Wer kennt sie nicht, die guten Ratschläge und Weisheiten, die seit Jahrzehnten durch die Fitnessclubs kursieren und für völlige Verwirrung unter den Fitnessjüngern sorgen. Aussagen wie: „Unter `ner halben Stunde wird eh kein Fett verbrannt“ oder „Jetzt lass das Gewicht mal ganz runter, sonst bringt dat nix“, hören wir auch heute noch in nahezu jedem Fitnessstudio.
Woher kommen diese Mythen?
Wie also kommen solche unbewiesenen Behauptungen zustande? Meist ist es eine Mischung aus falsch verstandenen wissenschaftlichen Publikationen, Halbwahrheiten und Erfahrungswerten, die auf subjektiven Empfindungen beruhen. Wenn man einige dieser Äußerungen mit aktuellen, wissenschaftlichen Forschungsergebnissen und anatomisch-biomechanischen Fakten durchleuchtet, wird schnell klar, dass hier oft mehr Mythen als Fakten von Sportler zu Sportler weitergetragen werden.
Fettverbrennung – Mythos oder Wahrheit?
Fett verbrennen will wohl jeder. Aber wie man das am besten macht, das ist hier die Frage. Im Volksmund heißt es, dass erst ab einer halben Stunde moderatem Ausdauertraining Fett verbrannt wird. Ganz falsch ist das nicht. Allerdings gibt uns ein kurzer Blick auf den leistungsphysiologischen Intermediärstoffwechsel einen tieferen Einblick in die Energiebereitstellung des Körpers. Richtig ist, dass nach etwa einer halben Stunde „leichtem“ Ausdauertraining der prozentuale Anteil an Lipiden (Fetten) höher ansteigt als der Anteil der benötigten Kohlenhydrate, aber die Rede ist hier lediglich vom prozentualen Anteil, nicht vom absoluten!
Wenn die Belastung insgesamt höher ist, ist ergo auch der absolute Fettverbrauch höher. Letztlich geht es vor allem um die Gesamtzahl der verbrauchten Kalorien. Da es bei höheren Intensitäten jedoch leicht zum Training oberhalb der anaeroben Schwelle kommt, was gesundheitlich eher als risikoreich angesehen werden könnte, kann man diese Halbwahrheit im Raum stehen lassen – mit einer gewissen Duldung.
Muskelkater – Was steckt wirklich dahinter?
Der Mythos, dass Muskelkater durch eine Überhäufung von Laktat (Salz der Milchsäure) bei hoher körperlicher Beanspruchung entsteht, ist widerlegt. Abgesehen davon, dass das entstandene Laktat ohnehin in recht kurzer Zeit wieder vom Körper abgebaut wird, tritt Muskelkater meist erst einen Tag später auf. Tatsächlich hat man kleinste Risse in der Muskulatur diagnostizieren können. Diese Mikroverletzungen innerhalb der Muskelfasern entstehen vor allem durch exzentrische Belastungen wie z. B. Bergablaufen oder Niedersprünge. Logisch, dass Stretching nach dem Training den Muskelkater nicht vermeiden, sondern die kleinen Verletzungen eher noch verschlimmern könnte.
Muskelfaserbeanspruchung – die Mär vom gezielten Training
Das Training der „unteren Bauchmuskeln“, des „inneren Brustmuskels“ und des „äußeren Rückenmuskels“ klingt zwar faszinierend, ist aber eher Wunschdenken als Realität. Das Training des M. rectus abdominis (gerader Bauchmuskel) wird gerne in „oberen“ und „unteren“ Part unterteilt. Zwar zeigen EMG-Messungen gewisse Unterschiede in der Aktivierung, je nachdem, ob man vom Rumpf oder vom Becken her einrollt, letztlich zieht sich jedoch der ganze Muskel bei der Kontraktion zusammen – und das ist auch gut so!
Ein starker Rücken kennt keinen Schmerz?
Jetzt mal Hand aufs Herz: Wie viele Menschen kennen Sie, die trotz eines starken Rückens – Bauarbeiter, Handwerker usw. – unter Rückenschmerzen leiden? Plakative Aussagen wie diese führen oft zu einem verzerrten Bild. Sicherlich kann Krafttraining gegen Rückenschmerzen helfen, und fast alle Studien weisen eine hohe Korrelation zwischen „Kraftzuwachs“ und „Schmerzreduktion“ auf. Aber das eine bedingt nicht zwangsläufig das andere.
Bewegung als Schlüssel zur Schmerzfreiheit
Schmerzen werden nicht allein dadurch besser, dass mehr Kraft in den Muskeln steckt. Sie werden vielmehr durch die Bewegung selbst beeinflusst, die gewisse biochemische Stoffwechselvorgänge anregt. Eine Schweizer Studie hat gezeigt, dass Rückenschmerzpatienten, die sich aktiv bewegt haben – sei es durch Aerobic oder Krafttraining – die besten Fortschritte in Bezug auf Schmerzreduktion erzielten. Drei Monate nach der Studie ging es vor allem den Aerobic-Teilnehmern gut. Die Erkenntnis? Bewegung ist die Ultima Ratio – und wenn sie dann auch noch Spaß macht: Herzlichen Glückwunsch!
Literaturquellen
Boeckh-Behrens, W.U.; Buskies, W.: Fitness-Krafttraining. Rowohlt, Reinbek 2000. Herbert, R.; Gabriel, M.: Effects of stretching before and after exercising on muscle soreness and risk of injury: systematic review. British Medical Journal 2002/325/S.468 ff. Mannion, A.F.; Müntener, M.; Taimela, S.; Dvorak, J.: A randomized clinical trial of three active therapies for chronic low back pain. In: Spine 24 (1999) 23, 2435-2448. Pollmer, U.; Frank, G.; Warmuth, S.: Lexikon der Fitness-Irrtümer. Piper, München 2005.