Richtiges Heben und Tragen ist essenziell, um die Bandscheiben zu schonen und Rückenproblemen vorzubeugen. Insbesondere im Alltag und Beruf lauern häufig unterschätzte Belastungen, die sich langfristig auf die Gesundheit auswirken können. Warum ist das so, und wie lassen sich alltägliche Bewegungen rückenfreundlich gestalten? Ein Sicherheitsingenieur gibt Einblicke und praktische Tipps.
Die Bedeutung der Wirbelsäule
Die Wirbelsäule besteht aus mehreren Segmenten: Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule. Während die oberen Segmente hauptsächlich die Beweglichkeit des Kopfes und Rumpfes gewährleisten, trägt die Lendenwirbelsäule den Großteil unseres Körpergewichts. Besonders hier wirken beim Heben und Tragen erhebliche Kräfte, die die Bandscheiben belasten.
Zwischen den Wirbelkörpern befinden sich Bandscheiben, die wie Stoßdämpfer fungieren. Sie bestehen aus einem festen Faserring und einem weichen Gallertkern. Ihre Ernährung und Funktionsfähigkeit hängen entscheidend vom Wechsel zwischen Be- und Entlastung ab. Eine dauerhaft einseitige Belastung, etwa durch falsches Sitzen oder unsachgemäßes Heben, kann jedoch zu Schäden führen.
Gefahren durch Fehlbelastungen
Werden Lasten mit rundem Rücken oder durch ruckartige Bewegungen gehoben, erhöht sich der Druck auf die Bandscheiben. Besonders gefährlich sind Kombinationen aus Heben und Drehbewegungen. Ein typisches Beispiel ist das Umladen schwerer Gegenstände wie Getränkekisten aus dem Auto. Dabei wird die Bandscheibe einseitig belastet, was zu Vorwölbungen (Protrusio) oder gar Vorfällen (Prolaps) führen kann.
Protrusio – das Warnsignal
Eine Bandscheibenvorwölbung ist schmerzhaft, aber reversibel. Sie kann als Warnsignal verstanden werden, um das eigene Bewegungsverhalten zu überdenken. Bleibt die Belastung jedoch bestehen, drohen dauerhafte Schäden.
Prolaps – der Bandscheibenvorfall
Beim Bandscheibenvorfall reißt der Faserring, und der Gallertkern tritt aus. Dies kann zu chronischen Schmerzen und Einschränkungen der Lebensqualität führen. Eine Operation ist in manchen Fällen unumgänglich.
Rückenfreundliches Verhalten im Alltag
Um die Wirbelsäule zu entlasten, sollten bestimmte Grundregeln beachtet werden. Schon kleine Anpassungen können große Wirkung zeigen.
Aufstehen und Sitzen
Starten Sie den Tag rückenfreundlich: Statt ruckartig aus dem Bett zu springen, stützen Sie sich mit den Armen ab, beugen den Oberkörper leicht vor und erheben sich langsam. Wer viel sitzt, sollte regelmäßige Pausen einlegen und idealerweise ein höhenverstellbares Stehpult nutzen, um die Sitzzeit zu reduzieren.
Richtiges Heben
Beim Heben gilt: In die Hocke gehen, die Last nah am Körper halten und aus den Beinen heraus aufrichten. Der Rücken bleibt dabei gerade. Drehbewegungen sollten vermieden werden – drehen Sie stattdessen den gesamten Körper, indem Sie die Füße mitbewegen. Lasten sollten gleichmäßig verteilt getragen werden, um einseitige Belastungen zu verhindern.
Heben und Tragen schwerer Lasten
Für den Transport schwerer Gegenstände sind Hilfsmittel wie Sackkarren oder Tragegurte ideal. Wenn zwei Kästen getragen werden müssen, achten Sie auf eine gleichmäßige Gewichtsverteilung. Männer sollten nicht mehr als 55 kg, Frauen maximal 15 kg heben. Häufiges Heben und Tragen sollte diese Werte weiter reduzieren.
Praktische Tipps für den Alltag
1. Ziehen Sie Lasten immer nah an den Körper heran, bevor Sie sie anheben. Beispielsweise bei Getränkekisten im Auto: Zuerst heranziehen, dann sicher heben.
2. Verteilen Sie sperrige Gegenstände auf zwei Personen oder nutzen Sie Tragehilfen.
3. Bei längeren Strecken oder schweren Lasten helfen Transporthilfen wie Schubkarren oder Rollwagen.
Warum Prävention entscheidend ist
Rückenbeschwerden treten häufig schleichend auf. Anfangs mag der Schmerz nur gelegentlich auftreten, doch ohne Maßnahmen zur Entlastung und Kräftigung kann er chronisch werden. Prävention ist daher essenziell – sowohl im privaten Alltag als auch am Arbeitsplatz. Schon einfache Änderungen im Verhalten und das Einhalten der beschriebenen Tipps können langfristig helfen, die Bandscheiben zu schützen und Rückenprobleme zu vermeiden.
Werden diese Prinzipien konsequent angewendet, gibt es keine Last, die nicht bewältigt werden kann – und der Rücken bleibt gesund.
Ihr
Gerd Hötzel
Autor und Sicherheitsingenieur