Michael Fuchs hatte am vergangenen Samstag eine Aufgabe, die seine sportlichen Fähigkeiten auf eine harte Probe stellte. Der 1,97 Meter große Torwarttrainer der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft sollte die Schusstechnik der japanischen Spielerin Aya Miyama kopieren. Klingt einfach? Nicht, wenn man 93 Kilogramm wiegt, Schuhgröße 46 trägt und es mit der federleichten Eleganz einer 49 Kilogramm schweren Spielerin mit Schuhgröße 34 aufnehmen soll.
Die Kunst des perfekten Freistoßes
Doch es ging nicht um Beweglichkeit oder graziöse Schritte – das wäre ohnehin zum Scheitern verurteilt gewesen. Fuchs sollte versuchen, Miyamas einzigartigen Schusstechnik nachzuahmen, mit der sie gegen England zwei perfekte Freistoßtore erzielte. Diese Schüsse zeichneten sich durch eine beeindruckende Kurve aus, die den Ball ins Tor zauberte, obwohl das Spiel ansonsten von den Engländerinnen dominiert wurde. Es schien fast, als hätte Miyama die Physik für sich neu erfunden.
Doch Fuchs‘ Versuche, den Ball in ähnlicher Manier Richtung Tor von Nationaltorhüterin Nadine Angerer zu schießen, endeten entweder in den Wolken oder meilenweit neben dem Tor. „Es ist offensichtlich nicht nur eine Frage der Technik“, gab Fuchs später zu. „Miyamas Schuhgröße und ihr Hebel spielen eine entscheidende Rolle.“
Kleine Füße, große Wirkung
Die physikalische Logik hinter Miyamas Schusstechnik ist tatsächlich faszinierend. Ihre Schuhgröße von 34 erlaubt ihr, den Ball mit einem anderen Hebel zu treffen als Spielerinnen mit größeren Füßen. „Ich habe keine Ahnung, ob man mit größeren Schuhen genauso schießen kann“, scherzte Miyama. „Aber das werde ich wohl nicht mehr herausfinden – meine Füße wachsen ja nicht mehr.“
Ähnlich wie Lothar Matthäus bei den Männern, der mit seiner Schuhgröße 38 oft als Ausnahmeerscheinung galt, zeigt Miyama, dass kleine Füße im Fußball ein Wettbewerbsvorteil sein können. Sie ermöglichen eine präzisere Kontrolle und eröffnen neue Möglichkeiten für beeindruckende Ballflugkurven.
Strategie oder Zirkusnummer?
Doch Miyamas Schüsse sind nicht die einzige Herausforderung für ihre Gegnerinnen. Besonders kurios wirkte eine Szene aus einem Spiel gegen Argentinien, bei der zwei ihrer Mitspielerinnen vor der gegnerischen Mauer knieten. Bundestrainerin Silvia Neid gab zu, zunächst nicht verstanden zu haben, was es damit auf sich hatte. „Ich habe bis heute nicht kapiert, was sie damit bezwecken“, erklärte Neid. Die Antwort kam vom japanischen Trainer Hiroshi Ohashi: Die knienden Spielerinnen sollen der gegnerischen Torhüterin die Sicht auf den Ball nehmen und sie irritieren.
Diese Strategie hatte jedoch nicht immer den gewünschten Effekt. Bei einem Freistoß gegen Argentinien traf Miyama den Ball nicht optimal – und dieser landete statt im Tor im Unterleib einer der knienden Spielerinnen. „Das war nicht unser Plan“, kommentierte Ohashi trocken. Doch trotz kleiner Pannen bleibt Miyamas Technik ein Mysterium, das ihre Gegnerinnen regelmäßig vor Probleme stellt.
Kein Rezept gegen die deutsche Defensive
Auch im Spiel gegen Deutschland konnte Miyama ihre Magie nicht vollständig entfalten. Trotz eines umkämpften Spiels endete die Partie mit einem 2:0-Sieg für die deutschen Frauen. Die Abwehr hielt stand, und Miyamas gefürchtete Freistöße blieben wirkungslos. Doch eines steht fest: Ihre außergewöhnliche Schusstechnik wird noch lange Gesprächsthema bleiben – sowohl auf dem Platz als auch in den Trainerkreisen.
Einzigartigkeit als Stärke
Miyamas Freistöße und ihre unnachahmliche Technik zeigen, wie wichtig individuelle Stärken im Fußball sind. Während die meisten Spielerinnen und Spieler mit standardisierten Methoden trainiert werden, beweist Miyama, dass es oft die kleinen, persönlichen Eigenheiten sind, die den Unterschied ausmachen. Ob es die Schuhgröße, die Körpergröße oder einfach nur die schier unermüdliche Leidenschaft für den Sport ist – diese Einzigartigkeit macht den Fußball so faszinierend.
Fazit: Kleine Füße, große Legende
Der perfekte Schuss mag tatsächlich mit kleinen Füßen einfacher sein, aber es braucht weit mehr als das: Talent, Hingabe und eine Portion Einfallsreichtum. Miyama zeigt uns, dass Fußball nicht nur ein körperlicher, sondern auch ein mentaler und strategischer Sport ist. Ihre Freistöße sind nicht nur ein physikalisches Rätsel, sondern auch ein Sinnbild für die Schönheit und Kreativität, die der Frauenfußball zu bieten hat. Der perfekte Schuss braucht eben nicht nur kleine Füße – sondern auch eine große Leidenschaft.