Wer heute etwas gegen Rückenschmerzen und für eine aufrechte Haltung tun möchte, stößt früher oder später auf Pilates. Was einst als Geheimtipp unter Prominenten kursierte, hat sich inzwischen zu einer anerkannten Präventions- und Trainingsmethode entwickelt. Dabei handelt es sich um weit mehr als ein modisches Fitnessprogramm. Ursprünglich in den 1920er Jahren von dem deutschstämmigen Joseph Pilates in New York entwickelt, kombiniert die Methode gezielte Kräftigungsübungen mit Atemtechnik und Entspannung, wodurch eine funktionale Wirbelsäulengymnastik entsteht, die für unterschiedliche Alters- und Leistungsgruppen geeignet ist.
Doch wie kommt es, dass eine ursprünglich eher unbemerkt praktizierte Methode zu einem weltweiten Trend werden konnte, der bis heute anhält? Ein Blick in die Geschichte klärt auf: Laut der Münchner Pilates-Trainerin Michaela Bimbi-Dresp hat die Patentierung durch Romanas Kryzanowska, einer Ziehschülerin von Joseph Pilates, lange Zeit die Verbreitung verhindert. Erst nach dem Jahr 2000, als das Patent erlosch, wurde die Methode frei verfügbar, was einen Boom auslöste. Seitdem wächst das Interesse stetig, denn Pilates gilt als besonders schonend für Knochen und Gelenke und gleichzeitig als effektiv für eine gestärkte Rumpfmuskulatur.
Vorteile einer ganzheitlichen Methode
Das Besondere am Pilates-Training ist seine ganzheitliche Ausrichtung. Statt einzelner Muskeln stehen sogenannte Muskelketten im Fokus, die bei richtiger Anleitung harmonisch zusammenarbeiten. Im Kern geht es darum, die tiefer liegenden Muskelschichten zu stärken, die für die Stabilität der Wirbelsäule unverzichtbar sind. Neuere sportwissenschaftliche Studien belegen, dass ein gezieltes Training dieser tiefen Muskeln Rückenschmerzen lindern oder gar verhindern kann.
Vor allem Menschen, die viel sitzen oder zu einseitigen Bewegungen neigen, profitieren von einer verbesserten Rumpfstabilität und aufrechteren Körperhaltung. Nicht ohne Grund sprechen Physiotherapeuten von Pilates oft als einem der besten Mittel, um Fehlhaltungen gezielt anzugehen und muskuläre Dysbalancen zu korrigieren. Dabei spielt die Arbeit mit der Atmung eine zentrale Rolle, da ein bewusster Atemrhythmus die Muskeln optimal mit Sauerstoff versorgt und zugleich für innere Ruhe sorgt.
Warum Qualität in der Ausbildung wichtig ist
So vielversprechend Pilates klingt, so wichtig ist eine qualifizierte Anleitung. Da der Begriff Pilates nicht geschützt ist, kann sich im Prinzip jede Person als Trainerin oder Trainer ausgeben. Dies birgt Risiken, denn unsauber angeleitete Übungen können nicht nur ineffektiv sein, sondern sogar Verletzungen hervorrufen.
Aus diesem Grund hat sich der Deutsche Pilates Verband gegründet, der einen gewissen Qualitätsstandard in den Ausbildungen etablieren will. Vereinspräsidentin Verena Geweniger betont, dass es eines fundierten Fachwissens und einer umfassenden Übungspraxis bedarf, um die ganzheitliche Philosophie von Joseph Pilates korrekt zu vermitteln. Wer sich für einen Kurs interessiert, sollte daher prüfen, welche Qualifikation die Lehrkraft mitbringt. Üblich sind mindestens 100 Ausbildungsstunden im Mattentraining, was den Einstieg ins klassische Pilates-Programm darstellt.
Funktionale Wirbelsäulengymnastik und Prävention
Pilates nur auf „Bauch, Beine, Po“ zu reduzieren, würde der Methode nicht gerecht. Gerade ihre Wirkung als funktionale Wirbelsäulengymnastik macht sie interessant für Rehabilitation und Prävention. Hier kommen nicht nur Bodenübungen auf der Matte zum Einsatz, sondern auch spezielle Geräte wie der „Reformer“ oder der „Chair“. Diese von Joseph Pilates entwickelten Apparaturen unterstützen den Körper, indem sie etwa Federwiderstand bieten und so gezielt schwache Muskelgruppen ansteuern.
Studien zeigen, dass solch ein individuelles Training im Vergleich zu reinem Mattenprogramm oft noch effektiver für Menschen ist, die mit chronischen Verspannungen oder Rückenschmerzen kämpfen. Die Geräteübungen ermöglichen es, jede Übung an den eigenen Bewegungsradius anzupassen und den Widerstand variabel einzustellen. Auf diese Weise können auch Personen mit körperlichen Einschränkungen sicher trainieren.
Wie Pilates Rückenschmerzen entgegenwirkt
Die Basis liegt im Aufbau einer stabilen Rumpfmuskulatur, insbesondere der tiefen Bauch- und Rückenmuskeln, die die Wirbelsäule wie ein Korsett stützen. Wer regelmäßig Pilates praktiziert, lernt, seine Körpermitte zu aktivieren und dadurch die Belastung der Wirbelsäule im Alltag zu reduzieren. Wissenschaftliche Untersuchungen von Sporthochschulen und medizinischen Einrichtungen bestätigen, dass sich bereits nach wenigen Wochen die Haltung verbessert und Verspannungen spürbar zurückgehen können.
Kombiniert mit einer bewussten Atmung werden bei den Übungen mehrere Ziele erreicht: Zum einen kräftigen sie die Muskulatur, zum anderen entspannen sie durch langsame, kontrollierte Bewegungsabläufe den gesamten Körper. Dieser „Body & Mind“-Aspekt macht Pilates für viele Menschen zu einer attraktiven Alternative zum klassischen Fitnesstraining. Anders als an Maschinen, wo man oft isolierte Muskeln trainiert, spricht Pilates viele Muskelgruppen gleichzeitig an und schult dabei Koordination und Gleichgewicht.
Geräte-Training nach Joseph Pilates
Weniger bekannt ist, dass Joseph Pilates ursprünglich einige Geräte entwickelte, um verletzten Tänzerinnen und Tänzern bei ihrer Rehabilitation zu helfen. Bettfedern dienten als Vorläufer für den späteren Reformer, der bis heute ein Herzstück vieler Pilates-Studios ist. Der große Vorteil dieser Geräte liegt darin, dass Bewegungen in verschiedene Ebenen stattfinden können und der Widerstand passgenau eingestellt wird. So lassen sich einerseits schwache Bereiche gezielt stärken, andererseits kann man Überbelastung vermeiden, indem man den Schwierigkeitsgrad an die jeweilige Leistungsfähigkeit anpasst. Für Fortgeschrittene bietet das Gerätetraining zudem komplexe Übungen, die selbst für erfahrene Pilates-Fans eine Herausforderung darstellen und ihnen helfen, das Training abwechslungsreich zu gestalten.
Vorsicht vor „Schnellkursen“
Da Pilates zunehmend beliebt ist, wachsen auch die Angebote, die sich an Neulinge oder Interessierte richten. Doch ähnlich wie in anderen Fitnessbereichen gibt es schwarze Schafe, die in nur wenigen Tagen ein scheinbar professionelles Ausbildungsangebot anbieten. Wer Pilates professionell lehren oder selbst seriös erlernen möchte, sollte darauf achten, dass die Ausbildung fundiert und umfangreich ist. Kurse, die lediglich am Wochenende stattfinden oder ausschließlich über Online-Videos laufen, genügen in den seltensten Fällen. Nur eine solide Ausbildung garantiert, dass das Training wirklich die Philosophie von Joseph Pilates widerspiegelt, in der sowohl die körperlichen als auch die mentalen Aspekte einen hohen Stellenwert haben.
Nachhaltig stark im Rücken
Pilates hat sich vom einstigen Promi-Geheimtipp zu einer fest etablierten Methode entwickelt, die unter anderem für Menschen mit Rückenproblemen empfehlenswert ist. Dank des ganzheitlichen Ansatzes und der Option, auch mit speziellen Geräten zu trainieren, bietet Pilates einen abwechslungsreichen Weg, um muskuläre Defizite auszugleichen und die Wirbelsäule zu entlasten. Vorausgesetzt, man legt Wert auf eine fundierte Anleitung durch qualifizierte Trainerinnen und Trainer, lassen sich bereits nach kurzer Zeit Verbesserungen der Haltung und eine spürbare Linderung von Rückenschmerzen feststellen.
Gerade wer in seinem Alltag viel sitzt oder einseitige Bewegungen ausführt, findet im Pilates eine effektive Möglichkeit, langfristig etwas für seine Gesundheit zu tun. In diesem Sinn erweist sich der Satz von Joseph Pilates als zeitlos: „Nach zehn Stunden fühlt man den Unterschied. Nach 20 Stunden sieht man ihn selbst. Und nach 30 Stunden sehen ihn auch alle anderen.“ Mit der richtigen Anleitung und einer Portion Durchhaltevermögen kann Pilates so zu einem wichtigen Baustein für einen starken und beschwerdefreien Rücken werden.