Faszientraining: Wichtig? Sinnfrei? oder gar schädigend?

Faszientraining: Wichtig? Sinnfrei? oder gar schädigend?

Foto: Maridav fotolia.de
Faszientraining hat sich in den letzten Jahren als Trend im Fitnessbereich etabliert. Viele Studios bieten spezielle Kurse an, während Trainer und Therapeuten gezielt mit Faszienrollen oder -bällen arbeiten. Doch wie sinnvoll ist dieser Hype wirklich? Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen ein differenziertes Bild, das von potenziellen Vorteilen bis hin zu Missverständnissen und überzogenen Versprechen reicht.

Was sind Faszien und warum stehen sie im Fokus?

Faszien sind bindegewebsartige Strukturen, die Muskeln, Organe und andere Gewebe umhüllen und miteinander verbinden. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung, Beweglichkeit und Kraftübertragung im Körper. Lange Zeit wurden sie in der Trainingslehre wenig beachtet, doch neue Forschung hat ihre Bedeutung für Bewegungsqualität und Schmerzprävention hervorgehoben.

Allerdings werden Faszien oft isoliert betrachtet, was problematisch ist. Sie sind eng mit Muskeln, Nerven und anderen Geweben verknüpft. Diese Verflechtung macht es schwierig, gezielt nur Faszien zu trainieren. Bewegung wirkt immer auf den gesamten Bewegungsapparat, nicht nur auf einzelne Gewebe.

Die Versprechen des Faszientrainings

Befürworter des Faszientrainings argumentieren, dass gezielte Übungen Verklebungen lösen, die Beweglichkeit verbessern und Schmerzen lindern können. Besonders das Arbeiten mit Faszienrollen oder federnden Bewegungen wird als wirksam beworben. Studien legen nahe, dass diese Methoden die Durchblutung fördern und die Elastizität des Gewebes unterstützen können.

Doch viele Versprechen halten einer genauen Prüfung nicht stand. Aussagen wie „Faszientraining revolutioniert die Fitnesswelt“ oder „Spezielle Übungen reparieren das Bindegewebe“ sind oft nicht wissenschaftlich fundiert. Zwar gibt es Hinweise, dass Faszientraining kurzfristig Schmerzen reduzieren kann, aber die langfristigen Effekte sind weniger eindeutig.

Kritik am Faszientraining

1.Isolierte Betrachtung der Faszien:
Die Idee, Faszien unabhängig von anderen Geweben zu trainieren, ist wissenschaftlich nicht haltbar. Faszien arbeiten immer in Verbindung mit Muskeln, Nerven und dem gesamten Bewegungssystem.
2. Fehlende Evidenz:
Viele der propagierten Methoden sind nicht ausreichend durch Studien abgesichert. Besonders Übungen, die als „faszienspezifisch“ vermarktet werden, beruhen oft mehr auf Marketing als auf wissenschaftlicher Grundlage.
3. Überlastungsrisiken:

Aggressives Rollen oder Dehnen kann in manchen Fällen mehr Schaden als Nutzen bringen, etwa durch Überreizung des Gewebes oder Entzündungen. Besonders Menschen mit Vorerkrankungen oder Schmerzen sollten vorsichtig sein.
4. Missverständnisse in der Trainingspraxis:
Oft werden einfache Bewegungen, wie federnde Kniebeugen, als „faszienfokussiert“ verkauft, obwohl sie keine spezielle Wirkung auf das Bindegewebe haben.

Sinnvolle Ansätze im Umgang mit Faszien

• Ganzheitliche Bewegung:
Faszien profitieren von vielfältigen Bewegungen, die den gesamten Körper fordern. Aktivitäten wie Yoga, Pilates oder funktionelles Training wirken positiv auf das Gewebe, ohne es isoliert zu betrachten.
• Sanfte Techniken:
Moderates Arbeiten mit Faszienrollen oder gezieltes Dehnen kann die Beweglichkeit fördern und Verspannungen lösen. Wichtig ist, dabei nicht zu übertreiben und die individuelle Belastbarkeit zu berücksichtigen.
• Kombination aus Kraft und Mobilität:
Starke und elastische Faszien entwickeln sich durch ein Zusammenspiel von Krafttraining, dynamischen Bewegungen und ausreichender Regeneration.

Kann Faszientraining schädlich sein?

Bei falscher Anwendung oder übertriebener Intensität kann Faszientraining problematisch sein. Zu starkes Rollen auf empfindlichen Stellen, wie der Lendenwirbelsäule oder dem IT-Band, kann Schmerzen verschlimmern oder das Gewebe irritieren. Menschen mit bestimmten Erkrankungen, wie Osteoporose oder entzündlichen Prozessen, sollten vor Beginn des Trainings Rücksprache mit einem Experten halten.

Faszientraining – sinnvoll, aber mit Maß

Faszientraining kann ein nützlicher Bestandteil eines ganzheitlichen Bewegungsprogramms sein, wenn es richtig angewendet wird. Es ist jedoch kein Wundermittel und sollte nicht isoliert betrachtet werden. Viel wichtiger als spezielle Übungen ist eine abwechslungsreiche, funktionelle Bewegung, die alle Aspekte des Körpers anspricht.

Trainer und Therapeuten sollten kritisch hinterfragen, welche Methoden wirklich evidenzbasiert sind, und ihre Kunden entsprechend aufklären. Statt blind einem Trend zu folgen, ist es sinnvoller, bewährte Prinzipien der Trainingslehre zu nutzen und dabei die Faszien als Teil des gesamten Bewegungsapparats zu betrachten.

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