befunde vor, die eine Wirksamkeit bestätigen.

Um sicherzustellen, dass ein gemessener Gewichtsverlust tatsächlich
auf das Medikament zurückzuführen ist, wäre jeweils eine
Kontrollgruppe nötig gewesen.


Chemische Präparate mit
Wirkung auf das Zentralnervensystems


Medikamente wie etwa Reductil
oder das ephedrinhaltige Vencipon N wirken direkt über das Gehirn und sind
keineswegs frei von Nebenwirkungen. Durch eine hervorgerufene Hemmung des
Appetits können zwar kurzfristige Erfolge verzeichnet werden, nach
Absetzen des Medikaments wird allerdings in den meisten Fällen wieder das
alte Gewicht angesteuert. Nicht zuletzt aufgrund gravierender Nebenwirkungen
wie Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen und Psychosen ist dieser Weg
sicherlich der falsche.


Jodpräparate

Mit
Jodpräparaten wird versucht, von außen in den Hormonhaushalt
einzugreifen. Jod ist notwendig, um im Körper das Schilddrüsenhormon
Thyroxin zu bilden, das für die Stoffwechselrate mitverantwortlich ist. Ob
eine Anregung des Stoffwechsels allein zum Abnehmen führt, bleibt
allerdings ebenso fraglich wie die Annahme, dass die Aufnahme großer
Mengen Jod dafür ausreichend ist. Eine höhere Stoffwechselrate
bewirkt Nervosität und Unruhe und führt nicht selten zu einem
verstärkten Appetit. Jod und Thyroxinpräparate sind für die
Behandlung von Schilddrüsenunterfunktion, nicht aber für die
Behandlung von Übergewicht geeignet.



Fettblocker

Mit seinem Wirkstoff Orlistat gehört
Xenical sicher zu einem der bekannteren Vertreter, das ebenso wie das o. g.
Reductil verschreibungspflichtig ist. Orlistat hemmt die Aufnahme von
Nahrungsfetten im Dünndarm. Damit wird ein geringerer Teil der Nahrung
tatsächlich verwertet. Die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K
können damit auch nicht mehr optimal vom Körper resorbiert werden.
Nebenwirkungen, die den Verdauungstrakt betreffen, wie öliger Stuhl,
Blähungen und Durchfall, sind häufig. Ein weiterer Nachteil einer
Xenical Behandlung liegt in einer vergleichsweise hohen finanziellen Belastung
von ca. 200 DM pro Monat, die von der Kasse nicht getragen werden. Damit stehen
einem geringen Nutzen vergleichsweise hohe Kosten für den Konsumenten
gegenüber. Eine Behandlung mit Xenical sollte nur bei erheblichem
Übergewicht (BMI > 40) in Erwägung gezogen und mit einer
kalorienreduzierten Ernährung kombiniert werden.


Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Die Wirksamkeit
der auf dem Markt erhältlichen Mittel im Hinblick auf die jeweiligen
Nebenwirkungen unzureichend ist. Es scheint als ob der Wunsch vieler Menschen
nach dem Idealgewicht so groß ist, dass sie bereit sind, vieles
auszuprobieren. Mit Medikamenten, deren Wirkung wissenschaftlich unzureichend
belegt ist oder deren Nebenwirkungen z.T. frappierend sind, wird hier ein
Betrug am Kunden vollzogen.
















Tipp Wenn es auch Ihr
größter Wunsch ist, überflüssiges Körperfett los zu
werden, lassen Sie sich nicht von Wundermittel locken. Wenn Sie moderates
Übergewicht haben, reicht es aus, Ihre Lebensweise und insbesondere die
Ernährung etwas umzustellen. Bevor Sie bittere Pillen schlucken, sollten
Sie sich auf jeden Fall einen unabhängigen Expertenrat einholen. Das
Deutsche Institut für Ernährungsmedizin und Diätetik
(D.I.E.T.)
bietet eine Hotline (0241 - 4450600) an, unter der Sie zu
Übergewicht beraten werden.


Referenzen:
Erstellt in Kooperation mit dem
Deutschen Institut für Ernährungsmedizin und Diätetik, Sprecher:
Sven-David Müller, Kurbrunnenstraße 5, 52066 Bad Aachen, T:
0241-6080830, F: 0241-6080834, www.diet-aachen.de

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