Die Sarkopenie - Wenn Muskeln im Alter schwinden

Die Sarkopenie - Wenn Muskeln im Alter schwinden

Bild von Tung Lam auf Pixabay

Die Sarkopenie – Wenn Muskeln im Alter schwinden

Die Sarkopenie, der altersbedingte Verlust von Muskelmasse und -funktion, ist ein weitverbreitetes Phänomen, das die Lebensqualität und Selbstständigkeit älterer Menschen erheblich beeinträchtigen kann. Dieser Artikel beleuchtet die komplexen Ursachen und Mechanismen der Sarkopenie auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Abnahme der Muskelkraft und -leistung im Alter

Mit zunehmendem Alter lässt die Muskelkraft und -leistung nach. Studien belegen eine verminderte Kraft und muskuläre Leistungsfähigkeit bei beiden Geschlechtern im Alter [Candow, 2005; Lauretani et al., 2003; Short & Nair, 2001; Visser et al., 2002]. Bereits ab dem 60. Lebensjahr zeigt sich eine eingeschränkte Muskelfunktion [Deschenes, 2004]. Dabei treten regionale Unterschiede am Körper auf. So nimmt zwischen dem 50. und dem 65. Lebensjahr bei Frauen die Kraft des Oberkörpers um etwa 20 %, die Kraft der unteren Extremitäten jedoch um etwa 40 % ab. Die Beinkraft nimmt also deutlich schneller ab als die Armkraft [Humphries et al., 1999].

In der siebten und achten Lebensdekade ist die maximale Kontraktionskraft in proximalen und distalen Muskeln bei beiden Geschlechtern um 20 bis 40 % reduziert [Dorrens & Rennie, 2003]. Interessanterweise korreliert die Abnahme der muskulären Leistungsfähigkeit mit der zunehmenden Infiltration der Skelettmuskulatur durch Fettgewebe [Visser et al., 2002]. Die Konsequenz dieser reduzierten Leistungsfähigkeit ist eine zunehmende Behinderung [Walradn & Boirie, 2005]. Die Prävalenz von funktionellen Limitierungen nimmt bei Personen mit einer Sarkopenie der Klasse II zu [Zoico et al., 2004]. Es ist daher entscheidend, die im Alter unvermeidliche Sarkopenie so weit wie möglich zu begrenzen, um ein unabhängiges Leben zu ermöglichen.  Krafttraining könnte da helfen

Veränderung der Körperzusammensetzung

Der Alterungsprozess ist mit deutlichen Veränderungen der Körperzusammensetzung verbunden. Der Verlust an Skelettmuskulatur ist die bedeutendste Veränderung. Zusätzlich nehmen mit fortschreitendem Alter (von 60 bis 95 Jahren) das totale Körperfett und insbesondere das viszerale Fett zu [Evans, 2004; Kyle et al., 2001]. Im Alter steigen der BMI, der Hüft- und Bauchumfang, während die Körpergröße abnimmt [Zamboni et al., 2003]. Neben der Abnahme der Skelettmuskelmasse erhöht sich mit zunehmendem Alter auch die viszerale und intermuskuläre Fettmasse [Hughes et al., 2002]. Bei beiden Geschlechtern nimmt die Fettmasse pro Dekade um etwa 7,5 % zu. Die Zunahme der intermuskulären Fettmasse ist mit metabolisch-endokrinen Veränderungen assoziiert [Song et al., 2004].

Endokrine Faktoren

Hormone spielen eine wichtige Rolle in der Pathogenese der Sarkopenie. Insbesondere Testosteron, Insulin und Wachstumshormon sind hier von Bedeutung. Die Abnahme der Produktion anaboler Hormone wie Testosteron, Wachstumshormon und insulinähnlicher Wachstumsfaktor I (IGF-I) hemmt die Fähigkeit der Skelettmuskulatur, Aminosäuren aufzunehmen und kontraktile Eiweiße zu produzieren [Deschenes, 2004]. Beim Mann besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen Testosteron und Muskelmasse. Die durchschnittliche Reduktion der Testosteronproduktion um 1 bis 2 % pro Jahr wirkt sich negativ auf die Muskelmasse aus. Dieser Rückgang ist beim freien Testosteron noch deutlicher. Die Konzentration des freien Testosterons nimmt ab dem 25. Lebensjahr jährlich um etwa 1,2 % ab [Neumann & Engelhardt, 2000]. Besonders das biologisch aktive, freie Testosteron ist jenseits des 55. Lebensjahres um etwa 30 % niedriger als im 25. Lebensjahr.

Zwischen dem 60. und 80. Lebensjahr haben etwa 22 % der Männer ein subnormales Gesamttestosteron (< 11 nmol/l) und ein deutlich erniedrigtes freies Testosteron (< 0,18 nmol/l). Neben dem Verlust an anabolen Stimuli führt ein Testosteronmangel auch zum Verlust von antikatabolen Effekten, da das Sexualsteroid die Bildung kataboler Interleukine wie IL-1 und IL-6 hemmt. Auch Adipositas und Sarkopenie treten bei Frauen in der Menopause aufgrund des Rückgangs der Sexualhormone vermehrt auf [Sorensen, 2002]. Die im Alter nachlassende Insulinwirkung trägt ebenfalls zur Entwicklung der Sarkopenie bei.

Dies betrifft in erster Linie Diabetiker, aber auch die bei älteren Menschen zunehmende Insulinresistenz begrenzt dessen antikatabole Wirkung. Neben dem Alter spielen hier die Zunahme des viszeralen Fettgewebes und Bewegungsmangel eine zentrale Rolle. Insbesondere Einflüsse, die zu einer Erhöhung der Konzentration an Tumor-Nekrose-Faktor alpha (TNF-α) beitragen, beeinträchtigen die Funktion der Insulinrezeptoren. Die Achse Wachstumshormon-IGF-I gilt als wichtiger Regulator der Muskelmasse. Mindestens zwei unterschiedliche IGF-I-Arten stammen aus der Skelettmuskulatur, wobei eine als MGF (Mechano Growth Factor) bezeichnet wird. Der mit zunehmendem Alter abnehmende MGF ist eine Isoform des IGF und reagiert besonders auf mechanische Belastung und Schädigung der Muskelfaser [Harridge, 2003].

Neurologische Faktoren

Die Abnahme der Muskelmasse ist wahrscheinlich auf den selektiven Verlust und das „Remodelling“ von motorischen Einheiten zurückzuführen [Brown, 1972; Doherty et al., 1992; Doherty et al., 1993]. Es bestehen Unterschiede im neuromuskulären System zwischen jüngeren und älteren Menschen [Bazzucchi et al., 2005]. Ab dem 60. Lebensjahr nimmt die Zahl der motorischen Einheiten beschleunigt ab [Andersen, 2003]. Bis zur siebten Lebensdekade sind in bestimmten Muskeln noch etwa die Hälfte der motorischen Einheiten und etwa Dreiviertel der totalen Anzahl an Muskelfasern im Vergleich zu Jugendlichen vorhanden [Doherty et al., 1993]. Der Verlust an Skelettmuskelfasern aufgrund der Abnahme der Motoneurone dürfte daher einer der wichtigsten Faktoren der Sarkopenie sein [Doherty, 2003; Welle, 2002]. Die selektive Atrophie der Typ-II-Fasern wird dem kontinuierlichen Verlust an Motoneuronen zugeschrieben. Selbst wenn atrophierte Muskelfasern durch neu einsprossende Axone reinnerviert werden, stammen diese neuen Axone aus langsamen motorischen Einheiten [Macaluso & De Vito, 2004].

Diätetische Faktoren

Ein im Alter verringertes Verlangen nach Nahrung – bekannt als Altersanorexie – beeinflusst die Sarkopenie entscheidend [Evans, 2004]. Gründe für diese Altersanorexie liegen in der Abnahme der Sinneswahrnehmungen (Geschmack, Geruch und Sehen), einer gesteigerten Aktivität gastrointestinaler Sättigungsfaktoren und Veränderungen diverser Neurotransmitter, Hormone und Zytokine [MacIntosh & Morley, 2000; Morley, 1997]. Zudem können ältere Menschen Phasen erhöhter oder erniedrigter Nahrungsaufnahme weniger gut ausgleichen als jüngere [Roberts, 1995]. Obwohl für den Proteinstoffwechsel im Alter trotz geringerer Gesamtumsatzrate eine ausgeglichene Bilanz beschrieben wird [Cals et al., 1997], ist die Proteineinnahme von großer Bedeutung. Bei postmenopausalen Frauen führte die Einnahme von nur der Hälfte der empfohlenen täglichen Proteinzufuhr von 0,8 g pro kg Körpergewicht zu einer signifikanten Abnahme der Muskelkraft [Castaneda et al., 1995].

Bedeutung der Zytokine

Das Altern ist mit einer erhöhten Produktion von katabolen Zytokinen wie TNF-α und IL-6 assoziiert [Payette et al., 2003; Pedersen et al., 2003; Roubenoff, 2003]. Diese Zytokine tragen zur Altersanorexie und zum Abbau von Muskeleiweiß bei [Bales & Ritchie, 2002]. TNF-α wird daher mit der Sarkopenie in Verbindung gebracht [Pedersen

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