„Le Parkour“ - Trendsport aus Frankreich

„Le Parkour“ - Trendsport aus Frankreich

streichelzarte Haut

Für sie gibt es keine Umwege. Sie lassen sich von keiner Mauer, keinem Zaun aufhalten. Sie überspringen Absperrungen, hangeln sich kunstvoll über Balustraden und klettern an Gebäudefassaden entlang. Sie wählen immer den schwierigen Weg, und Hindernisse sind ihre Herausforderung. Ihre Art, sich in modernen Stadtlandschaften fortzubewegen, ist Sport und Lebenshaltung zugleich. Ihr Name: Traceurs. Ihre Disziplin: Le Parkour.

Die Geburt einer urbanen Bewegung

In den Achtzigerjahren gab es nicht viel Abwechslung für die Jugendlichen der kleinen Stadt Lisses, im Süden von Paris, die von tristen Betonfassaden geprägt war. Inspiriert von seinem Vater, einem ehemaligen Soldaten in Vietnam, entwickelte der junge David Belle spielerisch die Technik, die später unter dem Namen „Le Parkour“ zum Trend werden sollte. Man könnte fast sagen, dass Not erfinderisch macht, denn mangels anderer Beschäftigungsmöglichkeiten verwandelte er gemeinsam mit seinen Freunden sein urbanes Lebensumfeld – Treppen und Häuserfassaden, Mauern und Parkhäuser – in einen einzigen großen Spielplatz. Die Jungs setzten sich ein Ziel, das sie ohne Umwege erreichen wollten. Jedes Hindernis, das sich ihnen in den Weg stellte, wurde als willkommene Herausforderung angenommen und mit Kreativität und Geschick überwunden. So entstand aus der Notwendigkeit heraus eine neue Form der Bewegung, die weit mehr als nur ein Sport werden sollte.

Geschmeidigkeit und Teamgeist: Mehr als nur Spiderman

Geschmeidig wie Spiderman turnen sie durch die Stadtlandschaft, überspringen Geländer und Bänke, springen von Stockwerk zu Stockwerk und von Dach zu Dach, klettern an Fassaden entlang. Nach und nach zog „Le Parkour“ immer mehr Jugendliche in seinen Bann, denn es geht hier um mehr als nur um sportlichen Ehrgeiz. Auch wenn das Überwinden von Hindernissen besondere Federtechniken, Sprungkraft, ein gutes Gleichgewichtsgefühl und hervorragende körperliche Kondition voraussetzt, so spielt doch die psychologische Komponente eine ebenso wichtige Rolle. Dabei steht weniger der Adrenalinkick der riskanten Sprünge und waghalsigen Kletterpartien im Vordergrund, sondern vielmehr der Gedanke des unbedingten Teamgeists. Nur in der Gruppe, mit der Unterstützung und dem Wissen der erfahrenen „Traceurs“, erreichen alle ihr Ziel und bewältigen die scheinbar unüberwindbaren Barrieren. Diese gegenseitige Unterstützung und das gemeinsame Überwinden von Hindernissen stärkt nicht nur den Körper, sondern auch den Charakter und das Selbstvertrauen.

Der Traceur: Wegbereiter und Lebenskünstler

So erklärt sich auch der Name der Anhänger dieses Sports, der zugleich eine Lebenseinstellung ist. Dem Französischen entlehnt, bedeutet „Traceur“ so viel wie „der, der den Weg ebnet“. Wer die Hindernisse mit Respekt vor den eventuellen Gefahren und ohne jegliche Selbstüberschätzung überwindet, wer sich – im wahrsten Sinne des Wortes – seinen Weg ebnet und auch anderen dabei hilft, den mit Hindernissen gespickten Parcours des Lebens zu meistern, der „geht“ auch anders durch das Leben. Er begegnet Herausforderungen mit Mut, Kreativität und dem unbedingten Willen, sie zu bewältigen. Mit Blick auf die oft tristen Verhältnisse in den französischen Vorstädten wundert es kaum, dass „Le Parkour“ gerade dort seinen Ursprung hat. Es bot den Jugendlichen eine Möglichkeit, sich auszudrücken, sich zu beweisen und einen positiven Weg für sich zu finden. Studien im Bereich der Sportpsychologie belegen zudem, dass Sportarten mit starkem Gemeinschaftsaspekt, wie Le Parkour, einen positiven Einfluss auf die soziale Entwicklung und das Selbstwertgefühl junger Menschen haben können.

Vom Underground-Phänomen zum internationalen Trend

Im Laufe der Jahre ist „Le Parkour“ auch über die französischen Grenzen hinweg bekannt geworden. Aus dem Kreis um David Belle ging unter anderem die Gruppierung „Yamakasi“ hervor, der der bekannte Regisseur Luc Besson im Jahr 2001 einen Film widmete und so maßgeblich zur Popularisierung beitrug. Längst haben auch die Werbung und das Showgeschäft die von „Le Parkour“ ausgehende Faszination für sich entdeckt, sei es Madonna in ihren Musikvideos „Jump“ und „Hung up“ oder im James Bond-Film „Casino Royale“, in dem ein „Traceur“ der ersten Stunde, Sébastien Foucan, für atemberaubende und bis heute ikonische Szenen sorgte. „Le Parkour“ hat sich von einer (Stadt-)Randerscheinung zu einem internationalen Phänomen entwickelt, das Menschen auf der ganzen Welt begeistert und inspiriert. Diese mediale Präsenz trug auch dazu bei, dass sich Le Parkour weiterentwickelte und differenzierte. Es entstanden verschiedene Strömungen und Interpretationen, die die Vielfalt dieser Bewegung weiter bereicherten.

Die Institutionalisierung: Von der Straße in die Akademie

Dieser rasanten Entwicklung trug die Gründung der „Académie d’Art du Déplacement“ in Évry, einer Stadt südlich von Paris, zu der auch Lisses gehört, Rechnung. Dort wurden während eines internationalen Parkour-Treffens im Mai 2008 mit Teilnehmern aus Europa, den USA und Kanada die ambitionierten Ziele der jungen Akademie vorgestellt. Im Anschluss an dieses Treffen sollte in Évry ein professionelles Trainingsgelände entstehen, das nicht nur begeisterten Fans der Sportart, sondern auch für die qualifizierte Ausbildung von Trainern, ambitionierten Jugendleitern und sogar Polizisten zur Verfügung stehen sollte. Langfristig verfolgte die Akademie das Ziel, offizielle Trainerlizenzen zu verleihen und somit Standards für die Ausübung und Lehre von Le Parkour zu etablieren. „Le Parkour“ ist somit endgültig aus seinem Schatten als Underground-Phänomen der Vorstadtjugend herausgetreten, seiner ursprünglichen Faszination und Authentizität tut dies jedoch bis heute keinen Abbruch. Im Gegenteil, die Professionalisierung und die Etablierung von Ausbildungsstandards tragen dazu bei, die Sicherheit der Sportler zu erhöhen und die Qualität des Trainings zu gewährleisten. Studien im Bereich der Sportmedizin betonen zudem die Wichtigkeit einer korrekten Technik und eines angemessenen Trainings, um Verletzungen vorzubeugen und die positiven Effekte von Le Parkour auf den Körper optimal zu nutzen.

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