Wenn ich mit Kollegen oder Freunden über Training und Fitness im Allgemeinen ins Gespräch komme, taucht häufig die Frage auf, wie ich es trotz unregelmäßiger Arbeitszeiten, anderer Hobbys und einem fordernden Alltag schaffe, ein so umfangreiches Trainingsprogramm aufrechtzuerhalten. Meine kurze Antwort lautet meistens, dass es keineswegs nötig ist, jeden Tag stundenlang zu trainieren. Doch damit mache ich es mir fast zu einfach, denn wer mich näher kennt, weiß, dass das Fitnesstraining für mich ein fester Bestandteil meines Glücksempfindens ist. Ich liebe das Training und verdiene damit dennoch nicht meinen Lebensunterhalt. Gerade deswegen muss ich kreativ sein, um es in meinen vollen Terminkalender zu integrieren. Die Fähigkeit, möglichst viel gleichzeitig zu erledigen, ohne dabei Qualität einzubüßen, wurde für mich zum Schlüssel, um Sport, Hobby und Arbeit unter einen Hut zu bringen.
Wie mich Bruce Lee inspiriert hat
Auf die Idee, gewisse Dinge gleichzeitig zu tun, kam ich, als ich ein Schwarz-Weiß-Foto von Bruce Lee sah. Er war tief in ein Buch versunken, während er sich dehnte und nebenbei ein Glas Wasser zu sich nahm. Sofort dämmerte mir, dass sein Zeitmanagement grandios sein musste, denn ein Großteil der Menschen hätte wohl 20 Minuten lang gedehnt, dann 30 Minuten gelesen und anschließend noch einmal ein paar Minuten genutzt, um etwas zu trinken. Das summiert sich schnell zu einer knappen Stunde. Bruce Lee aber verband diese Aufgaben dermaßen geschickt, dass er beinahe die Hälfte der Zeit brauchte und trotzdem konzentriert blieb. Er schaffte es, sich auf eine Sache stark zu fokussieren, wie das Lesen, während er parallel automatisierte Handlungen vollzog, etwa das Trinken und Dehnen. Das nenne ich wahre Effizienz, und sie basiert darauf, diejenigen Tätigkeiten zu erkennen, die unser Gehirn nicht dauerhaft beanspruchen.
Simultanität im Alltag – eine eigene Methode
Von diesem Vorbild motiviert, begann ich mich umzuschauen, welche Routineaufgaben in meinem Alltag nur wenig bewusste Konzentration erfordern. Immerhin verrichten wir viele Dinge fast schon im Autopiloten. Man denke zum Beispiel an die gleichförmige Autofahrt, wenn sie nicht gerade durch eine hektische Innenstadt führt, oder an eine entspannte Session in der Sauna, bei der man ohnehin nur herumsitzt. Auch das Dehnen des Körpers geht ab einem gewissen Erfahrungsschatz fast intuitiv, genauso wie man Wasser trinkt, ohne darüber groß nachzudenken. Wenn die körperliche Anwesenheit bei der Arbeit gefordert ist, man aber geistig nicht ständig hochkonzentriert sein muss, könnte sich ebenfalls ein Zeitfenster eröffnen. Diese Momente wollte ich gezielt koppeln mit Tätigkeiten, die zwar mental fordernd sind, mir aber Freude bereiten oder mein Wissen erweitern. So las ich Bücher oder hörte lehrreiche Hörbücher und Podcasts, während ich mich dehnte oder den Körper entlastete. Bruce Lee war also nur der Anlass dafür, dass ich nach und nach verschiedene Kombinationen entdeckte, in denen ich ein straffes Zeitbudget besser nutzen konnte.
Beispiele für mein simultanes Training
Wenn ich zur Arbeit fahre und nicht an jeder Ecke schalten, bremsen und hundert Prozent konzentriert sein muss, nutze ich die Zeit, um Wasser oder Tee zu trinken. Zusätzlich höre ich gern Interviews, Podcasts und Hörbücher, was zu einem enormen Wissenszuwachs führt. Man kann sich kaum vorstellen, wie viele Texte, Bücher oder Debatten man in einem Monat dadurch konsumiert, ohne dass man dafür extra Zeit blocken müsste. Im Winter, wenn die Sonne eher spärlich zu sehen ist, gönne ich mir eine Tageslichtlampe, um ausreichend Vitamin D zu produzieren und den Winterblues zu vertreiben. Genau diese halbe Stunde, in der ich ohnehin vor der Lampe sitze, nutze ich zum Dehnen und Lesen. Die Sauna ist ebenfalls ein hervorragender Ort für eine Art Doppelnutzung, denn man sitzt oder liegt ohnehin in der Hitze, um zu entspannen, also kann man gleich noch leichte Meditationsübungen oder Visualisierungseinheiten einbauen. Dabei massiere ich auch mal Triggerpunkte, die bei mir verspannt sind.
Bei der Arbeit habe ich manchmal Wartezeiten, in denen meine Anwesenheit gefordert wird, aber ich mich nicht aktiv in Abläufe einbringen muss. Diese Minuten oder sogar halbe Stunde überbrücke ich mit dem Lesen eines eBooks, was dazu geführt hat, dass ich im Laufe der letzten Jahre vermutlich mehr als hundert Werke durchgearbeitet habe. Bei der Hausarbeit baue ich gelegentlich Kniebeugen, leichtes Wadenheben und ein wenig Schattenboxen ein, um den Kalorienverbrauch ein wenig anzukurbeln. Das ersetzt kein umfassendes Krafttraining, aber es bringt Bewegung in meinen Alltag. Oder während langer Autofahrten greife ich manchmal zur Fingerhantel, um meine Griffkraft zu trainieren, wenn der Verkehr gerade wenig fordernd ist. Außerdem kann ich jederzeit in nahezu jeder Lebenslage meinen Körper anspannen, wenn es die Situation erlaubt. Ich schaffe damit nicht nur ein besseres Körpergefühl, sondern fördere in gewissem Maße sogar leichtes Muskelwachstum, sofern ich die Intensität erhöhe.
Warum Grenzen nötig sind
So viel Spaß das gleichzeitige Erledigen verschiedener Dinge macht, gibt es dabei auch klare Grenzen. Jede Form von Informationsverarbeitung beansprucht kognitive Ressourcen. Egal, ob man sich aufs Lesen konzentriert oder auf das Sprechen eines Hörbuchs lauscht, das Gehirn kann nicht unbegrenzt Input aufnehmen. Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Neuroplastizität, also zur Lern- und Anpassungsfähigkeit des Gehirns, zeigen, dass neue Informationen Zeit und Ruhe benötigen, um sich dauerhaft zu festigen. Synapsen wachsen nicht über Nacht, sondern stellen allmählich Verbindungen her, wenn wir uns mit einem Thema wiederholt auseinandersetzen. Ähnlich sieht es bei unserem Körper aus. Wenn wir zu viele Trainingsansätze gleichzeitig fahren, braucht der Körper eine ausreichende Regeneration, damit Muskeln überhaupt wachsen können. Oft überschätzen wir uns und meinen, wir könnten täglich aufs Neue Vollgas geben, doch die Physiologie legt uns nahe, dass ein ausgewogenes Verhältnis von Anspannung und Entspannung essenziell ist. Für den Sport ist das eine bekannte Wahrheit: Nicht die Trainingsintensität an sich limitiert häufig den Fortschritt, sondern die mangelnde Erholung.
Regeneration und intelligentes Training
Muskeltraining besteht aus dem Reiz, den wir setzen, und der anschließenden Zeit, in der unser Körper reagiert und sich anpasst. Wer dieses Prinzip ignoriert, riskiert Verletzungen und Übertraining. Die Kunst besteht also darin, den passenden Rhythmus zu finden. Genauso läuft es mit unserem kognitiven Lernen. Wenn wir beispielsweise jeden Tag ein neues Hörbuch verschlingen, kann es passieren, dass wir zwar fasziniert zuhören, aber vieles nicht dauerhaft im Gedächtnis bleibt. Die grundlegende Frage ist, wie intensiv wir uns einer Aufgabe widmen möchten. Je intensiver wir sie betreiben, desto mehr Erholungsphasen sind nötig. Das Gleiche gilt für das von mir favorisierte „simultane Training“. Sobald ich merke, dass mich eine Kombination von Aktivitäten überfordert, schalte ich einen Gang zurück. Wer sich beispielsweise bei einer langen Autofahrt zu sehr auf Hörbücher konzentriert, während der Verkehr in einer Großstadt brummt, wird schnell feststellen, dass Stress und Unfallgefahren steigen, weil die Kapazität aufgebraucht ist.
Wie sich simultanes Training für unterschiedliche Ziele anpassen lässt
In vielen Fällen ist es gar nicht das harte, intensive Trainieren, das zum Erfolg führt, sondern die kluge Einbettung von mittelschwerer Aktivität in den Alltag. Ein Bekannter, der als IT-Spezialist ganze Tage am Rechner verbringt, nahm merklich zu, bis er kaum noch die Treppe hochkam. Er hatte wenig Lust, seinen Rechner zu verlassen oder Freizeit extra für Sport freizuräumen. Seine Lösung bestand darin, auf ein kleines Fahrradergometer umzusteigen, das er unter seinem Schreibtisch platzierte. Während er also weiter programmiert, strampelt er leicht vor sich hin, ohne sich zu verausgaben, und verbrennt damit einige Hundert zusätzliche Kalorien pro Tag. Durch das stete Strampeln erhöhte er seinen Grundumsatz und reduzierte sein Gewicht. Das ist ein klassisches Beispiel für simultanes, aber nicht übermäßig intensives Training, das trotzdem große Effekte haben kann, wenn es regelmäßig stattfindet. Was hier greift, ist die Idee, Alltagsroutinen zu verbessern und den Organismus in Bewegung zu halten.
Wohin führt das Ganze?
In einer Gesellschaft, in der „Zeitmanagement“ und „Optimierung“ längst keine Fremdwörter mehr sind, sind solche Ideen durchaus von Interesse. Doch sie bergen natürlich die Gefahr, den Leistungsdruck zu steigern und ständig mehr aus sich herausholen zu wollen. Wer hinter jeder Aktivität den Drang nach maximaler Effizienz verspürt, kann sich rasch überlasten und ausbrennen. Ich selbst versuche, es gelassen zu sehen und lediglich Momente zu nutzen, die sich für die eine oder andere Aktivität anbieten, ohne meine Regeneration zu vernachlässigen. Letztlich geht es mir darum, ein Leben zu führen, das trotz voller Agenda Raum für Fitness, Bildung und Entspannung lässt. Ich nenne es gern eine „Antestphase verschiedener Möglichkeiten“. Es gibt Zeiten, da klappt simultanes Training wunderbar, weil der Alltag ruhiger ist und ich Lust auf neue Bücher habe. Dann wieder gibt es Phasen, in denen ich spüre, dass mein Kopf ausgelastet ist und meine Muskeln nach einer echten Trainingspause schreien. In diesem Moment lasse ich mich auf pure Erholung ein, ohne zusätzliche Impulse zu setzen. Man könnte sagen, ich experimentiere mit einem Gleichgewicht zwischen Tun und Lassen, um ein für mich sinnvolles Leben zu gestalten. So vereint sich der Sport mit meiner Berufstätigkeit und meinen Hobbys, und es entsteht das, was ich als „Lebensglück“ bezeichne. Mein Fazit lautet: Zeit hat man nicht, man nimmt sie sich, und ein wenig Kreativität hilft, wenn sie knapp wird. Das Prinzip, so viele Dinge im Alltag clever zu bündeln, kann eine hervorragende Strategie sein, solange wir die Grenzen der Regenerationsfähigkeit akzeptieren und den Spaß daran nicht verlieren.
Ein persönliches Schlusswort
Manch einer hält das alles für übertrieben, ein anderer wird sich fragen, ob er nicht längst Ähnliches praktiziert. Denn in Wahrheit nutzen viele von uns Pausen oder Wartezeiten schon intuitiv, um Produktives zu erledigen, sei es das Lesen einer Nachricht oder das schnelle Beantworten einer E-Mail. Ich bin jedoch überzeugt, dass wir diese Methode noch bewusster einsetzen können, um eine bessere Balance zwischen Training, Alltagsanforderungen und persönlicher Weiterentwicklung zu finden. Es ist kein Aufruf, jeden Moment des Tages zu verplanen, sondern eine Einladung zu testen, in welchen Situationen simultanes Handeln sinnvoll erscheint. Wer das Ganze entspannt angeht, wird herausfinden, dass es eine nützliche Ergänzung zum normalen Training darstellt, gerade wenn wenig Zeit zur Verfügung steht. So können wir Ausdauer, Beweglichkeit und Kraft steigern und zwar quasi ganz nebenbei. Genau darin sehe ich den Reiz: Das Leben bleibt vielfältig, während wir trotzdem aktiv an unserer Gesundheit arbeiten. Vielleicht sorgt das zeitweise auch für ein Lächeln, wenn wir uns an Bruce Lees Bild erinnern. Ich jedenfalls bin dankbar für seine Inspiration, denn sie hat mich gelehrt, dass Zeit nicht unser Gegner, sondern unser Weggefährte sein kann, solange wir sie geschickt nutzen. Viel Erfolg beim Ausprobieren und einen achtsamen Umgang mit eurer eigenen Energie. Euer Patrick Raabe.
Euer Patrick Raabe