Nordic Walking: Mythos Gelenkentlastung?

Nordic Walking: Mythos Gelenkentlastung?

Ronnie (Foto: World Snooker Association)
Als die ersten Nordic Walker vor etwa einem Jahrzehnt durch Wälder und über Wiesen zogen, wurden sie von Joggern und Spaziergängern oft skeptisch beäugt. Viele hielten die Sportart für einen vorübergehenden Trend, doch heute ist Nordic Walking längst etabliert. Mit spezialisierten Verbänden, umfangreichem Zubehör und einer treuen Anhängerschaft hat sich die Sportart ihren Platz in der Welt des Fitnesssports gesichert. Dabei bleibt eine Frage bis heute kontrovers: Entlastet Nordic Walking tatsächlich die Gelenke? Ein Blick auf aktuelle Entwicklungen und wissenschaftliche Erkenntnisse liefert Antworten.

Die Vielseitigkeit des Nordic Walking

Nordic Walking hat sich seit seiner Einführung stetig weiterentwickelt und neue Varianten hervorgebracht. Ein bemerkenswertes Beispiel ist das Aqua Nordic Walking, das von Michael Epp, einem Trainer aus Altshausen, entwickelt wurde. Diese Form des Trainings verlegt die Bewegung ins Wasser, wo der Körper durch den Auftrieb entlastet wird. Ohne festen Stockeinsatz werden die typischen Bewegungen simuliert, was die Belastung auf Gelenke wie Hüfte, Knie und Sprunggelenke minimiert. Gleichzeitig wird die Muskulatur von Armen, Beinen, Bauch und Rücken effektiv trainiert. Diese gelenkschonende Methode hat besonders bei älteren Menschen oder Menschen mit orthopädischen Problemen Anklang gefunden.

Ein weiterer Trend ist das Nordic Trekking, das längere, intensivere Touren in die Natur integriert. Hier geht es nicht nur um Fitness, sondern auch um das Erleben der Landschaft. Ob als Tagestour oder mehrtägiges Abenteuer – Nordic Trekking verbindet körperliche Aktivität mit dem Genuss pittoresker Umgebungen und eignet sich besonders für sportliche Menschen mit einer Vorliebe für Outdoor-Erlebnisse.

Wissenschaftliche Perspektiven und Technikfragen

Die zunehmende Popularität von Nordic Walking hat auch die Wissenschaft auf den Plan gerufen. Während Verbände und Trainer unterschiedliche Ansätze zur Technik vertreten, bemühte sich der Sportwissenschaftler Dr. Ronald Bruger von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, einheitliche Grundlagen zu schaffen. Er formulierte 13 Prinzipien, die von der natürlichen Fortbewegung über den funktionalen Stockeinsatz bis hin zur korrekten Haltung reichen. Sein Ziel: eine standardisierte Technik, die Verletzungen vorbeugt und den gesundheitlichen Nutzen maximiert.

Doch nicht alle wissenschaftlichen Erkenntnisse zeichnen ein positives Bild. Kritische Stimmen hinterfragen den oft zitierten Vorteil der Gelenkentlastung. Eine Feldstudie von fünf Sportwissenschaftlern kam zu dem Ergebnis, dass die Bodenreaktionskräfte beim Nordic Walking im Vergleich zum normalen Walken nicht geringer sind. Tatsächlich sei die Belastung aufgrund des höheren Tempos sogar leicht erhöht. Die Wissenschaftler erklären dies mit der dynamischeren Bewegung, die beim Einsatz der Stöcke entsteht. Das Fazit ihrer Untersuchung lautet: Die weit verbreitete Annahme, Nordic Walking entlaste die Gelenke um 30 bis 50 Prozent, sei wissenschaftlich nicht haltbar.

Die Rolle der Nordic Walking Technik

Die Studienergebnisse werfen ein Licht auf die Bedeutung der Technik. Nordic Walking ist mehr als Gehen mit Stöcken – der richtige Einsatz der Ausrüstung und die Haltung spielen eine zentrale Rolle. Fehlerhafte Techniken, wie ein zu steiler Stockaufsatz oder ein unkontrollierter Schub, können die Belastung erhöhen und den vermeintlichen Nutzen der Sportart verringern. Daher ist es wichtig, die Bewegungsabläufe zu erlernen und regelmäßig zu überprüfen, sei es durch einen Trainer oder im Austausch mit erfahrenen Walkern.

Ein Mythos mit Mehrwert

Obwohl die Idee der Gelenkentlastung bei Nordic Walking kritisch betrachtet werden kann, bleibt Nordic Walking eine Sportart mit zahlreichen Vorteilen. Die dynamische Bewegung trainiert den gesamten Körper, verbessert die Ausdauer und schont im Vergleich zu Joggen oder intensiveren Sportarten die Gelenke. Darüber hinaus fördert Nordic Walking die Koordination und das Gleichgewicht, was besonders für ältere Menschen wertvoll ist. Der soziale Aspekt – gemeinsam mit anderen die Natur zu erleben – trägt zusätzlich zum Wohlbefinden bei.

Zwischen Mythos und Wissenschaft - Nordic Walking: Mythos Gelenkentlastung?

Die Frage, ob Nordic Walking die Gelenke tatsächlich entlastet, ist wissenschaftlich nicht eindeutig geklärt. Dennoch bleibt die Sportart eine vielseitige und effektive Möglichkeit, Fitness, Gesundheit und Naturerlebnis zu kombinieren. Ob im Wasser, bei längeren Trekking-Touren oder als entspannter Ausgleich zum Alltag – Nordic Walking bietet für jeden etwas. Entscheidend ist, dass die Technik stimmt und der Spaß an der Bewegung im Vordergrund steht. Denn am Ende zählt nicht nur, wie die Gelenke belastet werden, sondern auch, wie gut sich Körper und Geist dabei fühlen.

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