Isometrisches Training  im Fitness Studio  – Sinnvoll oder überholt?

Isometrisches Training im Fitness Studio – Sinnvoll oder überholt?

victor freitags auf Pexels

Die vergessene Trainingsmethode

Isometrisches Training fristet heutzutage ein Schattendasein in vielen Fitnessstudios. Während moderne Trainingsmethoden wie funktionelles Training, CrossFit oder Hypertrophie-Programme im Fokus stehen, bleibt das isometrische Training oft unbeachtet. Doch ist es wirklich überholt oder bietet es einen unterschätzten Mehrwert für Fitnesssportler? Ein Blick auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zeigt, warum isometrische Übungen in keinem Trainingsplan fehlen sollten.

Was ist isometrisches Training?

Isometrisches Training bezeichnet eine Form des Krafttrainings, bei der die Muskeln angespannt werden, ohne dass eine Bewegung stattfindet. Klassische Beispiele sind der Wandsitz oder das Planking. Dabei bleibt die Gelenkstellung konstant, während die Muskelfasern unter Spannung stehen. Moderne Studien zeigen, dass isometrische Übungen insbesondere die neuromuskuläre Ansteuerung verbessern und eine hohe Muskelaktivierung ermöglichen. Dies macht sie besonders wertvoll für die Rehabilitation und die Entwicklung von Maximalkraft.

Vorteile des isometrischen Trainings

Ein entscheidender Vorteil des isometrischen Trainings liegt in der hohen Muskelaktivierung. Untersuchungen zeigen, dass durch statische Belastungen eine intensive Rekrutierung von Muskelfasern erreicht wird. Besonders für die Entwicklung von Maximalkraft und Kraftausdauer hat sich diese Methode als effektiv erwiesen. Speziell für Athleten in Sportarten wie Gewichtheben oder Kampfsport kann isometrisches Training dazu beitragen, Kraft in Schlüsselmomenten eines Bewegungsablaufs gezielt abrufen zu können.

Darüber hinaus eignet sich isometrisches Training hervorragend für Personen mit Gelenkproblemen oder nach Verletzungen, da es keine dynamische Bewegung erfordert und somit die Gelenke schont. Physiotherapeuten setzen es häufig in der Rehabilitation ein, um muskuläre Dysbalancen auszugleichen und die Stabilität zu erhöhen. Besonders bei Knieverletzungen hat sich das statische Halten von Positionen als wirkungsvoll erwiesen, um Muskeln um das Gelenk herum zu stärken, ohne zusätzlichen Druck auf den Knorpel auszuüben.

Ein weiterer Vorteil ist die Verbesserung der intermuskulären Koordination. Da Muskeln und Sehnen über längere Zeiträume unter Spannung stehen, steigert sich die Fähigkeit, Kraft gezielt einzusetzen. Diese Effekte sind besonders für Sportarten relevant, in denen Halte- oder Druckkräfte entscheidend sind, wie Klettern oder Kampfsport. Zudem zeigen Untersuchungen, dass isometrisches Training eine verbesserte Muskelansteuerung fördert, was zu einer besseren Gesamtleistung in komplexen Bewegungsabläufen führen kann.

Nachteile und Grenzen

Trotz der positiven Effekte gibt es auch Nachteile. Ein wesentlicher Punkt ist die begrenzte Übertragbarkeit auf dynamische Bewegungen. Wer beispielsweise seine Sprintgeschwindigkeit verbessern möchte, wird mit rein isometrischen Übungen nur begrenzte Fortschritte erzielen. Hier fehlt der Aspekt der Schnellkraftentwicklung, die für explosive Bewegungen unerlässlich ist.

Ein weiteres Problem ist die mangelnde Varianz. Während herkömmliches Krafttraining durch eine Vielzahl an Übungen Abwechslung bietet, kann isometrisches Training schnell monoton wirken. Zudem ist das Training oft schwer zu messen, da es keine offensichtliche Steigerung in Form von mehr Gewicht oder Wiederholungen gibt. Hier kann jedoch durch Messung der Zeit unter Spannung (Time Under Tension, TUT) ein Fortschritt dokumentiert werden.

Hinzu kommt, dass isometrisches Training die Muskeldurchblutung während der Kontraktion reduziert. Dadurch kann es zu einem Anstieg des Blutdrucks kommen, was für Personen mit kardiovaskulären Problemen problematisch sein kann. Dies ist besonders bei sehr langen Haltezeiten oder bei intensiven Übungen mit maximaler Anspannung relevant.

Integration in den Trainingsplan

Isometrische Übungen sind am effektivsten, wenn sie als Ergänzung zu einem dynamischen Krafttraining eingesetzt werden. Besonders in Makro- oder Mikrozyklen kann diese Methode gezielt zur Leistungssteigerung beitragen. Ein Beispiel wäre die Kombination von Kniebeugen mit einem Wandsitz oder das Halten einer Liegestützposition zur Verbesserung der Rumpfstabilität.

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass isometrisches Training in Kombination mit exzentrischem und konzentrischem Training zu einer verbesserten Kraftentwicklung führt. So könnte ein Athlet beispielsweise eine Kniebeuge in der tiefsten Position für 10 Sekunden halten, bevor er explosiv nach oben drückt. Diese Methode hat sich besonders im Powerlifting und in der Rehabilitation bewährt.

Auch im Bereich der Core-Stabilität hat sich isometrisches Training als besonders effektiv erwiesen. Übungen wie Planks oder das statische Halten einer Seitstütz-Position aktivieren die tieferliegende Muskulatur und sorgen für eine verbesserte Haltung und Körperspannung, was sich wiederum positiv auf andere sportliche Bewegungen auswirkt.

Trainingsbeispiele

Ein klassisches Beispiel für die Integration isometrischer Elemente ist die sogenannte „Yielding Isometrics“-Methode. Hierbei wird eine dynamische Bewegung mit einem statischen Haltepunkt kombiniert. Ein Beispiel wäre eine Kniebeuge, bei der der Sportler für 5 Sekunden in der tiefsten Position hält, bevor er die Bewegung abschließt. Diese Technik erhöht die Muskelspannung und verbessert die Kontrolle über den Bewegungsablauf.

Eine weitere beliebte Variante ist das „Overcoming Isometrics“-Prinzip, bei dem ein Athlet gegen einen unbeweglichen Widerstand drückt. Dies kann beispielsweise mit einer Langhantel geschehen, die gegen eine feste Halterung gedrückt wird. Diese Art des Trainings wird häufig im Leistungssport eingesetzt, um spezifische Kraftbereiche zu verbessern.

Isometrisches Training ist eine effektive Methode zur Steigerung der Muskelkraft, Stabilität und intermuskulären Koordination. Obwohl es keine alleinige Lösung für den Muskelaufbau oder die sportliche Leistungssteigerung ist, bietet es eine sinnvolle Ergänzung in jedem Trainingsplan. Wer seine Kraft gezielt verbessern und Verletzungen vorbeugen möchte, sollte isometrische Übungen nicht unterschätzen. Besonders in Kombination mit dynamischen Kraftübungen kann isometrisches Training ein leistungssteigerndes Element sein, das sowohl im Freizeit- als auch im Leistungssport seine Berechtigung hat.




Quellen:
Edwards JJ, Deenmamode AHP, Griffiths M, Arnold O, Cooper NJ, Wiles JD, O’Driscoll JM. Exercise training and resting blood pressure: a large-scale pairwise and network meta-analysis of randomised controlled trials. Br J Sports Med. 2023;57:1317-1326.
• Schaefer L, Bittmann F. Halten oder drücken? – Neue Studie zu Formen isometrischer Muskelarbeit. PLOS ONE. 2021.


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