https://www.fitness.com/de/articles/die-erben-von-joseph-pilatesPilates erfreut sich weiterhin einer bemerkenswerten Beliebtheit. Während andere Fitnessrichtungen oft um neue Kundschaft buhlen, weist die Pilates-Branche beeindruckende Zuwachsraten auf und setzt damit seit Jahren einen besonderen Trend. Allerdings herrscht längst nicht mehr die schwärmerische Aufbruchstimmung der frühen Jahre, in denen sich beinahe jeder engagierte Fitnesstrainer spontan zum Pilatescoach erklärte. Diese Zeit hat sich verändert: Aus anfänglichem Enthusiasmus sind durchdachte Geschäftsmodelle geworden, die genaue Businesspläne erfordern, wenn man in dem Markt erfolgreich sein möchte. Auch verschiedene Berufsverbände wie der Deutsche Pilates Verband (DPV) tragen maßgeblich dazu bei, dass die Professionalisierung in dieser Szene weiter voranschreitet.
Warum Pilates immer noch so begehrt ist
Wer Pilates noch aus den frühen 2000ern kennt, erinnert sich vielleicht, dass viele Menschen damals zum ersten Mal überhaupt etwas von „Body & Mind“-Konzepten hörten. Joseph Hubertus Pilates, der Namensgeber, hatte schon Anfang des 20. Jahrhunderts ein Trainingssystem entwickelt, das Körper und Geist in Einklang bringen soll. Obwohl die Methoden über Jahrzehnte eher in ausgewählten Kreisen populär waren, kam es irgendwann zum Hype: Filmemacher, Hollywoodstars und Fitnessgurus schwärmten in den Medien von ihrer neu entdeckten Liebe zu Pilates. Diese Begeisterung hat seither nicht abgenommen, denn Pilates präsentiert sich als äußerst effektives Ganzkörpertraining, das nicht nur die tief liegenden Muskeln anspricht, sondern auch die Koordination verbessert und eine zentrierte Haltung fördert. Zum Leitbild gehört außerdem die Betonung von Achtsamkeit und einer bewussten Körperwahrnehmung, was modernen Menschen in hektischen Zeiten entgegenkommt.
Geordnete Strukturen statt Improvisation
Inzwischen ist der wild wuchernde „Pilatesboom“ professionalisiert worden. So mancher Fitnesstrainer, der in der Anfangsphase nur ein kurzes Wochenendseminar besucht hatte und sich daraufhin Pilatestrainer nannte, verschwindet heute vom Markt oder erweitert seine Kompetenzen durch eine fundierte Ausbildung. Da der Begriff „Pilates“ rechtlich nicht geschützt ist, kann sich in der Theorie zwar jeder so nennen, doch Institute und Berufsverbände setzen verstärkt auf Qualitätssiegel, um den Kunden klare Maßstäbe an die Hand zu geben. So gibt es in den USA schon lange einen Pilatesverband, der lizenzierte Ausbildungen anbietet und Standards für die Trainerqualifikation schafft. Diese Praxis ist nach und nach in andere Länder übergeschwappt, etwa nach Deutschland. Dort wurde der Deutsche Pilates Verband gegründet, unter der Führung von Präsidentin Verena Gehweniger, die 2008 die Pilates Convention veranstaltete. Hier trafen sich vorwiegend deutschsprachige Pilatestrainer, aber auch internationale Firmen und Experten waren vertreten, um neue Erkenntnisse, Trainingsansätze und technische Innovationen vorzustellen.
Das wachsende Interesse an Pilatesgeräten
Wer sich die Entwicklung der letzten Jahre genauer ansieht, erkennt, dass Pilates längst nicht mehr nur auf der Matte stattfindet. Zwar bleibt das Matwork ein zentraler Bestandteil, doch immer mehr Trainer setzen spezielle Geräte ein, um Menschen bei den Bewegungsabläufen zu unterstützen oder sie zu intensivieren. Bei Pilatesgeräten wie dem Reformer oder dem Chair helfen geführte Bewegungsabläufe dabei, den Körper in einer korrekten Ausrichtung zu halten, und bieten zugleich variable Widerstände. Gerade für Neulinge, die sich häufig schwer damit tun, die hochkomplexen Übungen anfangs präzise auszuführen, sind diese Geräte ein Segen. Studien aus dem Sport- und Rehabilitationsbereich bestätigen, dass das Training an Geräten mit Führungshilfen dabei hilft, Muskulatur gezielt und zugleich gelenkschonend zu stärken. Viele Trainer, die bisher nur Matwork im Angebot hatten, denken über eine Investition in Geräte nach, um ihre Kunden noch effektiver zu betreuen und möglicherweise ihr eigenes Pilatestudio aufzubauen.
Die Pilates Convention als Treffpunkt für Fachleute
Auf der Pilates Convention 2008 begegneten sich unterschiedlichste Akteure: erfahrene Studiobetreiber, frischgebackene Trainer, neugierige Quereinsteiger. Während die einen auf der Suche nach Inspiration und modernem Trainingsequipment waren, wollten andere vor allem Geschäftskontakte knüpfen. Denn Pilates hat nicht nur eine sportliche Seite, sondern ist für viele längst zu einem stabilen Geschäftszweig geworden. Hochwertige Trainingsgeräte, ausgereifte Ausbildungsprogramme und der Trend zu Premium-Fitnessstudios schaffen Möglichkeiten für lukrative Nischen. Wer geschickt plant, kann von diesem Boom profitieren, wenn er es versteht, die Kundschaft professionell zu betreuen und ihr den Mehrwert von Pilates nahezubringen. Dazu gehört aber nicht nur das Beherrschen der Übungen, sondern auch wirtschaftliches Denken und überzeugendes Marketing.
Was Feldenkrais und Pilates verbindet
Einen interessanten Akzent setzte auf dieser Convention der Sportwissenschaftler Matthias Rießland, der sich intensiv mit der Feldenkrais-Methode befasst. Entwickelt vom Physiker und Judoka Moshé Feldenkrais, setzt diese Lernmethode weniger auf die exakte Ausführung einer einzelnen Übung, sondern vielmehr auf die bewusste Wahrnehmung der eigenen Bewegungen. Feldenkrais betonte, dass Menschen durch Achtsamkeit gegenüber alltäglichen Haltungen und Abläufen ihre Bewegungsqualität erheblich verbessern können. Für Pilatestrainer, so Rießland, könnte die Feldenkrais-Methode eine echte Bereicherung sein, weil sie den Blick auf das „Wie“ der Bewegung schärft. Wer zum Beispiel auf einer instabilen Rolle trainiert, wie es in vielen Pilateskursen üblich ist, muss nicht nur Muskeln anspannen, sondern sich voll auf die feinen Unterschiede in der Balance konzentrieren. Wenn man diese Achtsamkeit mit den Prinzipien des Pilates verbindet, ergibt sich ein noch klarerer Fokus auf Körperbewusstsein und Präzision. Sportwissenschaftler vermuten, dass solche Crossovers den Trainingseffekt weiter steigern, denn sie fördern die Lernfähigkeit und wirken vorbeugend gegen Verletzungen.
Warum Achtsamkeit so wichtig ist
Die meisten modernen Fitnesskonzepte betonen Schnelligkeit, Intensität und permanentes Höher-Schneller-Weiter. Im Gegensatz dazu erlaubt Pilates den Teilnehmenden, bewusst eine Spur langsamer vorzugehen, aber dafür umso tiefgreifender auf die inneren Vorgänge zu achten. Eine wachsende Zahl von Psychologen und Ärzten bestätigt, dass diese achtsame Haltung große Vorteile mit sich bringt. Wer Pilates ernsthaft praktiziert, lernt, die Qualität seiner Atmung wahrzunehmen und die Rumpfmuskulatur — das berüchtigte „Powerhouse“ — gezielt anzusteuern. Wissenschaftliche Untersuchungen stellen immer wieder fest, dass Menschen mit einer kräftigen Tiefenmuskulatur seltener an Rückenbeschwerden und Haltungsproblemen leiden. Pilates trägt dank seiner kontrollierten Übungen viel dazu bei, Fehlhaltungen zu korrigieren und die Wirbelsäule zu entlasten. Außerdem findet man in vielen Betrieben sogenannte „Firmenfitness-Programme“, in denen Pilates- und Yogakurse angeboten werden, um Stress zu reduzieren und den Mitarbeitern einen Ausgleich für das ständige Sitzen am Schreibtisch zu bieten.
Innovative Anregungen von der Pilates Convention 2008
Die Convention diente nicht nur dem Netzwerken und Austausch, sondern stellte auch Trends und Neuerungen vor. Abgesehen von der Rolle, der man in vielen Studios begegnet, experimentieren Lehrer auch gern mit weiteren Kleingeräten wie Bällen oder flexiblen Bändern. Für die Teilnehmer, die eher einen leistungsorientierten Weg gehen wollen, gab es Workshops, bei denen Kraft und Ausdauer stärker im Mittelpunkt standen, etwa durch hochintensives Intervalltraining in Kombination mit klassischen Pilates-Bewegungsmustern. Andere Sessions widmeten sich dem wohltuenden Aspekt, etwa durch bewusste Entspannung und Stressabbau, die in Pilatesübungen integriert wurden. Die enorme Bandbreite an Themen machte klar, wie wandelbar die Methode sein kann. Damit bleibt Pilates interessant für viele Menschen, die ihre Fitnessziele erreichen und zugleich ein ganzheitliches Körperverständnis entwickeln möchten.
Ein Blick auf die Zukunft und die Rolle des Gemeinschaftsgefühls
Zum Ende der Convention war offensichtlich, dass Pilates im deutschsprachigen Raum weiter stabil wachsen dürfte. Den Gästen wurde klar, dass der Bedarf an Gemeinschaft und gegenseitiger Inspiration nicht nur ein nettes Beiwerk, sondern für viele Trainer und Studiobetreiber ein echter Katalysator ist. Wer isoliert arbeitet, läuft Gefahr, in eingefahrenen Mustern stecken zu bleiben. Austausch und kollegiale Zusammenarbeit hingegen führen zu neuen Einblicken: Jemand entdeckt vielleicht, dass er das Feldenkrais-Prinzip noch stärker in seine Pilatesstunden integrieren möchte, oder man tauscht Tipps zur finanziellen Planung beim Kauf eines Reformers aus. Da Pilates-Fans traditionell sehr leidenschaftlich sind, macht es Sinn, sich in Verbänden zu organisieren und Events zu besuchen, um auf dem Laufenden zu bleiben. Für die Teilnehmer der Pilates Convention 2008 war wohl genau das der größte Gewinn: Sie trafen Gleichgesinnte, lernten Neues und stärkten das Gefühl, Teil einer lebendigen, wachsenden Gemeinschaft zu sein.
Fazit: Mehr als nur ein Fitnesstrend
Pilates hat sich längst als etablierte Methode bewährt, die nicht nur den Körper in Form bringt, sondern auch für mehr innere Ruhe und Selbstwahrnehmung sorgen kann. Dass die Euphorie der ersten Jahre heute eher auf stabilen Säulen ruht, ist ein gutes Zeichen. Qualität und Fachwissen setzen sich durch, was für die Kunden zu einem zuverlässigeren Angebot führt und den Trainern hilft, sich seriös am Markt zu positionieren. Die Pilates Convention 2008 war ein Beispiel dafür, wie reger Austausch in der Branche vorangetrieben wird und innovative Ideen entstehen. Das wachsende Interesse an Geräten zeigt, dass Pilates nicht immer nur Mattenübungen sein muss. Gleichzeitig verdeutlichen Anleihen aus Feldenkrais und verwandten Methoden, wie wichtig das Thema Achtsamkeit bleibt. Vielleicht trifft man demnächst wieder einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich in Richtung lizensierte Trainerausbildung bewegen und in kleinen oder großen Studios ihre Ideen verwirklichen. So bleibt Pilates eine faszinierende Begegnungsstätte für alle, die Fitness nicht nur als Auspowern, sondern als eine Form von Körperintelligenz begreifen. Letztlich geht es dabei immer um die Frage: Wie spüre ich mich eigentlich während der Bewegung? Und diese Frage beantwortet Pilates wohl so charmant, dass der Boom noch lange nicht vorbei sein wird. Auf ein Wiedersehen bei der nächsten Convention.