Schulsport im Kongo

Schulsport im Kongo

Phil Taylor (Foto: British Darts Organisation): Einer der typischen Darts-Spieler der neuen Generation: der aktuelle BDO Lakeside World Chambion Mark Webster aus Wales achtet auf seine Fitness

Was machen wir nicht alles für einen austrainierten Körper, der mit definierten Muskeln, knackigem Gesäß und waschbrettähnlichem Bauch daherkommt? Viele Menschen geben Unsummen für Fitnessgeräte, Diätprogramme und Energieriegel aus, in der Hoffnung, damit die perfekte körperliche Form zu erreichen. Doch unser Autor Bruno Ndongala lächelt nur, wenn er von überteuerten Sportabos hört, weil er genau weiß, wie sehr seine Kindheit im Kongo zu seiner heutigen Fitness beigetragen hat. Er wurde 1968 im damaligen Zaire geboren, erlebte eine Jugend voller Bewegung und kann sich auch jetzt, Jahrzehnte später, noch über einen sportlichen Körper freuen, der ganz ohne teure Fitnesstrends oder mysteriöse Diätwundermittel in Form geblieben ist. Diese Episode seiner afrikanischen Schulzeit wirft ein spannendes Licht darauf, wie Kinder in Teilen der Welt Sport betreiben, ohne es überhaupt als strukturiertes Training wahrzunehmen. Stattdessen ist Bewegung dort ein fester Bestandteil des Alltags, der in fast jedes Kinderlachen und jeden Nachmittagsplan eingebettet ist.

Die Schulzeit als Fitnessparadies

Bruno Ndongala erzählt, dass er wie viele andere Kinder im Kongo zweimal pro Woche offiziellen Sportunterricht hatte, ganz ähnlich wie in vielen Ländern Europas. Doch der wahre Unterschied wird bei all dem deutlich, was außerhalb der festgelegten Schulstunden passierte. Während in wohlhabenden Ländern die Freizeitgestaltung oft in klimatisierten Zimmern stattfindet, wo man mit einem Tablet in der Hand hockt oder sich vor der Konsole vergnügt, gab es für Bruno und seine Freunde im Kongo kaum Alternativen zum Sporttreiben. Fußball war eine Art Lebenselixier, von dem er gar nicht genug bekommen konnte, ob nun in den Pausen auf dem Schulhof oder nachmittags auf den staubigen Plätzen der Nachbarschaft. Die Lehrer selbst setzten im Schulsport daher auf Turnübungen, um den Kindern einen Ausgleich zum täglichen Fußball zu bieten. Spielerischer konnte man die Rumpf- und Rückenmuskulatur kaum stärken, denn Gummibänder und Energy-Drinks waren unbekannt, während klug angeleitete Übungen den Körper dennoch stabilisierten.

Körperliche Bewegung und ihre gesundheitliche Bedeutung

Neue medizinische und sportwissenschaftliche Erkenntnisse betonen immer mehr, wie vorteilhaft vielfältige Bewegungsabläufe in jungen Jahren sind. Viele Kinder leiden heute unter Bewegungsmangel, was die Wahrscheinlichkeit für Übergewicht und Diabetes bereits im Teenageralter steigert. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, dass Kinder und Jugendliche mindestens 60 Minuten moderate bis intensive körperliche Aktivität am Tag bekommen sollten. Schaut man sich an, wie Bruno damals in den 70er Jahren fast ununterbrochen aktiv war, wird klar, dass er dieses Soll spielend erfüllte. In einer Umgebung, in der sich kaum Ablenkungen wie Fernsehen, Videospiele oder Fast-Food-Lieferdienste anbieten, ist der natürliche Bewegungsdrang enorm. Er führte in seinem Heimatland zu einer kompletten Generation, die oft fitter und sportbegeisterter war als so mancher Nachwuchs in industrialisierten Ländern. Wer täglich mehrere Kilometer zur Schule rennt, statt sich ins Auto zu setzen, hat bereits ein Training absolviert, ohne es als solches zu sehen.

Die fußballverrückte Zeit im Kongo

Bruno erinnert sich lebhaft an die Fußballturniere, die zwischen den Schulen ausgetragen wurden. Das bedeutete nicht nur Wettkampf, sondern auch große Aufregung. Die Mädchen unterstützten die Jungen lautstark, da sie selbst leider nicht am Spiel teilnehmen durften. Ein Spielfeld aus sattem Grün gab es so gut wie nie. Stattdessen diente ein karger, von der Sonne hart gebrannter Boden als provisorisches Feld, oft übersät mit Kieselsteinen und unliebsamen Überraschungen wie Glasscherben. Doch das trübte nicht den Spaß, die Kinder spielten mit Begeisterung barfuß. Die wenigen, die sich ein Cola leisten konnten, waren Ausnahmen, der Rest trank Leitungswasser und hatte weder hochoptimierte Sportschuhe noch isotonische Drinks. Sportwissenschaftler würden heute staunen, wie hart das Training war, das diese Jugendlichen quasi täglich absolvierten. Bei tropischen Temperaturen, fast immer ohne ausreichenden Sonnenschutz, lernten sie ihren Körper zu spüren und zu nutzen, was sicherlich dazu beitrug, eine ganze Palette an Muskeln zu beanspruchen und das Herz-Kreislauf-System zu trainieren.

Selbstgebaute Bälle und die Kunst des Improvisierens

Kaum einer hatte einen originalen Lederball, sodass improvisierte Bälle aus Papier, Stoffresten oder andererlei Material zum Alltag gehörten. Wer das Glück hatte, einen echten Ball zu besitzen, hütete ihn wie einen Schatz, der nur bei besonderen Gelegenheiten zum Einsatz kam. Dieses Fehlen von modernem Equipment zeigt, dass sportliche Begeisterung nicht unbedingt an perfekte Bedingungen geknüpft ist. Viel wichtiger sind Hingabe und Spaß. Auch wenn die Bewegungen, die beim Barfußspielen auf steinigem Untergrund entstehen, eher unorthodox wirken, sorgten sie für eine robuste Haltung und Widerstandsfähigkeit. In der heutigen Trainingslehre betont man oft die Bedeutung propriozeptiven Trainings, das heißt, das Spüren und Kontrollieren des eigenen Körpers in verschiedenen Situationen. Man könnte fast sagen, dass das Kicken auf kargem Untergrund ein ständiges Propriozeptionstraining war, das die Spieler in Balance hielt, während so mancher Europäer in teurem Laufschuhwerk möglicherweise längst weggerutscht wäre.

Nach dem Spiel ist vor dem Essen – aber anders als in Europa

Wer intensiven Sport betreibt, hat meist großen Appetit. So erging es auch Bruno, der nach den schulischen Aktivitäten und kilometerlangen Heimwegen mächtig hungrig bei seiner Mutter ankam. Typisch afrikanische Gerichte mit viel Gemüse, wenig Fleisch und reichlich Ballaststoffen sorgten für ein ausgewogenes Mahl. Anders als in wohlhabenden Ländern, in denen zuckerreiche Snacks und Fast-Food-Ketten an jeder Straßenecke lauern, war das Angebot an Dickmachern im Kongo begrenzt. Aus medizinischer Sicht ist diese Art der Ernährung wesentlich besser für Herz und Stoffwechsel, weil sie weniger gesättigte Fette und Kalorienbomben enthält. Die Kombination aus ständiger Bewegung und einer Mahlzeit, die nahrhaft, aber nicht überladen war, machte es wahrscheinlich, dass der Körper die benötigten Nährstoffe bekam, ohne in der Energieüberversorgung zu versinken. Anschließend musste Bruno seine Schularbeiten erledigen, bevor er dank der täglichen Dosis Sport tief schlief und sich ausgeruht auf den nächsten Tag freute. Wissenschaftler betonen, dass Kinder, die ausreichend schlafen, gesünder aufwachsen und bessere kognitive Leistungen erbringen.

Die tägliche Dosis Bewegung – ein Booster für Körper und Seele

Für viele Kinder in Europa oder Nordamerika ist der Schulweg heute ein kurzer Abstecher von der Haustür zur Rückbank des elterlichen Autos. Für Bruno bedeutete der Schulweg morgens eine Strecke von mehreren Kilometern, die er und seine Freunde im Laufschritt zurücklegten, oft zu spät losgehend, um nicht noch mehr Unterricht zu verpassen. Was für Mitteleuropäer fast nach einer Joggingeinheit klingt, war für sie Alltag. In den 70er Jahren stand Präsident Mobutu an der Spitze des Landes, und das Leben war gerade für Kinder, die den Schulbesuch als Privileg ansehen durften, von einer gewissen Schlichtheit geprägt. Doch in der Einfachheit lag oft ein Schatz, denn ohne Ablenkung durch Medien oder Fast-Food-Konsum lernten die Kinder, ihren natürlichen Bewegungsdrang voll auszuleben. Die daraus resultierende Fitness kann man heute bei vielen Afrikanern beobachten, die in westliche Länder kommen und deren Körper schon von Kindesbeinen an an regelmäßige sportliche Belastungen gewöhnt ist. Dieser Effekt führt oft zu bewundernden Blicken bei jenen, die mühsam versuchen, sich durch Diäten oder Fitness-Studio-Besuche in Form zu halten.

Vergleich mit modernen Fitnesstrends

Interessant ist, dass viele Kinder im Kongo einer Art High-Intensity-Intervalltraining nachgingen, ohne es jemals so zu nennen. Sprinten, Dribbeln, Schießen, Hinfallen, Aufstehen – in der Freizeit ging es immer dynamisch zur Sache, was den Puls in die Höhe trieb und die Muskulatur forderte. In Europa zahlt man nicht selten viel Geld für Trainingsprogramme, die schnelle Sprints und kurze Ruhephasen beinhalten, um die Fettverbrennung anzukurbeln. Bruno und seine Freunde machten das intuitiv: Sie spielten Fußball, bis sie schweißnass waren, und legten nur kurze Pausen zum Durchschnaufen ein. Zwischendurch flitzen sie zum improvisierten Wasserhahn, dann ging es weiter. Sportmediziner weisen darauf hin, dass genau dieses Wechselspiel aus Belastung und Erholung nicht nur die Kondition verbessert, sondern auch das Herz stärkt. Nach jedem anstrengenden Run regenerierte der Körper rasch, was seine Fähigkeit zur Anpassung und seine Widerstandskraft steigerte. So betrachtet, waren Kinder wie Bruno quasi in einem dauernden Trainingslager.

Spiegel moderner Kindheit

In vielen Regionen dieser Welt sind Kinder heute wieder von Unterernährung oder Mangel an schulischer Förderung betroffen, was ein anderes Extrem bedeutet. Doch Brunos Erfahrung aus dem Kongo der 70er zeigt, wie ein Land mitten in Afrika einen Alltag formen kann, der ungeplant als gesundheitliche Idealvariante daherkommt. Wenig Sitzzeiten, keine Energy-Drinks, kein Fast-Food, stattdessen ständiges Spiel, Laufen und Turnen. Selbst die Tatsache, dass Mädchen damals nicht Fußball spielten, hinterlässt in der Rückschau gemischte Gefühle. Einerseits waren sie in diesem Aspekt benachteiligt, andererseits waren sie in der Kongolesischen Gesellschaft teils deutlich aktiver als ihre Altersgenossinnen in Europa, allein schon wegen der hauswirtschaftlichen Arbeiten und des weiten Laufens, um Besorgungen zu machen. Soweit dies aus heutiger Sicht nicht wünschenswert wäre, spiegelt es dennoch eine interessante Realität wider, in der Schulsport und Alltagsbewegung zusammen eine gesunde Grundlage für die Entwicklung bildeten.

Ein Leben lang profitieren

Selbst heute, viele Jahre nachdem Bruno Ndongala seine Heimat verlassen und sich in Europa niedergelassen hat, spürt er die Vorzüge seiner sportlichen Kindheit. Er berichtet schmunzelnd, dass ihm das Laufen auf einem mitteleuropäischen Rasenplatz fast wie ein Spaziergang vorkommt, weil ihn nichts an die steinigen Böden seiner Jugend erinnert. Seine Gelenke danken ihm die stete Schulung, und sein Stoffwechsel arbeitet effizient, ohne dass er zwanghaft Kalorien zählen muss. Aus wissenschaftlicher Perspektive ist das nachvollziehbar, denn eine frühzeitige Prägung des Körpers auf beständige Bewegung lässt den Organismus oft schlank und kräftig bleiben, sofern kein drastischer Lebenswandel eintritt. Das funktioniert natürlich nur solange, wie man sich auch im Erwachsenenalter eine gewisse Grundaktivität bewahrt. Wer ab einem bestimmten Alter nur noch auf dem Sofa liegt, setzt die zuvor antrainierten Vorteile aufs Spiel. Doch für Bruno ist Sport nach wie vor ein Lebenselixier.

Eine Lektion für alle

Brunos Geschichte über den Schulsport im Kongo wirft ein kritisches Licht auf unsere hochtechnisierte Welt und zeigt zugleich, wie man ganz ohne Luxusartikel und moderne Fitnesskonzepte einen gesunden, starken Körper aufbauen kann. Kinder in Afrika, die den Großteil ihres Tages draußen verbringen, lernen früh, sich vielseitig zu bewegen und eine unmittelbare Freude daran zu entwickeln. Wenn nun Eltern in Industrieländern versuchen, ihre Kleinen mehr in die Natur zu locken und weniger vor Bildschirme zu setzen, entspricht das modernsten Empfehlungen von Kinderärzten und Gesundheitsorganisationen. Bewegung, sei es durch Fußballspielen, Laufen oder andere Aktivitäten, ist ein wichtiger Schlüssel zur physischen und psychischen Entwicklung. Ein Leben lang profitieren diejenigen, die schon in jungen Jahren gelernt haben, Sport und Spaß miteinander zu verbinden. Während wir hierzulande oft Geld für Fitnessclubs, Hightech-Sportschuhe und besondere Ernährungskonzepte ausgeben, reicht im Grunde manchmal ein einfacher staubiger Platz, ein provisorischer Ballersatz und ein Haufen begeisterter Kinder, um eine nachhaltige Sportkultur zu schaffen, die Menschen im Herzen fit hält. Kein Wunder also, dass Bruno Ndongala seine Schulzeit im Kongo als die prägendste Zeit seines sportlichen Lebens bezeichnet, denn dort lernte er, wie sehr Sport und Gemeinschaft zusammengehören. Vielleicht darf man sich davon inspirieren lassen, öfter einmal die Komfortzone zu verlassen, ein paar Kilometer zu laufen und den Spaß zu genießen, den Bewegung letztlich mit sich bringt.

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