Der Energieumsatz - Der tägliche Energiebedarf wir häufig überschätzt.

Der Energieumsatz - Der tägliche Energiebedarf wir häufig überschätzt.

Israyosoy S. Pexels und Victor Freitas

Der Energieumsatz kann heute durch moderne Messverfahren genau bestimmt werden. Während die direkte Kalorimetrie, bei der die Wärmeabgabe des Körpers gemessen wird, in wissenschaftlichen Studien eingesetzt wird, kommt in der Praxis meist die indirekte Kalorimetrie zum Einsatz. Diese Methode analysiert die Atemgase (Sauerstoffaufnahme und Kohlendioxidabgabe), um den Stoffwechsel und den Energieverbrauch zu bestimmen. Der Energiebedarf setzt sich aus dem Grundumsatz (GU), der nahrungsinduzierten Thermogenese und der körperlichen Aktivität zusammen.

Einflussfaktoren auf den individuellen Energieverbrauch sind nicht nur Geschlecht, Alter und Muskelmasse, sondern auch hormonelle Faktoren. Schilddrüsenhormone spielen eine wichtige Rolle: Eine Überfunktion führt zu einem stark erhöhten Energieumsatz, während eine Unterfunktion den Verbrauch reduziert. Zudem beeinflussen Stresshormone wie Cortisol den Kalorienbedarf, indem sie Stoffwechselprozesse beschleunigen oder verlangsamen.

Der Grundumsatz (GU) – Basis unseres Energieverbrauchs

Unter Grundumsatz versteht man die Energie, die der Körper im Ruhezustand für lebenswichtige Prozesse benötigt. Dazu gehören Organfunktionen, die Zellregeneration sowie der Stoffwechsel. Die Messung erfolgt unter optimalen Bedingungen: 12-14 Stunden nach der letzten Mahlzeit, morgens nach dem Aufwachen, in völliger Ruhe und bei einer Umgebungstemperatur zwischen 27-31 Grad Celsius.

Muskelmasse spielt dabei eine entscheidende Rolle: Mehr Muskelmasse bedeutet einen höheren Grundumsatz. Auch Alter und Geschlecht beeinflussen ihn. Männer haben aufgrund ihres höheren Muskelanteils einen um etwa 10-15% höheren Grundumsatz als Frauen. Mit zunehmendem Alter sinkt der GU durch den natürlichen Muskelabbau.

Zusätzlich zeigen neuere Studien, dass auch die Darmflora eine Rolle im Energiehaushalt spielt. Bestimmte Bakterienstämme können die Nahrungsverwertung optimieren, während andere die Aufnahme von Kalorien aus der Nahrung steigern. Dies erklärt, warum Menschen mit ähnlicher Kalorienaufnahme unterschiedliche Körpergewichte haben können.

Die postprandiale Thermogenese – Energieverbrauch durch Nahrungsaufnahme

Nach jeder Mahlzeit steigt der Energieverbrauch an, weil Verdauung, Nährstoffaufnahme und Stoffwechselprozesse Energie benötigen. Dieser Effekt, bekannt als nahrungsinduzierte Thermogenese, variiert je nach Nährstoff:

- Proteine erhöhen den Energieumsatz um 18-25% der aufgenommenen Energiemenge.
- Kohlenhydrate führen zu einer Steigerung von 4-7%.
- Fette verursachen lediglich eine Erhöhung von 2-4%.

Aktuelle Studien zeigen, dass proteinreiche Ernährung nicht nur die Thermogenese fördert, sondern auch länger sättigt und den Muskelabbau im Alter reduzieren kann. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass die Thermogenese nach dem Essen durch regelmäßige körperliche Aktivität gesteigert werden kann.



Der Leistungsumsatz / Arbeitsumsatz – Bewegung bestimmt den Kalorienbedarf

Der größte variable Faktor des Energieverbrauchs ist die körperliche Aktivität. Sie wird als Leistungsumsatz oder Arbeitsumsatz  bezeichnet und variiert je nach Bewegungsintensität. Während der Grundumsatz relativ stabil bleibt, kann der Leistungsumsatz je nach Beruf und Freizeitverhalten stark schwanken. Menschen mit sitzender Tätigkeit haben oft nur einen geringen Leistungsumsatz (GU x 1,3), während Sportler oder körperlich arbeitende Personen einen Faktor von bis zu GU x 2,5 erreichen können.

Moderne Technologien wie tragbare Aktivitätsmesser ermöglichen eine genauere Berechnung des individuellen Kalorienverbrauchs. Auch die Bioelektrische Impedanzanalyse (BIA) kann den Grund- und Gesamtumsatz unter Berücksichtigung der Körperzusammensetzung exakt ermitteln. Ein wichtiger Aspekt ist dabei das sogenannte „Nachbrennen“: Nach intensiven Trainingseinheiten bleibt der Energieverbrauch über mehrere Stunden erhöht. Dies nennt man den „Excess Post-Exercise Oxygen Consumption“ (EPOC) Effekt.

Anmerkung der Redaktion: Wir verwenden hier die Begriffe Leistungsumsatz /Arbeitsumsatz synonym, wobei es einen kleine Unterschied gibt: 

1. Leistungsumsatz

 Bezieht sich allgemein auf den zusätzlichen Energieverbrauch durch körperliche Aktivitäten im Vergleich zum reinen Grundumsatz.

 Er umfasst alle Bewegungen, ob Sport, Arbeit oder Alltagsaktivitäten wie Gehen oder Treppensteigen.

 Der Leistungsumsatz wird oft mit Multiplikationsfaktoren des Grundumsatzes berechnet (z. B. GU × 1,3 für wenig aktive Personen bis GU × 2,5 für Leistungssportler).

2. Arbeitsumsatz

 Spezifischer Begriff, der sich meist auf den Energieverbrauch während einer bestimmten körperlichen Arbeit oder sportlichen Aktivität bezieht.

 Er beschreibt also den direkten Mehrverbrauch durch eine spezifische körperliche Tätigkeit, z. B. die Kalorienverbrennung während einer Stunde Radfahren oder Gewichtheben.

 Wird in der Sportwissenschaft oft anhand der Sauerstoffaufnahme (VO₂max) oder in MET-Werten (metabolische Äquivalente) berechnet.

Wie lässt sich der Energieverbrauch messen?

Eine präzise Bestimmung des Energiebedarfs erfolgt über verschiedene Methoden:

- **Ergospirometrie**: Misst die Sauerstoffaufnahme (VO2) während einer Belastung auf dem Laufband oder Fahrrad. Die Formel zur Berechnung lautet:

Energieverbrauch = VO2 (L/min) × 60 × 5 kcal/h

- **Metabolische Einheit MET**: 1 MET entspricht einer Sauerstoffaufnahme von 3,5 ml O2 pro kg Körpergewicht pro Minute. Der Kalorienverbrauch pro Stunde kann durch Multiplikation des MET-Werts mit dem Körpergewicht bestimmt werden.

- **Bioelektrische Impedanzanalyse (BIA)**: Diese Methode ermittelt den individuellen Kalorienverbrauch basierend auf der Muskel- und Fettmasse des Körpers.

Berechnung des GU

Für die Berechnung des GU unterscheidet man eine einfache und eine genauere Formel. Beide Formeln sind für Männer und Frauen unterschiedlich.


Einfache Formel:


GU der Frau in Kcal/dGU des Mannes in Kcal/d
700 + 7 x kg Körpergewicht900 + 10 x kg Körpergewicht

Genaue Formel:


AltersklasseGU der Frau in Kcal/dGU des Mannes in Kcal/d
10 - 18 Jahre(kg x 0,056 + 2,898) x 239(kg x 0,074 + 2,754) x 239
19 - 30 Jahre(kg x 0,062 + 2,036) x 239(kg x 0,063 + 2,896) x 239
31 – 60 Jahre(kg x 0,034 + 3,538) x 239(kg x 0,048 + 3,653) x 239
Über 60 Jahre(kg x 0,038 + 2,755) x 239(kg x 0,049 + 2,459) x 239

Beispiel: Nach der Formel liegt der Grundumsatz einer 25jährigen Frau mit einem Körpergewicht von 62 Kilogramm bei


(62 x 0,062 + 2,036) x 239 = 1405,32 Kcal pro Tag

Der Grundumsatz ist aber bei körperlich inaktiven Menschen niedriger, als die Berechnungen erwarten würden!

Er lässt sich auch mit Hilfe der Körperoberfläche (KOF) berechnen, denn die spielt eine entscheidende Rolle für die Wärmeabgabe: GU in kcal pro Tag = 40 x KOF in qm x 24 KOF in qm = Körpergewicht in kg 0,425 x Größe in cm0,725 x 0,007184

Unterschiedliche Berechnungsmöglichkeiten des Energiebedarfs bei unterschiedlichen Aktivitäten

Am besten kann man den Energieverbrauch bei einer bestimmten Belastungsintensität mittels einer Ergospirometrie auf dem Fahrrad oder dem Laufband ermitteln. Im Rahmen der Ergospirometrie lässt sich die aktuelle Sauerstoffaufnahme des Körpers in Litern pro Minute messen (VO2).

Energieverbrauch = VO2 x 60 x 5 kcal pro Stunde

Der Faktor 60 rechnet Minuten in Stunden um und der Faktor 5 setzt Liter VO2 ins Verhältnis mit kcal.

Kennt man nur die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) kann man den Energieverbrauch auch prozentual davon ermitteln.

Beispiel: Bei 70% VO2max: Energieverbrauch = 0.7 x 60 x 5 kcal pro Stunde

Die metabolische Einheit MET

Eine noch einfachere Ermittlung des Energieverbrauchs ermöglicht eine Software, die bei jeder Belastungsstufe anhand der Sauerstoffaufnahme (VO2) auch die metabolische Einheit "MET" errechnet: 1 MET ist die O2-Aufnahme einer erwachsenen Person im Sitzen = 3.5 ml VO2 pro Minute und kg Körpergewicht.


Das Energieäquivalent von 1 MET in kcal/min = ca. 1 kcal pro kg Körpergewicht und Stunde. Bei einem Körpergewicht von z.b. 70 kg entspricht 1 MET ca. 1.2 kcal/min. Man braucht also nur die MET's der jeweiligen Belastungsstufe, die einen interessiert, mit dem Körpergewicht zu multiplizieren, um den Kalorienverbrauch pro Stunde für diese Belastungsintensität zu ermitteln.

Daneben lässt sich mittels Bioelektrischer Impedanzanalyse BIA (vgl. Artikel der Grundumsatz sowie der tägliche Gesamtenergieverbrauch anhand der Körpergewebszusammensetzung in Verbindung mit dem Ausmass der körperlichen Aktivität relativ genau ermitteln.

Viele Menschen überschätzen ihren Kalorienverbrauch im Alltag. Besonders sitzende Tätigkeiten führen oft dazu, dass der tatsächliche Energieverbrauch weit unter dem liegt, was angenommen wird. Dies kann langfristig zu einem ungewollten Kalorienüberschuss und Gewichtszunahme führen.

Die genaue Berechnung des Energiebedarfs mithilfe moderner Methoden wie der Ergospirometrie, MET-Berechnung oder BIA kann helfen, den persönlichen Kalorienverbrauch realistisch einzuschätzen. Wer sein Gewicht halten oder reduzieren möchte, sollte nicht nur auf den Kalorienverbrauch, sondern auch auf eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung achten.

Aktuelle Forschungen legen nahe, dass neben Sport und Ernährung auch Schlaf eine bedeutende Rolle im Energiehaushalt spielt. Menschen mit Schlafmangel haben oft eine veränderte Hormonregulation, die den Appetit steigert und den Kalorienverbrauch reduziert.

Quellen:

- Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Grundlagen des Energieumsatzes.
- Aktuelle Studien zur Thermogenese und Kalorienverbrauch, veröffentlicht im „Journal of Clinical Nutrition“.
- Messmethoden zur Bestimmung des Energieverbrauchs, vorgestellt im „European Journal of Applied Physiology“.
- Wissenschaftliche Arbeiten zur Bioelektrischen Impedanzanalyse, erschienen in „Advances in Nutrition and Metabolism“.
- Studien zur Rolle der Darmflora im Energiehaushalt, veröffentlicht im „Nature Metabolism Journal“.




Tipp
Der tägliche Energieverbrauch wird häufig überschätzt. Formeln können helfen, eine Vorstellung darüber zu bekommen, wieviel Kalorien vom Körper verbraucht werden. Wer abnehmen will, sollte sich aber nicht ausschließlich auf Nährwerttabellen und Berechnungsformeln verlassen, sondern mit Steigerung der köperlichen Aktivität und fettarmer Ernährung langfristig die Lebensweise ändern. Ein genaues Abzählen der aufgenommenen und verbrauchten Kalorien ist bei einer ausgewogenen Ernährung in der Regel nicht notwendig.

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