Die Idee von Lebensmitteln, die nicht nur satt machen, sondern auch unsere Gesundheit gezielt fördern, klingt verlockend. Doch wie so oft im Leben ist nicht alles Gold, was glänzt. Der Begriff "Functional Food" hat seinen Ursprung in Japan, wo seit den frühen 1990er-Jahren "Lebensmittel mit gesundheitlichem Zusatznutzen" unter dem Namen *FOSHU* (Food for Specific Health Use) verkauft werden. Von dort aus trat die Idee ihren Siegeszug über Amerika nach Europa an. Doch was steckt wirklich hinter diesem Konzept, und wie gesund sind diese Produkte tatsächlich?
Ein Markt, der boomt
Probiotische Joghurts, ACE-Säfte, Omega-3-angereicherte Lebensmittel – das Angebot wächst stetig. Mittlerweile schätzt das Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung den Weltmarkt für funktionelle Lebensmittel auf beeindruckende 20 Milliarden Euro. In Deutschland ist der Trend zwar noch nicht so ausgeprägt wie in anderen Ländern, doch das jährliche Umsatzwachstum liegt bei etwa 20 Prozent. Ein nachhaltiger Trend, wie es scheint.
Die Hersteller überschlagen sich mit Versprechen: Von einer stärkeren Immunabwehr über ein gesünderes Herz bis hin zu besserer Haut sollen diese Produkte alles bieten. Doch wie immer im Leben gilt: Vertrauen ist gut, wissenschaftliche Beweise sind besser.
Was macht Functional Food so besonders?
Funktionelle Lebensmittel enthalten Zusatzstoffe wie Vitamine, Mineralien, ungesättigte Fettsäuren oder probiotische Kulturen. Ziel ist es, ernährungsbedingte Krankheiten zu vermeiden oder bestehende Mängel auszugleichen. Klingt super, oder? Aber Achtung: Ein *normaler* Naturjoghurt kann oft ähnliche Effekte erzielen wie die vermeintlich "optimierten" Produkte. So hat die Stiftung Warentest bewiesen, dass der probiotische Joghurt LC1 von Nestlé tatsächlich die Immunabwehr stärkt – allerdings nur bei regelmäßiger Einnahme. Das Gleiche gilt jedoch auch für herkömmlichen Naturjoghurt.
Wissenschaft versus Marketing
Das Problem liegt oft in der Glaubwürdigkeit der Studien. Viele dieser Untersuchungen werden von den Herstellern selbst finanziert, was die Neutralität infrage stellt. Unabhängige Forschung ist selten, da sie teuer und zeitaufwendig ist. Ein weiteres Beispiel ist die cholesterinsenkende Margarine "Becel pro-activ". Sie kann den Cholesterinspiegel tatsächlich um bis zu zehn Prozent senken. Aber Vorsicht: Bei Menschen ohne erhöhten Cholesterinspiegel kann die Margarine sogar schädlich wirken und das Risiko für Arteriosklerose erhöhen.
Die Schattenseite von Functional Food
Functional Food ist kein Freifahrtschein für ein ungesundes Leben. Wer sich ausschließlich auf solche Produkte verlässt, übersieht oft den wahren Kern des Problems: eine unausgewogene Ernährung. Gerade ein Übermaß an angereicherten Vitaminen oder Mineralien kann mehr Schaden als Nutzen anrichten. Beispielsweise kann zu viel Beta-Carotin bei Rauchern das Lungenkrebsrisiko erhöhen. Ebenso können hohe Dosen an Vitamin E oder K langfristig negative Auswirkungen haben.
Für wen eignet sich Functional Food?
Für Menschen mit spezifischen Bedürfnissen wie Schwangere, Leistungssportler oder Allergiker können funktionelle Lebensmittel sinnvoll sein. Doch wer sich vielseitig und ausgewogen ernährt, braucht diese Produkte in der Regel nicht. Das betont auch die Firma Nestlé, die jährlich Milliarden in die Forschung investiert. Eine Studie der Universität Hannover kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Eine gesunde Ernährung leistet oft mehr für die Gesundheit als jede noch so raffinierte Margarine oder probiotischer Drink.
Die Zukunft des Functional Food
Der Markt ruht sich nicht auf seinen Lorbeeren aus. Immer neue Produkte wie potenzsteigernde Schokolade oder Anti-Falten-Marmelade drängen in die Regale. Besonders spannend sind sogenannte "Cosmeceuticals" – Lebensmittel mit kosmetischem Effekt. Ob diese Entwicklungen den Markt revolutionieren oder nur kurzlebige Trends bleiben, wird sich zeigen.
Mehr Schein als Sein?
Functional Food mag auf den ersten Blick wie die perfekte Lösung wirken, um Gesundheit und Genuss zu vereinen. Doch der goldene Weg bleibt eine ausgewogene Ernährung mit frischen, unverarbeiteten Lebensmitteln. Wenn Sie das nächste Mal vor dem Regal mit angereicherten Produkten stehen, denken Sie daran: Ihr Körper braucht keine überteuerten Spezialprodukte, sondern eine liebevolle Mischung aus frischem Obst, Gemüse, Vollkorn und gelegentlich auch einem Stück Schokolade. Denn manchmal ist weniger einfach mehr – und oft auch leckerer!