HIIT - Was wir von Sprintern lernen können

HIIT - Was wir von Sprintern lernen können

Blick aus dem Hotel Ritzenhof in Saalfelden

Wenn ich mein Fitness-Studio betrete, so fällt der erste Blick auf unzählbare Ergometer, Laufbänder und Crosstrainer - natürlich inklusive der keuchenden Gestalten, deren zweites zu Hause diese Tretmühlen zu sein scheinen. Sieht man sich so ein Cardio-Gerät mal von Nahem an, dann blinken einem allerlei bunte Zahlen entgegen: absolvierte Strecke, Puls, verbrannte Kalorien etc.



Fitnesstraining: Mehr Kalorien verbrauchen, die Ausdauer steigern?...



Klingt ja eigentlich auch gar nicht schlecht: mehr Kalorien verbrauchen, die Ausdauer steigern - alles lohnenswerte Ziele. Nur warum verändern sich die Menschen, die diese Geräte stundenlang traktieren, kaum - schon gar nicht im körperlichen Erscheinungsbild? Ich sehe seit Jahren die gleichen Leute im Cardiopark strampeln - aber ihre Ziele erreichen sie nicht. Einzelne Ausnahmen will ich natürlich nicht verschweigen - aber das Gros der allein Cardio Trainierenden bleibt körperlich gleich oder wird fetter.



Warum ist das so im Fitnessstudio?



Wenn ein Trainingsanfänger von seiner Couch kullert und einen Vertrag im Fitness-Studio abschließt, mit dem Ziel, Fett abzubauen und gegen Ausdauer einzutauschen, so setzt ihn der lokale Fitness-Kaufmann-Azubi auf den nächstbesten Ergometer und veranschlagt eine Stunde strampeln. Richtig ist: Es werden mehr Kalorien verbraucht, als wenn unser Anfänger vor dem Fernseher sitzen würde. Auch baut er durch langes, langsames Training ein gewisses Maß an Ausdauer auf.



Der "Fitness - Trugschluss":



Es würde linear so weitergehen. Der Körper tickt aber nicht so. Um sich zu verbessern, muss man über bisherige Grenzen gehen. Und je weiter die sich nach oben verschieben, um so schwerer sind sie zu erreichen. Hat man also ein gewisses Ausdauerniveau erreicht, so müsste man also entweder mehr, oder schnelle trainieren, als bisher. Aber nur die wenigsten können die Zeit und Motivation aufbringen, mehr als 2 Mal pro Woche angestrengt über eine Stunde zu trainieren. Und selbst wenn: Auch hier ist irgendwann wieder eine Grenze erreicht, die nur mit noch intensiverem und längerem Training gebrochen werden kann.



Hat unser Anfänger also jetzt 3 Monate durchgehalten und brav 2mal wöchentlich gestrampelt, so ist ein Niveau erreicht, dass der Körper kennt. Er richtet sich also darauf ein, in Kürze wieder einer derartigen Belastung ausgesetzt zu sein und wird: effizienter! Mittels angepasster Energiebereitstellung und intramuskulärer Koordination spart dieser Misthund von Körper einfach Energie ein! Obwohl man die gleiche Leistung von vor 1 Monat bringt, verbraucht diese nicht mehr die gleiche Kalorienzahl. Und dazu kommt: Wenn man sich nicht an einen Ernährungsplan hält, steigert er auch noch seinen Hunger und man isst automatisch etwas mehr.



Und dazu kommt leider: Mehr Stresshormone, weniger Sex



Ab einer gewissen Länge des Trainings schüttet der Körper mehr Stresshormone aus. Und diese unterdrücken andere wichtige Hormone, die für den Aufbau von Muskulatur, das Wohlbefinden, den Sexualtrieb und schlussendlich den Abbau von Körperfett zuständig sind. Es gibt also durchaus auch Trainierende, die zu lange laufen/radeln und sich aufgrund der hormonellen Reaktion in eine Situation begeben, die den Fettaufbau begünstigt! Mal wieder gilt: Der Körper ist keine einfache Kalorien-Rechenmaschine, sondern ein sensibles System aus Hormonen und Nerven.



Es muss doch aber einen Ausweg aus dieser Situation geben, wenn man zwar Fett abbauen, aber das Ausdauertraining nicht zu kurz kommen lassen will! Und den gibt es tatsächlich: in Form von HIIT! Was ist denn das nun wieder für ein alter Wein in neuen Schläuchen? Einfach ausgedrückt basiert HIIT (High Intensity Interval Training, zu deutsch "Hochintensitäts-Intervall-Training") auf kurzen, hochanstrengenden Trainingsphasen im Wechsel mit Erholungspausen. Also beispielsweise: 6 Serien á 20 Sekunden Sprint, 20 Sekunden Gehen.



HITT Training - Alle Vorteile auf einen Blick



Bevor wir uns der Praxis dieser Trainingsart zuwenden, nun noch einige Fakten um HIIT. Da man sich in den Intervallen sehr intensiv belastet, steigt auch dementsprechend die Herzfrequenz. Oberstes Ziel ist es demnach, innerhalb des Belastungsintervalls einen möglichst hohen Puls anzustreben, den man im Pausenintervall so tief wie möglich senken will. Es ergibt sich daraus, dass man idealerweise im ersten Belastungsintervall am meisten Leistung bringen kann. Alle folgenden sind davon gekennzeichnet, trotz höchster Anstrengung und vorheriger Pause nicht mehr die Werte des ersten Intervalls bringen zu können (wenn wir bei dem Muster 20 s Sprint/20 s Pause bleiben wollen, so schafft man im ersten Belastungsintervall möglicherweise 140 Meter, im zweiten trotz vollster Anstrengung nur noch 138, usw.).



Auf diese Weise umgeht man die Gewöhnung des Körpers an eine bestimmte Leistung. Bringt man kurze Zeit Voll-Last, so stößt man unweigerlich an seine Grenzen - und die verschiebt der Körper mit der Zeit.



Energiebereitstellung beim HITT Training



Ein weiterer Vorteil liegt in der Energiebereitstellung. Höchstleistung kann größtenteils nur ohne Zuhilfenahme von Sauerstoff energetisch abgesichert werden. So werden in kürzester Zeit große Mengen Muskelglykogen verbraucht - die später durch aufgenommenen Zucker wieder ersetzt werden müssen. Das Tolle dabei: Der Körper merkt sich bei wiederholten Höchstanstrengungen, dass der Zucker in der Muskulatur gebraucht wird, um derartige Anstrengungen absichern zu können. Also speichert er Nahrungskohlenhydrate bevorzugt in der Muskulatur und vergrößert auch noch die Depots. Somit ergeben sich Synergieeffekte mit eventuellem Krafttraining (Erhöhung der Kraftausdauer und Maximalkraft) und nebenbei kann man auch noch ungestraft mehr Schokolade essen ...



Wird während der Belastungsintervalle Vollgas vom Trainierenden gegeben und findet eine mehrfache Wiederholung dieser statt, so potenziert sich ein sehr wünschenswerter Effekt: das sogenannte Nachbrennen. Darunter versteht man einen weiterhin aktiven Stoffwechsel, obwohl man gar nicht mehr trainiert und längst wieder auf der Couch liegt. Die Wissenschaft ist noch nicht vollends durch dieses Phänomen gedrungen, jedoch handelt es sich dabei wohl um mehrere Faktoren, die den Stoffwechsel trotz Ruhezustands hochhalten. So z.B. befinden sich Hormone wie Adrenalin und Noradrenalin immer noch in der Umlaufbahn, die für eine Aufrechterhaltung des Flucht/Kampf-Modus sorgen.



Sauerstoffschuld beim HITT Training



Weiterhin geht der Körper bei Hochanstrengung eine sogenannte "Sauerstoffschuld" ein. Die Energiebereitstellung in den Zellen muss aufgrund der mangelnden Zeit ohne Sauerstoff ablaufen - in der Ruhephase danach wird diese Schuld offenbar wieder ausgeglichen. Die Regeneration der Zellen bedarf wieder eigener Energie, teils über mehrere Stunden.



Die kurzzeitig hohe Belastung für das Herz-Kreislauf-System signalisiert dem Körper dann auch noch einen erhöhten Bedarf an Ausdauer. Es gibt hierzu einige Studien, die in der Endkonsequenz alle auf das eine Ergebnis herauslaufen: Selbst für Mitteldistanzen konnte das HIIT-Training einen höheren Leistungsanstieg verbuchen. Lediglich in Langdistanzen war klassisches Cardio-Training HIIT überlegen.



In Teil 2 dieses Artikels soll es um das Training, einige Praxistipps und Hinweise rund um die Ausführung und erfolgreiche Anwendung von HIIT gehen.



Bis dahin, Ihr



Patrick Raabe



 



 



 



 



 



 



 

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