Obwohl es heutzutage kaum noch für einen Durchschnittsmenschen notwendig ist, so stellte das vertikale Zurücklegen einer bestimmten Strecke - kurz: klettern - eine der grundlegendsten Bewegungsformen unserer Vorfahren dar, sei es, um einen sicheren Schlafplatz zu finden, sich Nahrung zu holen, neue Wege zu erkunden oder an einen sicheren Ort zu flüchten. Dazu musste sich Genosse Homo Sapiens mit kräftigen Arm- und Rückenbewegungen nach oben ziehen können, eine Fähigkeit, für die nicht jedes Lebewesen geschaffen ist, deren genetisches Potenzial aber eine gewisse Notwendigkeit für die Erhaltung einer gesunden Ausprägung der Muskulatur anzeigt.
Im Gegensatz zu anderen alltäglichen Bewegungen, die uns trotz Überwindung der Schwerkraft einfacher fallen, wie z.B. Heben eines Armes, Bücken und Aufrichten oder Heben der Beine beim Gehen, ist das Ziehen des Körpers nach oben eine schwer zu bewältigende Angelegenheit, da das komplette Körpergewicht nur mit Hilfe relativ weniger Muskeln (im Gegensatz zur Kniebeuge, welche nahezu die gesamte Körpermuskulatur beansprucht), nämlich – hauptsächlich - dem breiten Rückenmuskel („Latissimus“), der hinteren Schulter und dem Bizeps, bewegt wird.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass in Zeiten, in denen eine solche Bewegung nicht Bestandteil des Alltags und gleichzeitig ohnehin relativ anstrengend zu bewältigen ist, fast kein Normalbürger in der Lage ist, sie durchzuführen. Maximal im Schulsport wird diese Bewegungsart in Form des Klimmzuges abgefordert. An diesem Punkt stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit bzw. des Nutzens einer solchen Übung für den zivilisierten Bürger des 3. Jahrtausends.
Im Grunde ist dies eine rhetorische Frage, da der gesundheitliche Nutzen jeglicher Art von Bewegung offensichtlich ist. Im Speziellen liegt der Benefit des Klimmzugs aber darin, dass er eine der besten Übungen zur Stabilisierung der Wirbelsäule darstellt. Der angesprochene breite Rückenmuskel, welcher durch den Klimmzug hauptsächlich trainiert wird, ist einer der tragenden Säulen des Stabilisierungssystems der Wirbelsäule (zusammen mit Rückenstreckern und seitlichen Bauchmuskeln), da er selbiges diagonal verspannt. Somit hat der Klimmzug direkten Einfluss auf Haltung, Rücken- und damit Gesamtgesundheit.
Mit Klärung des gesundheitlichen Nutzens tut sich nun die Frage auf, wie viele Klimmzüge man als durchschnittlicher Mensch schaffen sollte. Dies ist natürlich nicht pauschal zu beantworten, da einige Faktoren, wie Geschlecht, körperliche Einschränkungen, Hebelverhältnisse des Körpers oder Lebensalter eine gewichtige Rolle dabei spielen. Übrig bleibt somit die Richtlinie:
Jeder sollte sein Bestes geben! Und da Klimmzüge zu den Übungen gehören, die keines großen Ausrüstungsaufwandes bedürfen – eine Klimmzugstange lässt sich für wenig Geld in jeden Türrahmen einhaken – und zudem zu Hause „zwischen Tür und Angel“ ausgeführt werden können, ist es denkbar einfach, Fortschritte zu machen.
Wie kann nun der untrainierte Mensch ohne Zugriff auf ein Fitnessstudio erlernen, Klimmzüge zu absolvieren? Wenn man keinen Klimmzug schafft, so ist das nicht weiter tragisch, denn es gibt Varianten, die mit weniger Intensität auf den echten, allein durchgeführten Klimmzug hinarbeiten lassen.
Die beste Variante ist der sogenannte negative Klimmzug, bei welchem man sich so an die Klimmzugstange hängt, dass das Kinn sie berührt. Dann lässt man sich so langsam wie möglich herab in die hängende Position (bei der Klimmzugstange zuhause muss man dabei die Beine nach hinten anwinkeln). Anfangs sollte man maximal 3-4 solcher negativen Wiederholungen machen, dafür alle Konzentration hineinlegen. Mit der Übung kann man sich auf 10 hocharbeiten. Nach einiger Zeit sollte man versuchen, ob man diese Abwärtsbewegung unterwegs stoppen kann. Dann hat man bereits Kraftfortschritte gemacht.
Wenn man die Bewegung stoppen kann, so heißt das erstmals, dass man den Klimmzug kontrolliert. Ab da ist es nur noch ein kleiner Schritt, bis eine abgestoppte Bewegung in eine positive (also das Heraufziehen aus eigener Kraft) gewandelt werden kann. Hat man dies das erste Mal geschafft, so bildet man aus positiven, gestoppten und negativen Klimmzügen einen Trainingssatz von 10 Klimmzügen.
Man kann dieses Niveau dazu nutzen, um die Anzahl an positiven Klimmzügen nach oben zu schrauben, wichtig ist nur, nicht aus Übereifer den Bewegungsradius zu verkleinern (also entweder nicht ganz bis zum Kinn zu ziehen, oder nicht richtig herunterlassen), da sich sonst die gewünschten Trainingseffekte nicht mehr komplett einstellen. Im hängenden Zustand ist der breite Rückenmuskel volständig gedehnt, bei Kinnberührung der Klimmzugstange vollständig kontrahiert. Nur der vollständige Bewegungsradius gewährt den vollen Nutzen der Übung. Welche Griffvariante und -breite dabei gewählt wird, spielt keine vordergründige Rolle.
Während man den Klimmzug erlernt/ausbaut, ist es von Bedeutung, dass man einen gewissen Verbesserungswillen an den Tag legt. Nur wenn man sich von Trainingseinheit zu Trainingseinheit (welche bei Klimmzügen nur relativ kurz sein müssen) scheibchenweise verbessert, kann man langfristig Erfolg haben. Aber gerade anfangs ist es wichtig, sich auch nicht von einer schlechten Trainingseinheit die Motivation nehmen zu lassen.
Klimmzüge sind eine lohnenswerte, äußerst gesundheitsfördernde Übung, alltagstauglich und für Jedermann erlernbar!
Michael Bauer
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